gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Einsatz eines web-basierten Farbsehtest für Screeninguntersuchungen des Farbensehens

Meeting Abstract

  • Friedrich-Wilhelm Röhl - Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Medizinische Fakultät, Magdeburg
  • Jörn Kuchenbecker - Augenklinik des HELIOS Klinikums Berlin Buch
  • Alexander Weßelburg - Fa. Centum Aqua Marketing GmbH Magdeburg
  • Wolfgang Behrens-Baumann - Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds161

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds482.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Röhl et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Das Internet ist für viele Patienten zu einer wichtigen Informationsquelle geworden. Sie informieren sich über die bei ihnen diagnostizierten Krankheiten, deren Ursachen und Perspektiven, verfügbare Medikamente sowie aktuelle Behandlungsstrategien. Darauf aufbauend wurde eine Studie initiiert, um die Frage zu untersuchen, inwieweit ein web-basierter Farbsehtest im Internet als Screeningtest einsetzbar ist.

Mit einem PC und mit Bildschirmröhren können nahezu alle üblichen Sehtests erzeugt oder zumindest nachgeahmt werden [1]. Ein besonderer Vorteil der Bildschirme für die Farbsinnprüfung gegenüber Farbtafeln liegt in den vielfältigen Darbietungsmodalitäten. Allerdings sind bei den Farbdarstellungen auf Bildschirmen auch Besonderheiten zu beachten. Da die bisherigen Internettests in der Regel unzureichend erscheinen, wurde in Magdeburg ein web-basierter Farbsehtest entwickelt [2], für den nun geklärt werden soll, ob ähnliche Ergebnisse erzielt werden wie mit herkömmlichen Farbsinntests mittels Pigmentfarbtafeln.

Material und Methode

Es wurde ein web-basierter Farbsehtest mit 25 Farbtafeln in Anlehnung an die pseudoisochromatischen Farbtafeln nach Velhagen und Broschmann bzw. Ishihara [3] entwickelt, der unter der Internetadresse „www.farbsehtest.de“ abrufbar ist. Die Rekrutierung von Testpersonen erfolgte durch gezielte Informationen im Internet, in verschiedenen Printmedien und im Radio.

Patienten, die die Internetseite aufsuchen, werden über die Zielstellung, ihre Rechte und die Auswertung der Daten aufgeklärt. Mit der Teilnahme geben die Patienten ihre Einverständniserklärung zur Speicherung und wissenschaftlichen Auswertung ihrer Daten. Die Patienten können den Test jederzeit abbrechen und erhalten zum Ende des vollständig absolvierten Tests eine Mitteilung über das erreichte Testergebnis.

Zu Beginn des Tests werden die Teilnehmer aufgefordert, den Monitor so zu adjustieren, dass eine annähernd exakte Farbwiedergabe erreicht wird. Das Ergebnis kann an einer Kontrollgrafik überprüft werden. Die Testergebnisse werden in einem passwortgeschützten Verzeichnis abgelegt. Basis ist eine MySQL-Datenbank. Die einzelnen Farbtafeln werden den Nutzern ohne Zeitlimit präsentiert. Als bestanden gilt der Test, wenn nicht mehr als 3 Fehler gemacht werden. Den Probanden wird nur das Gesamtergebnis mitgeteilt. Sie erfahren aber nicht, wie viel Fehler sie gemacht haben.

Nach absolviertem Web-Test wurden freiwillige Probanden aus der näheren Umgebung einer Gegentestung in der Universitätsaugenklinik unterzogen. Dabei wurden die web-Ergebnisse den Untersuchungen mittels gleicher Pigmentfarbtafeln und Anomaloskop gegenübergestellt. Aus Kostengründen konnte keine repräsentative Zufallsauswahl getroffen werden.

Ergebnisse:

In einem Zeitraum von etwa 12 Monaten haben mehr als 2000 Internetnutzer den Farbsehtest aufgerufen. Bis zum März 2005 lagen 1817 vollständige Datensätze vor. Bei den übrigen Nutzern kam es während des Tests offensichtlich zu technischen Problemen oder sie haben den Test abgebrochen.

Die Teilnehmer hatten ein Durchschnittsalter von 34,9 Jahren (Minimum=7, Maximun=88) und es waren mit 1355 mehr Männer als Frauen (452), die den web-basierten Farbsehtest durchgeführt haben. Den Test bestanden haben 1489 Probanden, davon 440 Frauen und 1049 Männer. Nicht bestanden haben den Test 328 Probanden, davon 22 Frauen und 306 Männer.

Die Alters- und Geschlechtsverteilung spiegeln damit tendenziell das Nutzerprofil im Internet wieder. Die meisten Teilnehmer kommen aus dem Postleitzahlbereich 39 mit dem Schwerpunkt bei der Stadt Magdeburg. Bei den entfernteren Kreisen tritt der Postleitzahlbereich 79 hervor. In der territorialen Verteilung spiegelt sich die Informationspolitik ganz deutlich wieder. Nach Veröffentlichungen wie im Postleitzahlbereich 79 steigt auch der Anteil an Probanden mit Farbsehstörungen.

Erwartungsgemäß ist der Anteil der Probanden, die den Test nicht bestanden haben bei den Männern höher als bei Frauen. Ursachen sind u.a. die bei Männern häufiger auftretende Rot-Grün-Schwäche.

Die Gegentestung wurde bei 101 Probanden, davon 34 Frauen und 67 Männer, mit einem mittleren Alter von 36,7 Jahren (Minimum = 9 , Maximum = 71 ) durchgeführt. Dabei wurde mit einer Korrelation von r = 0.84 eine gute Übereinstimmung zwischen der Fehlerrate im Internet und der bei Benutzung von Pigmenttafeln ermittelt. Bei wenigen Fehlern ist aber ein Trend erkennbar, im Internet mehr Fehler zu machen. Das stellt für einen Screeningtest aber kein Problem dar, da mehr falsch positive Ergebnisse ermittelt werden. Im Anomaloskop wiesen 61 Probanden ( 30 Männer und 31 Frauen) keine und 40 Probanden (37 Männer und 3 Frauen) eine Farbsehstörung auf.

Die Sensitivität des web-basierten Farbsehtests lag in der Gruppe der Probanden, die einer Gegentestung unterzogen wurden, bei 97,5 % und die Spezifität bei 96,7 %.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der Stichprobe, die einer Gegentestung unterzogen wurde, lassen erwarten, dass der web-basierte Farbsehtest bei richtiger Handhabung als Screeningtest des Farbensehens im Internet einsetzbar ist. Hier bieten sich Einsatzmöglichkeiten für niedergelassene Augenärzte bzw. Arbeitsmediziner. Über die Prävalenz von Farbsehstörungen in der Bevölkerung lassen sich über diesen Weg nur bedingt Schlussfolgerungen ableiten, da sich insbesondere bei Medieninformationen tendenziell mehr Probanden mit Sehproblemen angesprochen fühlen. Durch die anonyme Datenhaltung kann auch nicht überprüft werden, ob Probanden den Test mehrfach durchgeführt haben. Wenn das Angebot aber dazu führt, dass Probanden sich ihrer Farbsehstörungen stärker bewusst werden und einen Augenarzt aufsuchen, ist ein wichtiges Ziel erreicht.


Literatur

1.
Huber C. Computergrafik für den Augenarzt. Klein. Monatsbl Augenheilkd, 1984, 184:439-441
2.
Kuchenbecker J, Wecke T, Wiermer R, Röhl FW, Lindner H, Behrens-Baumann W. Untersuchungen des Farbsinns mittels eines web-basierten Farbsehtestes. Ophthalmologe, 2004, 101: 278-284
3.
Velhagen K, Broschmann D. Tafeln zur Prüfung des Farbsinns. Thieme Stuttgart New York, 1995
4.
Wong D, Plumb A. Computer automated visual acuity testing for visualscreening. Trans Ophthalmol Soc UK, 1986, 105:498-503
5.
Arden G, Gunduz K, Perry S. Color vision testing with a computer graphics system: preliminary results. Doc Ophthalmol, 1988, 69: 167-174
6.
Mittelviefhaus K, Bach M, Jedynak A, Kommerell G. Der Freiburger Visustest. Ein computergesteuertes Verfahren mit Eingabelungsstrategie. Ophthalmologe 1993, 90:132-135
7.
Kasten E, Gothe J, Bunzenthal U, Sabel BA. Kampimetrische Untersuchung visueller Funktionen am Computermonitor. Z Exp Psychol,1999, 207:97-118