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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Health Technology Assessment zur medizinischen Effektivität der HPV-DNA-Diagnostik as Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung

Meeting Abstract

  • Eva Esteban - Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland
  • Gaby Sroczynski - Institut für Public Health, Medical Decision Making und Health Technology Assessment, UMIT-Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technologie, Hall i. T., Österreich
  • Nikolai Mühlberger - SIMPID & TropNetEurop Koordinierungszentrum, Institut für Tropienmedizin, Berlin, Deutschland
  • Uwe Siebert - Institut für Public Health, Medical Decision Making und Health Technology Assessment, UMIT-Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technologie, Hall i. T., Österreich

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds207

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds136.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Esteban et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Eine persistente Infektion mit Hochrisikotypen des Human Papillomavirus (HPV) ist der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung eines Zervixkarzinom. Aktuell wird deshalb der Einsatz der HPV-DNA-Diagnostik als neues Screeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung in der Literatur diskutiert. Klinisch-diagnostische Studien berichteten eine im Vergleich zur Zytologie verbesserte Sensitivität jedoch relativ niedrigere Spezifität der HPV-DNA-Diagnostik [1], [2], [3]. Eine Bewertung der medizinischen Konsequenzen des Einsatzes der HPV-DNA-Diagnostik als Screeningverfahren in der Zervixkrebsfrüherkennung sollte unter Berücksichtigung der methodischen Studienqualitäten und Studiendesigns erfolgen. Ziel dieses Health Technology Assessments (HTA) war die systematische Evaluation der medizinischen Effektivität der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung.

Methoden

Eine systematische Literaturrecherche zur medizinischen Effektivität der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung wurde in den relevanten Datenbanken MEDLINE, Embase, Biosis, CDR-Databases, Cochrane Library und in Internetdatenbanken von HTA-Institutionen für den Zeitraum Januar 1999 bis Mai 2004 durchgeführt. Ein Literatur-Update ist bis August 2006 geplant. Es wurden systematische Reviews und HTA-Berichte, Metaanalysen und klinische Studien eingeschlossen, die sowohl die HPV-DNA-Diagnostik allein oder im Vergleich zur Zytologie (Pap-Test) als Primärscreeningverfahren in einer Routine-Screening-Population von Frauen untersuchten, einen validen Referenzstandard einsetzten und Maßnahmen gegen einen Verification Bias durchführten. Die Studienqualität wurde mit standardisierten Instrumentarien der German Scientific Working Group Technology Assessment for Health Care systematisch bewertet und die Ergebnisse in Tabellen systematisch dargestellt und kritisch diskutiert.

Ergebnisse

Es wurden sieben diagnostische Studien und fünf HTA-Berichte zur medizinischen Effektivität des HPV-Tests als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung identifiziert. Die diagnostischen Studien wurden in sechs Ländern mit unterschiedlichen HPV- und Zervixkrebs-Prävalenzen durchgeführt. In allen Studien waren die Sensitivität (68,2 - 97,8 % vs. 20,0 - 77,7 %) und der negative prädiktive Wert (NPW: 96,6 - 99,99 % vs. 93,9 - 99,7 %) der HPV-DNA-Diagnostik zur Früherkennung von fortgeschrittenen Zervixzellläsionen und Zervixkrebs denen des Pap-Tests überlegen. Im Vergleich zum Pap-Test waren jedoch die Spezifität (61,1 - 95,3 % vs. 90,6-99,4 %) und der positive prädiktive Wert (PPW: 10,9 - 35,8 % vs. 11,4 - 70,6 %) des HPV-DNA-Tests geringer. Zwei Studien in europäischen Ländern berichteten für die HPV-DNA-Diagnostik in Kombination mit dem Pap-Test als Primärscreeningverfahren eine Sensitivität und NPW von 100 %. Eine Kombination von Kolposkopie und Histologie wurde in allen Studien als Referenzstandard eingesetzt. Angaben zur Performance des Referenzstandards wurden in 4 Studien berichtet. Der Referenzstandard wurde in 3 Studien bei allen im Screening positiv-befundeten Frauen angewandt und bei einem Anteil (2-3,4 %) negativ-befundeter Frauen durchgeführt. Drei weitere Studien führten den Referenzstandard bei allen untersuchten Frauen durch. Die Diagnosestellung war nicht in allen Studien bezüglich klinischer und zytologischer Befunddaten verblindet. Alle eingeschlossenen HTA-Berichte schlussfolgerten, dass die aktuelle wissenschaftliche Evidenz zur medizinischen Effektivität der HPV-DNA-Diagnostik nicht ausreicht, um eine Empfehlung für die Einführung des HPV-Screenings in ein Früherkennungsprogramm auszusprechen. Es konnten keine Studien identifiziert werden, die medizinische Langzeitkonsequenzen (Mortalitätsreduktion, Vermeidung von Krebsfällen etc.) des HPV-DNA-Screenings in der Zervixkarzinomfrüherkennung untersuchten.

Diskussion

Basierend auf internationalen klinischen Studien und HTA-Berichten ist die wissenschaftliche Evidenz zur medizinischen Effektivität der HPV-DNA-Diagnostik nicht ausreichend für eine Empfehlung des Einsatzes des HPV-Primärscreenings in der Zervixkrebsfrüherkennung. Die Ergebnisse der berücksichtigten Studien deuten zwar darauf hin, dass die Einführung des HPV-DNA-Screenings in der Zervixkarzinomfrüherkennung die Entdeckungsrate von fortgeschrittenen Läsionen und Zervixkrebsfällen erhöhen könnte. Jedoch deuten die Ergebnisse auch auf eine Erhöhung der Rate der falsch-positiv befundeten Frauen hin, welches zu einer Überversorgung und unnötigen Ängsten der betroffenen Frauen führen könnte. Die Interpretation der Studienergebnisse war zusätzlich durch methodologische Limitationen eingeschränkt. Zur Vermeidung eines Work-up und Verifciation Bias ist es notwendig, bei einer ausreichenden Anzahl von Frauen mit negativen Testbefunden den Referenzstandard durchzuführen. Ferner ist eine verblindete Auswertung und Diagnosestellung der Screening-Tests und des Referenzstandard notwendig. Randomisierte klinische Studien zum Vergleich der medizinischen Effektivität von HPV-DNA-Diagnostik und Zytologie mit einem langen Studien-Follow-up werden zurzeit durchgeführt. Sie können Angaben zu Langzeitkonsequenzen wie zum Beispiel der Zervixkrebsinzidenz liefern. Der langfristige medizinische Nutzen der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren hängt von vielen Variablen des Früherkennungsprogramms ab. Berücksichtigt werden sollte das optimale Screening-Alter der Frauen, die durchschnittliche alterspezifische Teilnahmerate sowie spezifische Teilnahmemuster (Identifikation von Hochrisikogruppen), das optimale Screeningintervall und das Follow-up von auffälligen Screeningergebnissen. In großen klinischen Studien den Einfluss dieser Variablen zu untersuchen erweist sich als schwierig. Modellierungsstudien bieten für diesen Zweck einen systematischen, expliziten und quantitativen Ansatz, um wissenschaftliche Evidenz zu diagnostischer Testgüte mit den Parametern der Langzeitprognose zu verknüpfen [4], [5].


Literatur

1.
Clavel C, Masure M, Bory JP, Putaud I, Mangeonjean C, Lorenzato M, et al. Human papillomavirus testing in primary screening for the detection of high-grade cervical lesions: a study of 7932 women. Br J Cancer. 2001;84(12):1616-23.
2.
Cuzick J, Beverley E, Ho L, et al. HPV testing in primary screening of older women. Br J Cancer. 1999; 81:554-8
3.
Petry KU, Menton S, Menton M, van Loenen-Frosch F, de Carvalho Gomes H, Holz B, et al. Inclusion of HPV testing in routine cervical cancer screening for women above 29 years in Germany: results for 8466 patients. Br J Cancer. 2003;88(10):1570-7.
4.
Cantor SB, Fahs MC, Mandelblatt JS, Myers ER, Sanders GD. Decision science and cervical cancer. Cancer. 2003;98(9 Suppl):2003-8.
5.
Siebert U, Sroczynski G, Hillemanns P, Engel J, Stabenow R, Stegmaier C, et al. The German Cervical Cancer Screening Model: development and validation of a decision-analytic model for cervical cancer screening in Germany. Eur J Public Health. 2006.