gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Prospektive Studie zur berufspezifischen Morbiditätsentwicklung von Krankenversicherten der Gmünder Ersatzkasse im Zeitraum 1990 bis 2003

Meeting Abstract

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  • Uwe Helmert - Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen
  • Andreas Timm - Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds279

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds054.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Helmert et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

In Deutschland gibt es nur unzureichende Daten sowohl hinsichtlich des allgemeinen Morbiditätsgeschehens als auch hinsichtlich berufsspezifischer Einflussfaktoren für die Morbiditätsentwicklung. Deshalb werden die Routinedaten der Gmünder Ersatzkasse (GEK), die dem Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen im Rahmen eines Kooperationsvertrages zur Verfügung gestellt wurden, im Längsschnitt zu diesen Fragestellungen für den Zeitraum 1990 bis 2003 ausgewertet.

Material und Methoden

Das Untersuchungskollektiv umfasst alle berufstätigen Mitglieder der GEK, die am Stichtag 1. Januar 1990 bei der GEK krankenversichert waren und der Altersgruppe der 30-59-Jährigen angehören. Das gesamte Untersuchungskollektiv umfasst 129173 Männer und 13567 Frauen. Im Untersuchungszeitraum 1.1.1990 bis 31.12.2003 sind insgesamt 6.3% der Versicherten verstorben und 16.0% der Versicherten sind aus der GEK ausgetreten. Alle Versicherten mit Krankenkassenaustritt werden bei der Längsschnittanalyse ab dem Zeitraum des Austritts zensiert.

Als unabhängige Variable der Untersuchung wird die Hauptberufsgruppe zum Stichtag 1.1.1990 mit den folgenden elf Ausprägungen herangezogen: einfache manuelle Berufe, qualifizierte manuelle Berufe, Techniker, Ingenieure, einfache Dienste, qualifizierte Dienste, Semiprofessionen, einfache kaufmännische und Verwaltungsberufe, qualifizierte kaufmännische und Verwaltungsberufe, Manager.

Die abhängigen, morbiditätsbezogenen Variablen beziehen sich auf die im Datensatz der GEK enthaltenen Krankenhausaufenthalte im Untersuchungszeitraum. Dabei werden die folgenden sieben Krankheitsgruppen auf Basis von ICD-Kodierungen berücksichtigt: Herzinfarkt (Männer (M): 3.5%, Frauen (F): 1.2%, Schlaganfall (M: 3.5%, F: 1.2%), alle Krebsarten (M: 7.7%, F: 11.4%), Lungenkrebs (M: 0.8%, F: 0.4%), Brustkrebs (F: 3.0%), Muskel-, Skelett- und Bindegewebeerkrankungen (M: 27.3 %, F: 25.9%), sowie Verletzungen und Vergiftungen (M: 13.5%, F: 11.1%).

Die statistische Auswertung wird mit dem speziell für Längsschnittanalysen entwickelten Statistikprogramm „Transitional Data Analysis“ (TDA) [1] durchgeführt. Es werden sowohl kumulierte Morbiditätsraten als auch multivariate Übergangsratenmodelle (Cox-Regression) berechnet.

Ergebnisse

Die kumulierten Morbiditätsraten für die sieben Krankheitsgruppen sind bei den Männern in der Altergruppe der 30-39-Jährigen höher als bei den Frauen, während in den Altergruppen der 40-49-Jährigen und der 50-59-Jährigen höhere kumulierte Morbiditätsraten für Frauen als für Männer zu verzeichnen sind. Hinsichtlich der Hauptberufsgruppen ergeben sich die höchsten kumulierten Morbiditätsraten für einfache manuelle Berufe und einfache Dienste, während die niedrigsten Morbiditätsraten für Professionen, Ingenieure und Manager zu verzeichnen sind. Erstere Berufsgruppen verzeichnen mehr als doppelt so hohe Morbiditätsraten wie die letzteren.

Für die Berechnung der altersadjustierten multivariaten Übergangsratenmodelle für die sieben Krankheitsgruppen wird im Hinblick auf die Hauptberufsgruppen jeweils die Kategorie „einfache manuelle Berufe“ als Referenzkategorie gewählt. Die Analyse zeigt vielfältige signifikante Unterschiede im Hinblick auf die unabhängige Variable „Hauptberufsgruppe“. Beim Herzinfarkt zeigen sich bei den Männern statistisch signifikant erniedrigte Odds Ratios für Ingenieure. Beim Schlaganfall sind bei beiden Geschlechtern signifikant niedrigere Odds Ratios für qualifizierte manuelle Berufe und Techniker zu verzeichnen. Dagegen finden sich bei den Krebserkrankungen insgesamt bei beiden Geschlechtern keine signifikanten Unterschiede zwischen den Hauptberufsgruppen. Während der Lungenkrebs generell seltener bei höher qualifizierten Personen auftritt, lassen sich für den Brustkrebs keine statistisch signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Hauptberufsgruppen identifizieren. Muskel-, Skelett- und Bindegewebskrankheiten treten bei beiden Geschlechtern signifikant seltener bei Professionen und Technikern auf. Verletzungen und Vergiftungen werden ausschließlich bei Männern signifikant weniger bei Ingenieuren, Professionen und Managern beobachtet.

Diskussion

Die Ergebnisse der Längsschnittanalyse des Morbiditätsgeschehens der berufstätigen Krankenversicherten der GEK verweisen auf deutlich ausgeprägte soziale Gradienten. Für Hauptberufsgruppen mit niedrigem sozialem Status (einfache manuelle Berufe, einfache Dienste) sind die Morbiditätsraten um teilweise mehr als das Doppelte höher als für Berufsgruppen mit hohem Status (Ingenieure, Manager, Professionen). Längsschnittanalyen auf Basis von Routinedaten der Krankenkassen können somit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsberichterstattung liefern und sollten in der Zukunft in stärkerem Maße auch von anderen Krankenkassen in Angriff genommen werden.


Literatur

1.
Blossfeld HP, Rohwer G. Techniques of event history modeling. New approaches to causal analysis. Second edition. Mahwah: Lawrence Erlbaum, 2002.