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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Anwendungen einer neuartigen Methode der softwaregestützten, dynamischen Quantifizierung von Farbdopplersignalen (PixelFlux-Methode)

Meeting Abstract

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  • Thomas Scholbach - Klinikum St. Georg, Leipzig
  • J. Scholbach - Institut für Mathematik, Universität Leiprig, Leipzig

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds438

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds206.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Scholbach et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Zahlreiche Erkrankungen gehen mit Durchblutungsveränderungen eines betroffenen Organs einher. Es ist daher von großem klinischen Interesse, diese Veränderungen zu messen. Die heute zur Verfügung stehenden Verfahren sind jedoch subjektiv, invasiv, strahlenbelastend oder auf oberflächliche Strukturen beschränkt. Wir haben daher einen neuartigen Ansatz entwickelt, der auf einer softwaregestützten , nichtinvasiven Quantifizierung der Perfusion von Organen in situ beruht (PixelFlux-Methode).

Material und Methoden

Patienten

Das PixelFlux-Verfahren wurde bei Patienten mit Erkrankungen verschiedener Organsysteme eingesetzt: Nierenentzündungen, Nierentransplantate, Harnstauungsnieren, Lymphknotenmetastasen des HNO-Bereichs, Lymphknotenentzündungen, Schilddrüsenerkrankungen, rheumatische Gelenkerkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen.

PixelFlux-Verfahren

Bei einer „normalen“ Ultraschalluntersuchung werden farbduplexsonografische Videos eines Organs von ca. 3 Sekunden Dauer unter strikt standardisierten Bedingungen aufgenommen. Diese Videos (DICOM oder .avi-Format) werden auf einem PC mit der speziell für diese Messungen entwickelten Software „PixelFlux Scientific“ (http://www.chameleon-software.de/) ausgewertet. Dabei wird eine standardisierte Untersuchungsregion (ROI) ausgewählt, von der wiederum standardisierte Sub-ROIs abgeleitet werden. In den ROIs werden die Farbpixel hinsichtlich der von ihnen okkupierten Fläche und der durch sie kodierten Flussgeschwindigkeit automatisch vermessen. Die Messungen werden auf die gesamte ROI bezogen. Ein spezieller Algorithmus der Software erkennt komplette Herzaktionen aus den Farbdopplerdaten und erfasst daher alle Flusssignale herzphasengetriggert. Damit werden die oftmals erhebliche Veränderungen der Perfusion während eines kompletten Herzzyklus in Betracht gezogen. Aus allen Pixeln der ROI über eine komplette Herzaktion wird die mittlere Perfusionsintensität (PI) berechnet: PI= perfundierte Fläche/Gesamtfläche der ROI* mittlere Perfusionsgeschwindigkeit. Durch eine Automatikfunktion können mehrere tausend Ultraschallbilder pro Stunde quantitativ beurteilt werden. Die Messergebnisse werden in einer Datenbank gemeinsam mit den Videos verwaltet. Mehr als 30 Parameter der Perfusion werden erfasst und lassen sich in Statistik-Softwareprogramme exportieren. Außerdem wird die lokale Perfusionsverteilung quantitativ in 30 Intensitätsklassen erfasst und als Verteilungskurve dargestellt, die Perfusionsintensitäten werden der ROI als Falschfarbendarstellung überlagert, um lokale Perfusionsunterschiede sofort visuell erfassen zu können. Die simultane Perfusionsberechnung verschiedener Sub-ROIs ermöglicht quantitative Aussagen zur Struktur des Gefäßbaumes eines Organs oder Tumors.

Ergebnisse und Diskussion

Die PixelFlux-Analyse der Gewebsperfusion ist in der Lage, feinste Perfusionsveränderungen zu messen.

  • In der Niere sind signifikante Unterschiede der Perfusion millimeterdünner Schichten messbar (87 gesunde Probanden, orthotope Nieren: proximale corticale Perfusion: MW 1,86 cm/s vs. distale corticale Perfusion: MW 0,56 cm/s; p < 0,001) [1] Dies kann diagnostisch genutzt werden. Zum Beispiel lässt sich die häufig auftretende Verödung des Gefäßbaumes bei Nierentransplantaten messen, womit die Chance besteht, den sich verschlechternden Zustand des Transplantates bereits vor der funktionellen Dekompensation des Organs nachzuweisen [2], [3]. Nach Transplantation (38 Patienten) wird schon nach 12 Monaten eine hochsignifikante Perfusionsminderung gemessen (proximaler Cortex initial MW 1,94 cm/s (nicht direkt vergleichbar mit orthotopen Nieren) – nach einem Jahr MW 1,41 cm/s3) bei gleichzeitig hochsignifikant zunehmender Pulsatilität der Perfusion (Tissue Pulsatility Index initial MW 1,10 – nach einem Jahr MW 1,41 ; p = 0,002). Das könnte künftige Modelle der potentiell nephrotoxischen Immunsuppression beeinflussen. Insuffiziente Transplantate zeigen eine signifikant schlechtere Perfusion des Cortex als gesunde (Perfusion proximaler Cortex 1,36 vs. 0,82 cm/s ; p < 0,001).
  • Bei gleichzeitigen invasiven Messungen der Oxygenierung von Tumoren und PixelFlux-Messungen ließ sich eine Korrelation der mit PixelFlux gemessene Perfusionsintensität mit der Gewebsoxygenierung des Tumors sichern. Der Tissue Pulsatility Index ließ eine Differenzierung der Tumoren nach Stadien der TNM-Klassifikation zu. Minderperfundierte Metastasen (24 Patienten; cut-off 0,05 cm/s mittlere Perfusionsintensität) hatten eine signifikant geringere Oxygenierung (60% vs.43% Volumenanteil mit O2-Sättigung < 10 mm Hg; p = 0,006) [4].
  • Entzündungen des Darmes lassen sich ohne Darmspiegelung in bisher nicht gekannter Genauigkeit und sehr früh erfassen [5]. Der Effekt der Therapie kann direkt am entzündeten Darm gemessen werden. Krankheitsverläufe lassen sich numerisch beschreiben. Daraus können wesentliche Hinweise für die Therapie, z.B. bei sich ankündigenden Rezidiven abgeleitet werden.
  • Das Verständnis zahlreicher (patho-)physiologischer Prozesse wird erleichtert: z.B. arterielle Minderperfusion bei Arteriosklerose, venöse Kongestion, Infarzierung, Leistungsanpassung unter physiologischen und pathologischen Bedingungen wie Wachstum oder Kompensation des Ausfall eines Schwesterorgans, Entzündungen, Tumorwachstum, Angiogenese, Alterung, Nebenwirkungen von Medikamenten.

Das PixelFlux-Verfahren bietet dem klinisch tätigen Arzt eine wertvolle Entscheidungshilfe bei zahlreichen Erkrankungen und hat kann pathophysiologische Prozesse anhand der sie begleitenden Perfusionsänderungen des Gewebes direkt sichtbar machen. Damit wird eine differenziertere Betrachtung und eine individualisierte Therapie erleichtert. Wissenschaftliche Studien werden durch quantitativ erfasste Parameter der Perfusion erleichtert.


Literatur

1.
Scholbach T, Dimos I, Scholbach J. A new method of color Doppler perfusion measurement via dynamic sonographic signal quantification in renal parenchyma. Nephron Physiol. 2004; 96:p99-104.
2.
Scholbach T, Girelli E, Scholbach J. Tissue pulsatility index: a new parameter to evaluate renal transplant perfusion. Transplantation. 2006; 81:751-5.
3.
Scholbach T, Girelli E, Scholbach J. Dynamic tissue perfusion measurement: a novel tool in follow-up of renal transplants. Transplantation. 2005; 79:1711-6.
4.
Scholbach T, Scholbach J, Krombach GA, Gagel B, Maneschi P, Di Martino E. New method of dynamic color doppler signal quantification in metastatic lymph nodes compared to direct polarographic measurements of tissue oxygenation. Int J Cancer. 2005; 114:957-62.
5.
Scholbach T, Herrero I, Scholbach J. Dynamic color Doppler sonography of intestinal wall in patients with Crohn disease compared with healthy subjects. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2004; 39:524-8.