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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Modellbasierte Entwicklung dosisadaptierter Chemotherapieregime unter Berücksichtigung des individuellen Risikos für Leukopenie

Meeting Abstract

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  • Markus Scholz - Universität Leipzig, Leipzig
  • C. Engel - Universität Leipzig, Leipzig
  • M. Löffler - Universität Leipzig, Leipzig

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds139

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds097.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Scholz et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Patienten unter zytotoxischer Chemotherapie zeigen große interindividuelle Unterschiede bezüglich hämatotoxischer Nebenwirkungen trotz vermeintlich normierter Dosierung der chemotherapeutischen Substanzen. Als Folge davon ist die Dosisintensität einer Chemotherapie durch das Patientenkollektiv mit dem höchsten Toxizitätsrisiko limitiert, obwohl ein großer Teil der Patienten keine oder nur geringe Toxizität zeigt und folglich stärker dosiert werden könnte. Da es andererseits Hinweise gibt, daß geringere Hämatotoxizität mit schlechterer Tumorkontrolle assoziiert ist, könnte eine auf das individuelle hämatotoxische Risiko adaptierte Dosierung der Chemotherapie sowohl zu einer besseren Kontrolle der Nebenwirkungen als auch zu besseren Therapieergebnissen führen. Mit Hilfe eines kürzlich etablierten Modells der menschlichen Granulopoese wird eine Abschätzung des Potentials für individualisierte Dosierungen durchgeführt mit dem Ziel, die Therapie für einen Teil der Patienten mit geringem Toxizitätsrisiko zu intensivieren und damit zu einer Angleichung der Leukopeniegrade zu gelangen.

Material und Methoden

Die Berechnungen wurden mit Hilfe eine großen Datensatzes von Patienten unter CHOP-artigen Chemotherapien durchgeführt. Diese Daten wurden in einer randomisierten Studie der Deutschen Studiengruppe für Aggressive Non-Hodgkin-Lymphome gewonnen. Alter, Geschlecht, WHO Performance Status und Lactatdehydrogenasewert vor Therapiebeginn sind bekannte prätherapeutische Risikofaktoren für eine Leukopenie. Des weiteren ist die Toxizität im ersten Zyklus ein Risikofaktor für die Toxizität in Folgezyklen. Anhand dieser Kriterien wurde das Patientenkollektiv in Risikogruppen zusammengefaßt. Mit Hilfe eines biomathematischen Modells der menschlichen Granulopoese können für diese Gruppen dosisabhängige Knochenmarkstoxizitäten aus den medianen Leukozytenverläufen geschätzt werden. Diese Beziehungen zwischen Dosis und Toxizität ermöglichen dann Vorhersagen bezüglich des Leukozytenverlaufes unter Therapien mit adaptierter Dosierung der Zytostatika. Zum Vergleich der Toxizität zwischen den Gruppen dienen leukopenische Kenngrößen wie kleinster Leukozytenwert, Dauer der Leukopenie, Fläche unterhalb von 4000 Leukozyten pro µl und Erholungswert am Ende des Zyklus. Eine Therapie wird als weniger toxisch eingestuft, wenn sie bezüglich aller dieser Faktoren im Median besser oder zumindest nicht schlechter ist als eine Vergleichstherapie.

Ergebnisse

Anhand der prätherapeutischen Risikofaktoren wurde für eine Einteilung der Patienten in 3 Risikogruppen (hohes, mittleres, niedriges Toxizitätsrisiko) vorgenommen und unterschiedliche Dosierungen von Cyclophosphamid in der CHOP-14 Therapie (G-CSF Tag 4-13) berechnet. Es wird eingeschätzt, daß die Gruppe mit niedrigem Risiko zusätzliche 280 mg/m2 und die Gruppe mit mittlerem Risiko zusätzliche 100 mg/m2 pro Zyklus erhalten könnte ohne im Median toxischer zu sein als die Hochrisikogruppe. Alternativ könnten 300 mg/m2 beziehungsweise 150 mg/m2 Etoposid in diesen Gruppen zusätzlich gegeben werden. Des weiteren wird vorhergesagt, daß das CHOP-14 Schema für die Niedrigrisikogruppe auf 11 Tage und für die Gruppe mit mittlerem Risiko auf 12 Tage Zykluslänge zeitlich intensiviert werden kann. Für beide Intensivierungen wurde zusätzlich die optimale supportive G-CSF Therapie bestimmt.

Die Toxizität im ersten Zyklus ist ein starker Prädiktor für die Toxizität in Folgezyklen. Die Einteilung der Patienten in zwei Gruppen mit hohem beziehungsweise niedrigem Toxizitätswert im ersten Zyklus ergab, daß die Niedrigrisikogruppe zusätzlich 360 mg/m2 Cyclophosphamid erhalten könnte ohne im Median toxischer zu sein als die Hochrisikogruppe.

Diskussion

Die vorgestellte Methode stellt eine Möglichkeit dar, zu individuell adaptierten Dosierungen der Chemotherapie auf der Basis bekannter, identifizierter Risikofaktoren zu gelangen. Anstelle einer gleichen Dosierung wurden die Leukozytenverläufe im Nadirbereich zwischen den Risikogruppen angeglichen. Dazu wurden dosisintensivierte Therapievarianten des CHOP-14 Schemas entworfen. Patienten mit erwarteter niedriger Toxizität sollen dabei intensiver therapiert werden. Perspektivisch könnte das Modell aber auch eingesetzt werden, um individuelle Dosisreduktionen für Patienten mit hohem Toxizitätsrisiko zu bestimmen oder den Bedarf an Unterstützungstherapie mittels G-CSF zu individualisieren.