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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Kindliche Leukämien und EMF-Expositionen in der Umgebung hochfrequenter Sendestationen des Rundfunks - Expositionsbestimmung und Validierung

Meeting Abstract

  • Hiltrud Merzenich - Universität Mainz, Mainz
  • Maria Blettner - Universität Mainz, Mainz
  • Hauke Brüggemeyer - Gewerbeaufsichtsamt Hannover, Hannover
  • Sven Schmiedel - Universität Mainz, Mainz
  • Joachim Schüz - Danish Cancer Society, Kopenhagen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds053

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2006/06gmds009.shtml

Veröffentlicht: 1. September 2006

© 2006 Merzenich et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung

Im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie wird der Zusammenhang zwischen dem Leukämierisiko bei Kindern und der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern in der Umgebung leistungsstarker Sendestationen von Rundfunk und Fernsehen untersucht. Bislang wurden fünf ökologische Studien im Umkreis von Rundfunksendeanlagen durchgeführt [1], [2], [3], [4], [5]. Wesentliche Limitierungen dieser Studien sind die grobe Expositionsabschätzung und der ökologische Studienansatz. Vor diesem Hintergrund soll das Leukämierisiko bei Kindern in der Umgebung von Sendestationen erneut überprüft werden. Zentrales Element der vorgestellten Studie ist die individuelle Expositionsabschätzung, die zum einen durch die Geocodierung von Wohnadressen und Expositionspunktquellen und einer darauf beruhenden Abstandsberechnung ermöglicht wird. Weiterhin wird die tatsächlich abgestrahlte Sendeleistung über die Zeit berücksichtigt, wozu die Betriebsdaten der Betreiber herangezogen werden.

Studienbeschreibung

Zum Studiengebiet gehören 16 leistungsstarke Mittelwellensender (AM) und 8 UKW/TV-Sender in Westdeutschland. Zur Definition des Studiengebietes wurde unter Zugrundelegung betriebsspezifischer Expositionsdaten für jeden AM-Sender der 1 V/m (120 dB(mV/m)) - Radius bestimmt bzw. der 90 dB(µV/m)-Radius für UKW/TV-Sender. Für die Senderregionen wurden die zugehörigen Gemeinden ermittelt. Zur Studienpopulation gehören alle im Diagnosezeitraum aufgetretenen Fälle, die im Umkreis der Sender leben bzw. gelebt haben. Als „Fälle“ werden alle Kinder zwischen 0-14 Jahren definiert, die im Diagnosezeitraum von 1984 bis 2003 an einer primären Leukämie erkrankt und dem Deutschen Kinderkrebsregister bekannt sind. Matchkriterien sind Alter, Geschlecht und Wohnort. Kontrollkinder müssen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung des Fallkindes im analogen Lebensalter gewesen sein. Der Wohnort des Kontrollkindes muss in einer Gemeinde liegen, die zur Senderregion des Fallkindes gehört. Der Auswertung wird ein 1:3 Matching zugrundegelegt.

Expositionsbestimmung

Als Approximation für die EMF-Exposition wird über Geokoordinaten der Abstand von der Funksendeanlage zur Wohnadresse zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ermittelt. Zusätzlich wird über die Einwohnermeldeämter für Fälle und Kontrollen ermittelt, seit wann sie in der Umgebung der Sendeeinrichtung wohnen. Insbesondere bei Rundfunksendeanlagen trifft die Annahme einer mit wachsender Entfernung monoton abnehmenden Exposition häufig nicht zu. Daher wird mit Hilfe von aktuellen und historischen Betreiberdaten zu den ausgewählten Sendeanlagen die mittlere Exposition im Jahr vor dem Diagnosezeitpunkt geschätzt. Relevante Betriebsdaten sind die tatsächlich abgestrahlte Senderleistung über die Zeit, Tag- und Nacht-Unterschiede und die räumliche Antennenausrichtung. Mithilfe von Wellenausbreitungsmodellen, die für die Berechnung der Rundfunkversorgung entwickelt wurden, sollen die Immissionen in der gesamten Studienregion berechnet werden. Schließlich werden Messreihen in ausgewählten Studienregionen zur Validierung der berechneten Exposition durchgeführt.

Ergebnisse und Ausblick

Nach erfolgreicher Durchführung einer Machbarkeitsstudie von März bis November 2005 soll die Studie im August 2007 abgeschlossen werden. Über das Deutsche Kinderkrebsregister wurden für das Studiengebiet insgesamt 2230 Kinder ermittelt, die an einer primären Leukämie in den Diagnosejahren 1984-2003 erkrankten. Erste Ergebnisse zu Expositionsschätzungen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg werden im September 2006 vorliegen.


Literatur

1.
Dolk H, Elliott P , Shaddick G, Walls P, Thakrar B. Cancer incidence near radio and television transmitters in Great Britain. II. All high power transmitters. Am J Epi. 1997; 145: 10-17.
2.
Hocking B, Gordon JR, Grain HL, Hatfield GE. Cancer incidence and mortality and proximity to TV towers. Med J Aust. 1996; 165: 601-5.
3.
Maskarinec G, Cooper J, Swygert L. Investigation of increased incidence in childhood leukemia near radio towers in Hawaii. J Environ Pathol Toxicol Oncol. 1994; 13: 33-7.
4.
Michelozzi P, Capon A, Kirchmayer U. Forastiere F, Biggeri A, Barca A, Perucci CA. Adult and childhood leukemia near a high-power radio station in Rome. Am J Epi. 2002; 155:1096-103.
5.
Park SK, Ha M, Im HJ. Ecological study on residences in the vicinity of AM radio broadcasting towers and cancer death: preliminary observation in Korea. Int Arch Occup Environ Health. 2004; 77:387-394.