gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Gematchte Fall-Kontroll-Studie zur Untersuchung eines Laboreffekts in den Meldezahlen für Kryptosporidiose in Niedersachsen

Meeting Abstract

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  • Johannes Dreesman - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hannover
  • Dagmar Cecilia Villarroel-Conzales - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hannover

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds229

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds106.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Dreesman et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Für Niedersachsen wurden in den Jahren 2001 – 2004 dem Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA) 591 Meldefälle von Kryptosporidiose nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) übermittelt. Die Meldeinzidenz von Kryptosporidiose ist in diesem Zeitraum gesunken, von 2,5 im Jahr 2001 über 2,3 im Jahr 2002 auf 1,3 in den Jahren 2003 und 2004. Dennoch liegen diese Werte über dem Bundesdurchschnitt (1,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2003). Besonderes auffällig ist die regionale Verteilung der Fälle. Während die Inzidenz in den Jahren 2003 und 2004 im Regierungsbezirk (RB) Braunschweig 0,2 (pro 100.000 Einwohner) betrug, war sie im RB Lüneburg 2,5 und im RB Weser Ems 2,2. Der Unterschied wird noch deutlicher, wenn die davor liegenden Jahre betrachtet werden. Im Jahr 2002 betrug die Inzidenz im RB Braunschweig 0,4, im RB Lüneburg 4,1 und im RB Weser Ems 3,4. Im Jahr 2001 waren die Verhältnisse ähnlich. In Abb. 1 [Abb. 1] ist die regionale Heterogenität kartographisch dargestellt. Es fällt auf, dass die Region um Bremen und entlang der Unterweser am stärksten betroffen ist, wohingegen aus einigen anderen niedersächsischen Landkreisen gar keine Fälle während der Jahre 2001 – 2004 gemeldet bzw. übermittelt wurden. In Bremen lagen die Inzidenzen in den vergangenen Jahren ebenfalls über dem Bundesdurchschnitt, z.B. 3,3 im Jahr 2002.

Material und Methoden

Zur Aufklärung der Ursache für die regional erhöhten Inzidenzen hat das NLGA eine Erhebung auf Basis der gesetzlichen Meldedaten nach IfSG in den 5 hauptbetroffenen Landkreisen durchgeführt. Die zugrunde liegende Hypothese war, dass diagnostische Unterschiede für die Heterogenität verantwortlich sind. Diese Unterschiede könnten das Laboranforderungsverhalten der einsendenden Ärzte betreffen oder den Untersuchungsumfang regional tätiger Laboratorien. Alternativ wäre davon auszugehen, dass in der Region tatsächlich ein höheres Infektionsrisiko, z.B. aufgrund der Wasserversorgungsstruktur oder häufigerer Exposition durch Tierkontakte o.ä., bestünde [1], [2], [3], [4].

Zur Untersuchung der Hypothese eines diagnostischen Effekts wurde mit den Gesundheitsämtern der 5 hauptbetroffenen Landkreise eine retrospektive gematchte Fall-Kontroll-Studie zu den Fällen der Jahre 2002 und 2003 hinsichtlich der meldenden Ärzte und Labore durchgeführt. Als Kontrollerkrankungen wurden gemeldete Salmonellose- und Campylobacter-Fälle einbezogen. Das Matching erfolgte bzgl. Alter, Geschlecht, Landkreis und Meldejahr. Die Gesundheitsämter wahrten die Vertraulichkeit der Angaben zum Labor und Arzt, indem nur jeweils die zwei Anfangsbuchstaben des Labors bzw. Arztes und des Ortes angegeben wurden. Da die Kontrollrekrutierung nach der Fallrekrutierung stattfand und sich zu diesem Zeitpunkt bereits ein Laboreffekt abzeichnete, wurde für die Kontrollen auf die Erhebung der Arztdaten verzichtet. Zur Untersuchung des Laboreffektes wurde für das hauptgenannte Labor eine Assoziation durch das gematchte Odds-Ratio mittels bedingter logistischer Regression ermittelt.

Ergebnisse

Tabelle 1 [Tab. 1] zeigt, aus welchen Laboratorien den 5 teilnehmenden Gesundheitsämtern die Kryptosporidiose-Fälle gemeldet wurden. Dabei ergibt sich, dass 89% der Meldungen aus nur einem Labor (Hier mit A bezeichnet) erfolgten. Weitere 9% erfolgten aus einem zweiten Labor (B) und nur 2% aus weiteren Laboratorien. In der Kontrollstichprobe waren dagegen nur 31% der Nachweise aus Labor A. Das gematchte Odds Ratio für Labor A betrug 43,5 (95%-KI: 10,7 – 177; p < 0,001).

Obwohl die Abfrage der Labore in anonymisierter Form (über einen Abkürzungscode) erfolgte, sind uns durch Rückfragen der Gesundheitsämter die Labore bekannt geworden. Die Nachfrage in den Laboren A und B ergab, dass dort die Indikation für die Kryptosporidien-Diagnostik offenbar weiter gefasst wird als in anderen Laboratorien.

Diskussion

Durch die Fall-Kontroll-Studie konnte eine hoch signifikante Assoziation der Kryptosporidien-Meldungen mit einem bestimmten Untersuchungslabor festgestellt werden. Confounding durch Kovariablen wie Alter oder Wohnregion können aufgrund des entsprechenden Matchings ausgeschlossen werden. Insofern ist davon auszugehen, dass es sich um einen realen Effekt handelt und in Labor A eine sensitivere Kryptosporidien-Diagnostik betrieben wird als in anderen Laboratorien, und auf diese Weise eine regionale Häufung der Meldungen verursacht wurde.

Danksagung

Wir bedanken uns bei den Gesundheitsämtern der niedersächsischen Landkreise Cuxhaven, Friesland, Rotenburg (Wümme), Vechta und Wesermarsch für ihre Teilnahme an diesem Projekt, und Frau S. Cleves für technische Unterstützung.


Literatur

1.
Dangendorf F, Herbst S, Reintjes R, Kistemann T: Spatial Patterns of diarrhoeal illness with regard to water supply structures - a GIS analysis. Int J Hyg Environ Health 2002; 205; 183-91
2.
Goh S, Reacher M, Casemore D et al.: Sporadic Cryptosporidiosis, North Cumbria, England,1996-2000. Emerg Infect Dis 2004; 10: 1007-15
3.
Robertson B, Sinclair MI, Forbes AB, et al.: Case-control studies of sporadic cryptosporidiosis in Melbourne and Adelaide, Australia. Epidemiol Infect 2002; 128: 419-31
4.
Roy SL, DeLong SM, Stenzel SA, Shiferaw B, et al.: Risk Factors for Sporadic Cryptosporidiosis among Immunocompetent Persons in the United States from 1999 to 2001. J Clin Microbiol. 2004; 42: 2944 - 51