gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Diagnostische Übereinstimmung der histopathologischen Befundung von Lungenkrebsgewebe

Meeting Abstract

  • A. Stang - Universität Halle, Halle
  • H. Pohlabeln - Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen
  • K.M. Müller - Institut für Pathologie. Berufsgenossenschaftliche Kliniken Bergmannsheil, Universität Bochum, Bochum
  • I. Jahn - Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen
  • K. Giersiepen - Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Bremen
  • K.H. Jöckel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds178

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds199.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Stang et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung

Die Reproduzierbarkeit der histopathologischen Befundung von Lungenkrebsgewebe ist aufgrund der Heterogenität des Krebsgewebes, wie sie insbesondere durch elektronenmikroskopische und immunhistochemische Untersuchungen deutlich wird, limitiert. Dennoch ist die Lichtmikroskopie weiterhin die Standarduntersuchungstechnik von Lungenkrebsgewebe [1]. Field et al. berichteten kürzlich, dass überraschend wenige Studien durchgeführt wurden, die die Reliabilität histopathologischer Diagnosen von Lungenkrebsgewebe in bevölkerungsbasierenden Serien untersuchten [2]. Eine bevölkerungsbasierende Bremer Fall-Kontroll-Studie zur Ätiologie des Lungenkrebses ermöglichte es uns, die Übereinstimmung auf Bevölkerungsbasis zu untersuchen. Das histologische (Blöcke/Schnitte) und/oder zytologische Material der neu erkrankten Lungenkrebsfälle der Fall-Kontroll-Studie wurde zunächst von regionalen Pathologen befundet. Anschließend wurde Gewebematerial an einen Zentralpathologen (K.M. Müller) gesendet, der dann verblindet gegenüber der Diagnose des Regionalpathologen das Material befundete. Der jetzige Bericht umfasst das komplette Fallkollektiv von 724 Fällen, für das eine unabhängige Befundung durchgeführt wurde. Auf Basis dieser Daten berichten wir die Übereinstimmung zwischen den Pathologen und möglichen Determinanten der Übereinstimmung.

Material und Methoden

Neu diagnostizierte Fälle mit Lungenkrebs, geboren 1913 oder später, die in einem der Krankenhäuser von Bremen, Frankfurt und Umgebung zwischen 1988 und 1993 behandelt wurden, waren nach Studienprotokoll geeignet. Die Fallrekrutierung in Bremen kann als bevölkerungsrepräsentative Rekrutierung betrachtet werden. Methodische Details der Studie wurden bereits publiziert [3]. Von den 1503 geeigneten Fällen wurden 1035 (69%) interviewt. Aufgrund der Matchingkriterien wurden 1004 interviewte Fälle mit passenden interviewten Kontrollen im Alter von 33-80 Jahren (839 Männer & 165 Frauen) in die Studie eingeschlossen. Von den 724 Fällen, die vom Zentralpathologen begutachtet wurden, wurden 56 Fälle, deren morphologische Diagnose ausschließlich zytologisch gesichert wurde, ausgeschlossen. Die Regionalpathologen befundeten die Lungenkrebsfälle gemäß der WHO 1981 Klassifikation für Lungentumoren: Kleinzellige Bronchialkarzinome (SCLC), Plattenepithelkarzinome (SqCC), Adenokarzinome (AC), Grosszellige Karzinome (LCC), andere Tumortypen (OT) und Kombinationstypen (MT). Gewebe, welches kein erkennbares Tumorgewebe enthielt, wurde als „kein Tumor vorhanden“ (NT) gruppiert. Wir unterschieden zwischen Gesamt- und Histologiegruppen-spezifischer Übereinstimmung und berechneten beobachtete Übereinstimmung und ungewichtete kappa-Werte mit 95% Konfidenzintervallen. Bei Kombinationstypen kann es zu fehlender Übereinstimmung kommen, wenn der dominierende histologische Typ unterschiedlich bewertet wird, obwohl sich die Pathologen wenigstens hinsichtlich der Gewebstypen einig waren. Wir berechneten daher eine Komponenten-Übereinstimmung, die fehlende Übereinstimmungen bei mindestens einer gleichen Gewebekomponente als Übereinstimmung zählt. Für die histologischen Typen LCC, OT, NT und MT, die mit nur geringer Fallzahl vorkamen, werden keine Übereinstimmungsmasse präsentiert.

Ergebnisse

Die beobachtete Übereinstimmung zwischen den Regional- und Zentralpathologen betrug insgesamt 0,65 (95%CI 0,62-0,69), kappa betrug 0,54 (95%CI 0,49-0,58). Die histologiegruppen-spezifische zufallskorrigierte Übereinstimmung war am höchsten für SCLC, gefolgt von SqCC und AC (s. Tabelle 1 [Tab. 1]). Etwa 40% (102 von 257) der Plattenepithelkarzinome gemäß Regionalpathologe wurden vom Zentralpathologen anders klassifiziert: AC (n=49), MT (n=30) und andere. Umgekehrt wurden 40% der vom Zentralpathologen als AC klassifizierten Tumoren vom Regionalpathologen als andere Tumoren klassifiziert: SqCC (n=49), LCC (n=18) und andere. Von den 39 Lungenkrebsfällen, die vom Regionalpathologen als OT klassifiziert wurden, wurden vom Zentralpathologen n=16 Fälle als AC und 7 Fälle als SCLC klassifiziert. Von den 233 Lungenkrebsfällen mit divergierenden Diagnosen wurden bei n=166 (71%) von den Pathologen unterschiedliche singuläre Histologien diagnostiziert. Bei n=51 (22%) diagnostizierte der Zentralpathologe einen Kombinationstumor, während der Regionalpathologe einen einzelnen histologischen Typ diagnostizierte. Bei n=16 (7%) diagnostizierte der Regionalpathologe einen Kombinationstumor, während der Zentralpathologe einen singulären histologischen Typ diagnostizierte.

Diskussion

Die Ergebnisse unserer Studie vergleichen sich sehr gut mit den kürzlich publizierten US-amerikanischen Ergebnissen von Field et al. [2], obwohl sie ausschließlich Frauen in die Studie einschlossen, bei denen der Anteil von Adenokarzinomen naturgemäß deutlich höher war als in unserer Studie. Die beobachteten Übereinstimmungen in unserer Studie sind etwas höher als in der deutschen Fall-Kontroll-Studie von Uranbergbauarbeitern, bei der die beobachtete Übereinstimmung für das SCLL 82%, für das SqCC 72% und für das AC 81% betrug [4]. Der Vergleich der Übereinstimmung zwischen Studien ist durch verschiedene Faktoren erschwert: a) bekanntermaßen ist die Übereinstimmung beim SCLL und SqCC generell höher als beim AC und LCC, so dass die „wahre“ Verteilung der histologischen Typen einen Einfluss auf die beobachtete Übereinstimmung hat; b) das zur Verfügung gestellte Material (Menge, Qualität, Resektat versus Biopsat) hat einen Einfluss auf die Übereinstimmung; c) der Einsatz zusätzlicher Techniken neben der Lichtmikroskopie hat einen Einfluss (z.B. Elektronenmikroskopie, Immunhistochemie, Molekularbiologische Verfahren) [1], d) die Methodik der unabhängigen Zweitbefundung (Konsensus ziwschen mehreren Zweitbefundern versus alleiniger Zweitbefunder, Expertise der Zweitbefunder) spielt eine Rolle. Für klinische Belange ist insbesondere die Unterscheidung zwischen Kleinzelligen und Nichtkleinzelligen Bronchialkarzinomen von Bedeutung. Diese Unterscheidung ist gemäß unserer Daten mit einer hervorragenden Reliabilität verbunden.


Literatur

1.
Travis WD, Colby TV, Corrin B et al. Histological typing of lung and pleural tumours. Berlin: Springer. 1999
2.
Field RW, Smith BJ, Platz CE et al. Lung cancer histologic type in the Surveillance, Epidemiology, and End Results Registry versus independent review. J Natl Cancer Inst 2004;96:1105-07
3.
Jöckel KH, Ahrens W, Jahn I et al. Occupational risk factors for lung cancer: a case-control study in West Germany. Int J Epidemiol 1998;27:549-560
4.
Kreuzer M, Müller KM, Brachner A et al. Histopathologic findings of lung carcinoma in German uranium miners. Cancer 2000;89:2613-21.