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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Was bringt die Einführung klinischer Pfade? Ergebnisse einer Evaluationsstudie

Meeting Abstract

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  • Stefan Gräber - Universität des Saarlandes, Homburg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds130

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds255.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Gräber.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Ein klinischer Pfad beschreibt den optimalen Weg eines bestimmten Patiententyps (im wesentlichen definiert durch Diagnose und Therapie) mit seinen entscheidenden diagnostischen und therapeutischen Leistungen und seiner zeitlichen Abfolge im Krankenhaus. Er wird in interdisziplinärer und interprofessioneller Kooperation definiert und durch organisatorische und informationstechnische Maßnahmen umgesetzt. Mit der Einführung klinischer Pfade soll die Qualität der Versorgung bei Reduzierung der Kosten verbessert werden. In Abhängigkeit der Erkrankung und der Rahmenbedingungen wird dieses Ziel aber nicht immer erreicht (z.B. [1], [2]). Teilweise werden Effekte beschrieben ohne dass eine systematische Untersuchung stattgefunden hat (z.B. [3]). Mit der hier vorgestellten Studie sollte daher evaluiert werden, welche Auswirkungen die Umstellung vom konventionellen Vorgehen zur Anwendung klinischer Pfade in der Chirurgie auf den Behandlungsverlauf und die Patientenzufriedenheit hat.

Material und Methoden

In der Klinik für Allgemeinchirurgie des Universitätsklinikums des Saarlandes wurde in der Zeit vom 01.06.2005 bis 28.02.2006 eine Beobachtungsstudie mit Vorher-Nachher-Design durchgeführt, d.h. der Behandlungsverlauf bei Patienten ohne Verwendung klinischer Pfade (Phase 1) wurde mit dem Behandlungsverlauf bei Patienten nach der Einführung klinischer Pfade (Phase 2) verglichen. Eingeschlossen wurden elektive Patienten mit ausgewählten Diagnosen (siehe Tab. 1 [Tab. 1]) und entsprechender operativer Therapie, die einer Erhebung der Daten zugestimmt hatten. Es wurden diejenigen Diagnosen ausgewählt, für die im Jahre 2004 die Anzahl der Patienten am höchsten war. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die zugehörigen Pfade unterschiedlich komplex waren.

Die wichtigsten Zielgrößen waren die Aufenthaltsdauer, die Anzahl von Konsilen und Funktionsuntersuchungen (als Surrogatmerkmale für Aufwand und Kosten) sowie Merkmale zur Einschätzung der Patientenzufriedenheit (z.B. Bewertung von Wartezeiten). Die Daten wurden aus der elektronischen Patientenakte (IS-H/i.s.h.med), der konventionellen Patientenakte und mit Hilfe des Fragebogens zur Patientenzufriedenheit erhoben und anonymisiert in einer Studiendatenbank gespeichert.

Ergebnisse

Die mittlere Aufenthaltsdauer in Phase 1 betrug 12,7 Tage, in Phase 2 8 Tage. Die Patienten verbrachten im Mittel 2,5 Tage vor der OP in der Klinik in Phase 1 gegenüber 1,4 Tage in Phase 2. Die entsprechenden mittleren Dauern nach OP betrugen 9,8 bzw. 3,9 Tage. Die mittlere Anzahl von Laboruntersuchungen war in Phase 2 durchweg geringer als in Phase 1: sie nahm beim Blutbild von 7,8 auf 3,2, bei Gerinnungsparametern von 5,1 auf 2,1, bei Notwerten von 6,8 auf 2,8 und bei sonstigen Laboruntersuchungen von 4,2 auf 1,9 ab. Die Anzahl mehrfacher konsiliarischer Untersuchungen (Kardiologie, Hämostaseologie u.a.) ging von 3,2% in Phase 1 auf 0% in Phase 2 zurück. Ebenfalls reduzierte sich die Anzahl mehrfacher bilderzeugender Untersuchungen (Röntgen, CT, MRT) von über 6% auf 1,2%. Die mittlere Zeit von der Entlassung des Patienten bis zur Freigabe des Arztbriefes in der elektronischen Patientenakte betrug 11,4 Tage in Phase 1 und 7,3 Tage in Phase 2.

In der Patientenbefragung konnten Wartezeiten auf einer dreistufigen Skala (1=kurz, 2=angemessen, 3=zu lang) bewertet werden. Während die Wartezeit bis zur Aufklärung durch den Chirurgen in beiden Phasen gleich empfunden wurde, reduzierte sich die mittlere Einstufung der Wartezeiten auf die Röntgenuntersuchung und bis zur Aufklärung durch den Narkosearzt von 1,9 auf 1,6, bis zur Bereitstellung eines Zimmers von 1,7 auf 1,5 und auf den Transport zu anderen Untersuchungen von 1,9 auf 1,7. Die Frage "Hatten Sie zeitweise das Gefühl wie am Fließband abgefertigt zu werden?" beantworteten in beiden Phasen über 92% mit "nein". Eine Weiterempfehlung der Klinik für Allgemeinchirurgie auf Grund der Erfahrungen mit dem Behandlungsablauf haben 64% der Patienten in Phase 2 im Vergleich zu 50% in Phase 1 ausgesprochen.

Diskussion

Eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer durch die Einführung klinischer Pfade wird mehrfach berichtet (z.B. [4], [5]). Dieser Effekt konnte auch in dieser Studie bestätigt werden. Das betrifft sowohl die Zeit vor OP als auch nach OP. Aus der Abnahme der Anzahl von Laboruntersuchungen, Konsilen und bilderzeugenden Untersuchungen lässt sich schließen, dass das bessere Zusammenspiel der an der Versorgung beteiligten Personen und Einrichtungen auf einem klinischen Pfad zu einer Reduzierung des Aufwands und der Kosten führt. Dieser Effekt drückt sich auch in der schnelleren Verfügbar der Arztbriefe aus. Für die Patientenzufriedenheit ist es wichtig, dass anfallende Wartezeiten als angemessen empfunden werden. Hier konnte gezeigt werden, dass die Einführung von klinischen Pfaden zu einer besseren Bewertung der Wartezeiten durch die Patienten und zu einem höheren Grad der Weiterempfehlung der chirurgischen Klinik führt. Gleichzeitig änderte sich das subjektive Empfinden der Patienten in Bezug auf den Versorgungsablauf nicht.

Man könnte einwenden, dass die Gruppen nicht ausreichend vergleichbar sind, weil in Phase 1 Patienten mit Komplikationen enthalten sind, für die in Phase 2 ein klinischer Pfad nicht anwendbar gewesen wäre. Das spielt aber unserer Meinung nach für die Schlussfolgerungen keine Rolle, denn wenn die Anwendung eines klinischen Pfades möglich ist und konsequent zu Ende geführt wird, wird ein besserer Ablauf der Versorgung und eine höhere Zufriedenheit der Patienten erreicht. Studien mit gleichem Design zeigen entsprechende Ergebnisse [6].


Literatur

1.
Taylor WJ, Wong A, Siegert RJ, McNaughton HK. Effectiveness of a clinical pathway for acute stroke care in a district general hospital: an audit. BMC Health Serv Res. 2006, 6-16.
2.
Kwan J, Sandercock P. In-hospital care pathways for stroke. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2004, Issue 4.
3.
Wicke C, Teichmann R, Holler T, Rehder F, Becker HD. Entwicklung und Einsatz von Patientenpfaden in der Allgemeinchirurgie. Der Chirurg 2004, 75(9):907-15.
4.
Webster TM, Baumgartner R, Sprunger JK, Baldwin DD, McDougall EM, Herrell SD. A clinical pathway for laparoscopic pyeloplasty decreases length of stay. J Urol 2005, 173(6):2081-4
5.
Uchiyama K, Takifuji K, Tani M, Onishi H, Yamaue H. Effectiveness of the clinical pathway to decrease length of stay and cost for laparoscopic surgery. Surg Endoscopy 2002, 16(11):1594-7.
6.
Cheah J. Clinical pathways – an evaluation of its impact on the quality of care in acute care general hospital in Singapore. Singapore Medical Journal 2000, 41(7):335-46.