gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Hohe Prävalenz von Kopfschmerzen bei Jugendlichen – Ergebnisse einer epidemiologischen Studie in Vorpommern

Meeting Abstract

  • Konstanze Fendrich - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Greifswald
  • Mechtild Vennemann - Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universität Münster, Münster
  • Volker Pfaffenrath - Deutsche Migräne und Kopfschmerzgesellschaft
  • Klaus Berger - Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universität Münster, Münster
  • Wolfgang Hoffmann - Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Greifswald

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds121

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds240.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Fendrich et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Kopfschmerzen sind bei Kindern und Jugendlichen eine häufige Erkrankung, bisher gibt es jedoch für Deutschland nur wenige epidemiologische Studien, die die Prävalenz von Kopfschmerzen und verschiedenen Kopfschmerzformen sowie Risikofaktoren und Behandlung der Kopfschmerzen bevölkerungsbezogen erfasst haben. In einer Studie in Wuppertal und Umgebung fanden Frankenberg & Pothmann (1995) bei 15- bis 16-Jährigen eine Lebenszeitprävalenz von 93% für Kopfschmerzen [1]. In einer neueren Studie von Roth-Isigkeit et al. (2004) wurde bei 10- bis 18-Jährigen eine 3-Monatsprävalenz für Kopfschmerzen von 75,4% angegeben [2]. Speziell für den ostdeutschen Raum existieren jedoch bisher keine bevölkerungsbezogenen neueren Prävalenzdaten zu verschiedenen Kopfschmerzformen bei Jugendlichen.

Ziel dieser epidemiologischen Studie bei Schülern im Alter von 12 bis 15 Jahren ist daher die Erhebung bevölkerungsbezogener Daten über die Prävalenz von Kopfschmerzen insgesamt sowie von Migräne und Spannungskopfschmerzen. Weiterhin sollten Daten über Risikofaktoren für das Auftreten von Kopfschmerzen und Informationen über die durch Kopfschmerzen verursachten Beeinträchtigungen im Alltag Betroffener sowie über die Behandlung der Kopfschmerzen und die Inanspruchnahme von Ärzten erhoben werden.

Material und Methoden

Der Fragebogen, den die Schüler selbstständig während einer regulären Unterrichtsstunde ausfüllten, wurde speziell für diese Studie zusammengestellt und enthielt Fragen zu den Themenbereichen Schmerzen und Kopfschmerzen sowie zu Lebensverhältnissen der Kinder und soziodemografischen Aspekten. Mehrere standardisierte Module des Fragebogens sind kompatibel zum Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des RKI (Fragen zur Soziodemographie, zur Erfassung von chronischen Schmerzen und zum Suchtverhalten [3]) und zu den neuen IHS-Kriterien zur Klassifikation von Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp [4]. Weiterhin wird der PedMIDAS in der deutschen Übersetzung verwendet.

Für die Befragung wurden 20 Schulen der Region Vorpommern geschichtet nach Schulform gezogen (knapp 50% der Schulen der Region). Alle der zufällig ausgewählten Schulen stimmten der Befragung zu. Von den insgesamt 3699 Schülern der 7. bis 9. Klassen an diesen Schulen, nahmen 3324 Schüler an der Befragung teil (89,9%). Nach Ausschluss aller Schüler, die älter als 15 Jahre waren und aller Fragebögen, in denen weniger als 50% der Fragen bzw. die erkennbar nicht ernsthaft ausgefüllt waren, verblieben für die statistischen Analysen 3072 Datensätze.

Ergebnisse

Die 3-Monatsprävalenz für Kopfschmerzen betrug 69,4% (78,9 % für Mädchen, 59,5% für Jungen, p<0.001), wobei 37,6% der Jugendlichen angaben, wiederholt Kopfschmerzen gehabt zu haben. Mädchen berichteten eine signifikant höhere Anzahl von Tagen mit Kopfschmerzen in den letzten 3 Monaten als Jungen (Mädchen: 9,4 Tage, SD = 11,4; Jungen: 6,1 Tage, SD = 9,0; p<0.001). Starke und häufig wiederkehrende Kopfschmerzen (≥14 Tage Kopfschmerzen / letzte 3 Monate bei durchschnittlicher Stärke ≥8 auf 10-stufiger Skala oder ≥28 Tage Kopfschmerzen / letzte 3 Monate und Stärke ≥4 auf 10-stufiger Skala) wurden von 6,2% der Jugendlichen berichtet. Entsprechend den Klassifikationskriterien der International Headache Society (IHS) [4] hatten 2,6% der Schüler Migräne und 4,5% Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Bei Anwendung der modifizierten IHS-Kriterien für Kinder (Dauer der Kopfschmerzen < 4 Stunden bei Migräne) stieg die Migräneprävalenz auf 6,9%. Für Spannungskopfschmerzen erfüllten 34,8% der Jugendlichen alle Klassifikationskriterien mit Ausnahme der IHS-Kriterien A (Kopfschmerzhäufigkeit) und B (Kopfschmerzdauer).

Diskussion

Wiederholte Kopfschmerzen sind bei Schülern der 7. bis 9. Klassen eine häufige Schmerzform, wobei Mädchen deutlich häufiger als Jungen betroffen sind. Für Migräne und Spannungskopfschmerz wurden bei Anwendung der strikten IHS-Kriterien gegenüber der Studie von Frankenberg & Pothmann (1995) (Migräne: 11%, Spannungskopfschmerz: 48,7%), jedoch deutlich niedrigere Prävalenzen gefunden [1]. Im Gegensatz zur hier vorgestellten Studie, klassifizierten Frankenberg & Pothmann (1995) die Kopfschmerzen nur in Anlehnung an die IHS-Kriterien [1]. Bei Nutzung modifizierter Kriterien steigen sowohl für Migräne als auch für Spannungskopfschmerzen die Prävalenzen in der hier beschriebenen Studie deutlich an. Angesichts der hohen Prävalenz von Kopfschmerzen insgesamt und der 6% stark betroffener Jugendlicher ist es notwendig, effektive Therapien zur Behandlung von Kopfschmerzen zu entwickeln und die Kinder und Jugendlichen frühzeitig zu behandeln, um einer möglichen Chronifizierung der Schmerzen vorzubeugen. Ergebnisse der bevölkerungsbasierten Studie zu durch Kopfschmerzen verursachten Beeinträchtigungen im Alltag der betroffenen Jugendlichen werden in einem weiteren Beitrag präsentiert.

Danksagung

Diese Studie wird von einem Konsortium der pharmazeutischen Industrie unter Leitung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) gefördert. Weiterhin bestand eine finanzielle Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (NBL-3 Programm, Nummer 01ZZ0403).


Literatur

1.
Frankenberg S, Pothmann R. Epidemiologie von Kopfschmerzen bei Schulkindern [Epidemiology of headache in schoolchildren]. Psychomed 1995; 7:157-163.
2.
Roth-Isigkeit A, Thyen U, Raspe HH, Stoven H, Schmucker P. Reports of pain among German children and adolescents: an epidemiological study. Acta Paediatr 2004; 93(2):258-263.
3.
Roth-Isigkeit A, Ellert U, Kurth BM. Die Erfassung von Schmerz in einem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey. Das Gesundheitswesen 2002; S1: S125-S129.
4.
Headache Classification Committee of the International Headache Society. Die Internationale Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen [International Classification of headache disorders]. Nervenheilkunde 2003; 22:531-670.