gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Gesundheitszustand und sozioökonomischer Status alternder Migranten in Deutschland – eine Auswertung mit Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP)

Meeting Abstract

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  • Hajo Zeeb - Universität Bielefeld, Bielefeld
  • Marcus Kutschmann - Universität Bielefeld, Bielefeld
  • Oliver Razum - Universität Bielefeld, Bielefeld

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds309

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds136.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Zeeb et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Viele frühere Arbeitsmigranten aus den Anwerbeländern des Mittelmeerraumes entscheiden sich heute gegen eine Rückkehr ins Herkunftsland im Alter, da oft starke familiäre Bindungen in Deutschland bestehen. Zudem drohen Probleme bei der Reintegration. Vierzig Jahre nach dem zahlenmäßigen Höhepunkt der Anwerbung hat dies zusammen mit der natürlichen Alterung der Migrantenbevölkerung dazu geführt, dass eine zunehmend größere Zahl von Menschen aus dem Mittelmeerraum, vor allem aus der Türkei, ihren Lebensabend in Deutschland verbringt.

Migranten sind gegenüber der deutschen Mehrheitsbevölkerung sozioökonomisch benachteiligt und im Arbeitsleben häufiger schweren körperlichen Belastungen ausgesetzt, was vermutlich mit einem schlechteren Gesundheitszustand (gemessen als Gesundheitszufriedenheit) schon in mittlerem Alter einhergeht (Hypothese H1). Ein – oft nicht vorausgeplanter – Lebensabend außerhalb des Herkunftslandes könnte zu einer überdurchschnittlich starken Verschlechterung des Sozialstatus im Alter führen (Hypothese H2). Gleichzeitig könnte mit zunehmendem Alter auch die Gesundheitszufriedenheit überdurchschnittlich stark abnehmen (Hypothese H3). Eine entsprechende Untersuchung bei Aussiedlern hatte ein stark sinkende Gesundheitszufriedenheit bei jedoch leicht verbessertem sozioökonomischem Status ergeben [1].

Material und Methoden

Wir überprüfen die Hypothesen mit Daten des deutschen Sozioökonomischen Panels (SOEP). Diese repräsentative Haushaltsbefragung mit Längsschnitt-Design wird seit 1984 in jährlichem Rhythmus durchgeführt. Zu Beginn beteiligten sich 5921 Haushalte mit 12290 Personen an der Befragung; nach 15 Wellen im Jahre 1998 sind es noch 4285 Haushalte mit 8145 Personen. Migranten wurden bei der Stichprobenziehung mit einem Anteil von 25% überproportional stark berücksichtigt. Das SOEP ist damit gegenwärtig die größte Wiederholungsbefragung bei Ausländern in Deutschland. Für Haushaltsmitglieder im Alter ab 16 Jahren sind Informationen zu sozioökonomischen (SES) Variablen und zur Gesundheitszufriedenheit (Skala 0-10) sowie zu ihrer Veränderung über die Zeit erhältlich. Wir untersuchen Veränderungen über die Zeit (1984/5, 1992/3, 2002/3) jeweils innerhalb der Gruppen der älteren (Alter 46-54, bzw. 55+) Migranten aus Südeuropa („Arbeitsmigranten“) bzw. Deutschen und zwischen älteren Migranten und Deutschen im Längsschnitt. Verglichen wird hier die mittlere Differenz der Werte für Gesundheitszufriedenheit. Für den Vergleich der SES-Variablen wurde das untere Quartil der Variablen pro Kopf Haushalteinkommen und pro Kopf Wohnfläche bestimmt und Prävalenz Odds Ratios berechnet. Ein Querschnittsvergleich der Gesundheitszufriedenheit zwischen Migranten und Deutschen zu verschiedenen Zeitpunkten wird über t-tests durchgeführt. Den Einfluss von SES-Variablen und Migrationsstatus auf die Veränderung der Gesundheitszufriedenheit untersuchen wir derzeit noch in einem multivariaten logistischen Modell.

Ergebnisse

Im Jahr 1984 war die Gesundheitszufriedenheit der älteren männlichen Migranten im Vergleich zu deutschen Männern etwas höher, bei weiblichen Migranten war sie signifikant niedriger als bei Frauen deutscher Herkunft (p=0,04). In den Jahren 1992 und 2003 lagen die Werte der Migranten jeweils unter denen der Deutschen, der Unterschied ist jedoch nur bei den Frauen signifikant (H1).

Im Längsschnitt waren die Prävalenz-Odds Ratios (OR) für alle Indikatoren eines niedrigen sozioökonomischen Status bei Migranten erhöht, eine Zunahme des OR mit dem Alter fand sich insbesondere hinsichtlich der Häufigkeit eines niedrigen Einkommens (weibliche Migranten 1985 OR = 4,4 (95% Konfidenzintervall 2,8-6,9); 2003 OR = 7,6 (95%KI 4,8-12,1)) (H2). Bezüglich der zur Verfügung stehenden pro Kopf - Wohnfläche fanden wir erhebliche Unterschiede zwischen Migranten und Deutschen sowohl 1985 als auch 2003 (z.B. OR für geringe Wohnfläche männliche Migranten vs. deutsche Männer 2003 = 12,5; 95%KI 8-20). Entsprechend war auch der Verlauf der Gesundheitszufriedenheit bei den im Längsschnitt betrachten Personen: insbesondere Migrantinnen gaben eine deutlich verminderte Gesundheitszufriedenheit im Vergleich 1984 vs. 2002 an (Differenz des Mittelwertes 1,6; 95%KI 1,2-2,1). Die Ergebnisse der multivariaten Auswertung liegen derzeit noch nicht vor.

Diskussion

Unsere Ausgangshypothesen konnten wir insgesamt bestätigen. Auffällig ist die benachteiligte Situation älterer weiblicher Migranten: sowohl ihr Gesundheitsstatus (gemessen als Gesundheitszufriedenheit) als auch ihr sozioökonomischer Status ist niedriger als der altersgleicher deutscher Frauen im Panel. Die Ergebnisse sind vergleichbar mit einer Analyse zur Gesundheitszufriedenheit von Aussiedlern in Deutschland, für die eine erhebliche Abnahme der Zufriedenheit trotz eines steigenden sozioökonomischen Status feststellbar war. Einschränkungen der vorliegenden Analyse liegen in der kleinen Fallzahl der eingeschlossenen Migranten sowie in möglichen Auswahlverzerrungen und einer noch zu verbessernden Confounderkontrolle. Wenn sich die Charakterisierung der älteren weiblichen Migranten als Risikogruppe bestätigt, sollten im Dialog mit Migrantengruppen weitere Erkenntnisse und mögliche Ressourcen zur Förderung der Gesundheit besonders dieser Gruppe ermittelt werden.


Literatur

1.
Ronellenfitsch U, Razum O. Deteriorating health satisfaction among immigrants from Eastern Europe to Germany. Int J Equity Health. 2004, 13;3 (1):4.