gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Soziale Lage und Häufigkeit des Typ 1-Diabetes im Kindesalter: Gibt es Evidenz für einen Zusammenhang?

Meeting Abstract (gmds2004)

  • corresponding author presenting/speaker J.B. Du Prel - Deutsches Diabetes Forschungsinstitut (DDFI) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Abteilung Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Deutschland
  • J. Rosenbauer - Deutsches Diabetes Forschungsinstitut (DDFI) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Abteilung Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Deutschland
  • A. Icks - Deutsches Diabetes Forschungsinstitut (DDFI) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Abteilung Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Deutschland
  • M. Grabert - Universität Ulm, Abt. Angewandte Informationsverarbeitung und ZIBMT, Ulm, Deutschland
  • R.W. Holl - Universität Ulm, Abt. Angewandte Informationsverarbeitung und ZIBMT, Ulm, Deutschland
  • G. Giani - Deutsches Diabetes Forschungsinstitut (DDFI) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Abteilung Biometrie und Epidemiologie, Düsseldorf, Deutschland

Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds368

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2004/04gmds368.shtml

Veröffentlicht: 14. September 2004

© 2004 Du Prel et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Einleitung

Kürzlich berichteten wir über die Ergebnisse einer im Bundesland NRW durchgeführten Korrelationsstudie zum Zusammenhang von Typ1-Diabetes (T1DM) und sozioökonomischem Status (SES) [1], [2], [3]. In dieser Untersuchung fanden sich Hinweise für eine höhere Diabetesinzidenz in Gebieten mit ungünstigeren sozioökonomischen Verhältnissen, repräsentiert durch einen gebietsbezogenen, ungewichteten Deprivationsindex aus Haushaltseinkommen, Schul- und beruflicher Ausbildung bei Kindern unter 15 Jahren in NRW [Abb. 1].

In diesem Kontext war die Frage interessant, ob diese Resultate im Einklang mit der internationalen Literatur stehen. Im folgenden werden die Ergebnisse einer Literaturanalyse zum Zusammenhang von sozialer Lage und T1DM vorgestellt.

Methoden

Es wurde eine Literatursuche in „Pubmed" mit den Suchbegriffen „socioeconomic status", „social status" bzw. „deprivation" und „type 1 diabetes" bzw. „IDDM" durchgeführt. Literaturzitate in den gefundenen Publikationen wurden in die Recherche einbezogen. Es wurden nur Studien berücksichtigt, die den Zusammenhang im Kindesalter untersuchten. Von solchen Studien, die in Studienkollektiv und -region übereinstimmten und den Zusammenhang von SES und T1DM nur in einem anderen Kontext untersuchten, wurde nur jeweils eine berücksichtigt. Es erfolgte eine Einteilung der gefundenen Publikationen nach definierten Gütekriterien hinsichtlich des primären Studienziels, des Studiendesigns, der Fallzahl, des Aggregationsniveaus, des verwendeten Häufigkeitsmaßes, der Beobachtung eines Sozialgradienten, des Vorhandenseins studientypischer Fehlerquellen (Bias, Confounding, Overmatching). Auf der Basis dieser Kriterien wurde die Studienqualität mit einem einfachen, ungewichteten Punktescore (12 Items mit jeweils 3 Klassen und 0 bis 2 Punkten) abgebildet. Daraus wurde ein Durchschnittswert für Studien mit übereinstimmendem Ergebnis gebildet.

Ergebnisse

Die Literaturrecherche zum Zusammenhang von sozialer Lage und T1DM im Kindesalter konnte insgesamt 21 Studien identifizieren, die sich zumindest als Teilaspekt mit diesem Themengebiet befassten. Diese Studien kamen zu divergierenden Ergebnissen. Zudem fanden sich große Unterschiede in der Eignung der verwendeten Studiendesigns zur Klärung der Fragestellung. 10 dieser Studien zeigten Hinweise für eine Assoziation von einer zunehmenden Typ 1-Diabetesneuerkrankungsrate mit höherer sozialer Klasse [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12], [13]. Fünf Studien sprachen für einen Zusammenhang von höherer Diabetesinzidenz mit niedrigerem SES [14], [15], [16], [17], [18]. Die übrigen Studien kamen entweder zu inkonsistenten Ergebnissen [19], [20], [21] oder konnten keinen Zusammenhang finden [22], [23], [24]. Unter Einbezug der eigenen Untersuchung erbrachte die Auswertung der Studien, die auf eine höhere Diabetesinzidenz bei Kindern aus ungünstigeren sozialen Verhältnissen hinwiesen, mit 71,7 % (entsprechend 17,2 von maximal 24 Punkten) einen durchschnittlich höheren Wert für die Studienqualität als die Studien, die Hinweise für eine zunehmende Diabetesinzidenz in oberen Sozialschichten fanden (62,9 % der maximal erreichbaren Punktzahl).

Diskussion

Quantitativ überwiegen Studien, die auf einen Zusammenhang von höherer Diabetesinzidenz in gehobenen Sozialschichten hinweisen. Qualitativ überzeugen eher die Studien, die für eine Häufung der Typ1-Diabetesinzidenz in unteren sozialen Schichten sprechen. Einschränkungen der Aussagekraft dieser Literaturanalyse sind darin zu sehen, dass möglicherweise nicht alle relevanten Studien berücksichtigt wurden. Da der T1DM im Kindesalter eine seltene Erkrankung ist, sind Fall-Kontrollstudien zur Klärung eines ätiologischen Zusammenhanges besonders geeignet. Die Ergebnisse zweier großer Fall-Kontrollstudien waren mit der Beobachtung des Zusammenhanges einer höheren Diabetesinzidenz in sozioökonomisch benachteiligten Gebieten vereinbar. Allerdings bestand bei beiden Studien die Gefahr eines Overmatchings hinsichtlich des SES, da Fälle und Kontrollen aus dem gleichen Wohnviertel stammten. Auch eine kürzlich veröffentlichte Fall-Kontrollstudie fand starke Hinweise für einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Diabetesinzidenz bei Kindern aus sozial benachteiligten Schichten [21]. Der Zusammenhang zwischen SES und T1DM war hinsichtlich des Bildungsniveaus der Väter allerdings inkonsistent. Bei widersprüchlicher Studienlage sind zur Klärung der Frage des Zusammenhanges zwischen SES und T1DM-Inzidenz weitere Untersuchungen erforderlich.


Literatur

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