gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Aufbau einer Activity-Exposure Matrix für berufliche Expositionen gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern im Rahmen der INTERPHONE-Studie

Meeting Abstract

  • Jacob Spallek - Universität Bielefeld, Bielefeld
  • Gabriele Berg - Universität Bielefeld, Bielefeld
  • E. Böhler - Mainz
  • K. Schlaefer - Heidelberg
  • J. Schüz - Mainz
  • B. Schlehofer - Heidelberg
  • I. Hettinger - Heidelberg
  • K. Kunna-Grass - Bielefeld
  • J. Wahrendorf - Heidelberg
  • M. Blettner - Mainz

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds393

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds132.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Spallek et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

In dieser Arbeit wird eine Activity-Exposure-Matrix (AEM) vorgestellt, bei dem die einzelnen ausgeübten Aktivitäten in Beruf und Freizeit in die Expositionsabschätzung gegenüber hochfrequenenten elektromagnetischen Feldern einbezogen werden. Dadurch soll eine umfassende Schätzung der beruflichen hochfrequenten Exposition ermöglicht werden, die neben den üblichen Berufsbezeichnungen [1] auch die einzelnen Tätigkeiten berücksichtigt.

Zur Anwendung kommt dieser Ansatz während der INTERPHONE-Studie, die neben dem Einfluss von hochfrequenter Exposition durch Handys auf die Entstehung von Gehirntumoren auch den Einfluss beruflicher hochfrequenter (HF)-Exposition untersucht. Die AEM wurde mit Hilfe eines umfangreichen computergestützten Interviews aufgebaut, in dem die Studienteilnehmer konkret zu verschiedenen Tätigkeiten, Prozessen und Materialen während ihres Berufs befragt und verschiedene Tätigkeiten innerhalb eines Berufs unterschieden wurden.

Material und Methoden

Die hier vorliegende Auswertung basiert auf der Studienpopulation der INTERPHONE-Studie. Insgesamt wurden 860 Patienten mit der Diagnose Gliom (ICD) und Meningiom (ICD) und 1720 individuell nach Alter und Geschlecht gematchte, bevölkerungsbezogene Kontrollen durch ein computerunterstütztes Interview (CAPI) befragt.

Anhand von Screeningfragen wurden während des Interviews Berufstätigkeiten identifiziert, bei denen eine HF-Exposition möglich ist. Bei diesen Tätigkeiten wurde dann genauer weitergefragt, z.B. nach den benutzten Materialien und Prozessen, dem Abstand zur Energiequelle und den exponierten Zeiträumen.

Um die Exposition der einzelnen Tätigkeiten abschätzen zu können, wurde die wissenschaftliche Literatur aber auch Berichte aus Behörden und Institutionen nach Studien und Messergebnissen über berufliche HF-Exposition durchsucht. Ziel war es, möglichst Messergebnisse aus deutschen Berufsfeldern heranzuziehen. Auf dieser Grundlage wurden die einzelnen ausgeübten Tätigkeiten in 275 Gruppen zusammengefasst, welche die verschiedenen exponierten Prozesse und Energiequellen abbilden.

Diesen 275 Tätigkeitsgruppen wurden dann in Form einer Matrix die Expositionsmerkmale zu geordnet. Dazu gehörte eine generelle Angabe, ob die Tätigkeit HF-exponiert war, und weitere Angaben über die Wahrscheinlichkeit (unsicher, wahrscheinlich, sicher) und Höhe der Exposition (‚peak‘-exponiert nach den Grenzwerten in der 26. BldschV [2]).

Ergebnisse

Insgesamt ließen sich durch diese AEM die vielen Einzeltätigkeiten sehr gut in eine Expositionsmatrix zusammenfassen. Dabei fiel auf, dass die so genannten ‚sicheren’ Expositionen und die ‚Peak’-Expositionen fast identische Personen beinhalteten. Ein geringfügiges Problem ergab sich bei der Zuordnung einzelner Tätigkeiten von Frauen, da diese nicht sehr umfassend in dem computergestützten Interview abgefragt wurden. Die Tätigkeiten, bei denen eine sichere hochfrequente Exposition nach Betrachtung der genauen Tätigkeitsbeschreibung kodiert wurde, kommen aus den folgenden Bereichen: Tätigkeit mit Diathermiegeräten, Arbeit an Magnetresonanztomographen, Amateurfunker, Tätigkeit mit dielektrischer hochfrequenter Erhitzung von Materialien, Tätigkeit mit industrieller Erhitzung von Materialien durch Mikrowellen, Arbeit an Radaranlagen, Arbeit an Funkanlagen, Benutzung von verschiedenen Transmittern (CB-Funk, Walkie-Talkie etc.).

Die AEM beinhaltet in ihrer Endfassung 275 Tätigkeitsgruppen, von denen 27 wahrscheinlich, 41 sicher und 33 ‚peak‘ hochfrequent exponiert sind.

Das bedeutet, dass von den 2580 Studienteilnehmern 128 Personen in ihrem Leben eine berufliche Tätigkeit mit sicherer hochfrequenter Exposition ausgeübt haben und 114 Personen eine hochfrequent ‚peak‘ belastete Tätigkeit (Tab. 1 [Tab. 1]).

Diskussion

Die AEM mit ihren 275 Tätigkeitsgruppen liefert die Expositionsabschätzung für die beruflichen Tätigkeiten der 2580 Studienteilnehmer. Für die Analyse des Zusammenhanges zwischen beruflicher Exposition durch hochfrequente Strahlung und der Entstehung von Gehirntumoren wurden 236 Personen (9,2% der Studienteilnehmer) als jemals in ihrem Leben exponiert klassifiziert, davon 128 (5,0%) als sicher und 114 (4,4%) als ‚peak‘ exponiert. Die häufigste Form der hochfrequenten Exposition ist durch Funkgeräte oder andere Arten von Transmittern gegeben. Mit dem beschriebenen Vorgehen wurde erstmals, über die Angaben der Berufsbezeichnungen hinaus differenzierte Berufstätigkeiten, die in einem ausführlichen Interview erhoben wurden, zur Erstellung einer Expositionsmatrix für hochfrequente elektromagneitsche Felder genutzt.

Zu den Einschränkungen des Ansatzes gehören die auf Selbstangaben beruhende Erhebung der Exposition und mögliche Verzerrungen durch einen Recall-Bias. Auch kann eine Missklassifikation der Exposition im Rahmen der AEM aufgetreten sein, wobei diese nicht-differentiell zwischen Fällen und Kontrollen wäre und somit einen die Nullhypothese unterstützenden Bias darstellen würde.

Bei dieser Arbeit wurden zahlreiche publizierte Messergebnisse herangezogen (z.B. [3]), um eine möglichst genaue, objektive Schätzung der Exposition zu erreichen. Bei unterschiedlicher Bewertung der Exposition wurde die Kodierung mit Experten diskutiert. Insgesamt bietet diese AEM die Möglichkeit, die angeführten Tätigkeiten der Personen detailliert und auf der Grundlage des neuesten Wissenstandes zu kodieren. Durch dieses Vorgehen kann die berufliche Exposition durch hochfrequente elektromagnetische Felder der Studienteilnehmer retrospektiv abgeschätzt und in die Analyse der Daten der deutschen Zentren der INTERPHONE-Studie einbezogen werden. Ähnliche Aktivitäten gibt es zur Zeit auf internationaler Ebene in Rahmen der Auswertung der gesamten INTERPHONE-Studie.


Literatur

1.
Floderus B. Is Job Title an Adequate Surrogate to Measure Magnetic Field Exposure? Epidemiology 1996; 7(2):115-16
2.
Bundesrepublik Deutschland. 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmisionsschutzgesetzes - Verordnung über elektromagnetische Felder. Bundesgesetzblatt 1996; 1(66).
3.
Floderus B, Stenlund C, Carlgren F. Occupational Exposures to High Frequency Electromagnetic Fields in the Intermediate Range (>300 Hz-10 MHz). Bioelectromagnetics 2002; 23:568-77