gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Auswirkung der qualitätsgesicherten Mammadiagnostik auf Tumorstadien und Inzidenz des Mammakarzinoms

Meeting Abstract (gmds2004)

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  • corresponding author presenting/speaker Alexander Katalinic - Institut für Krebsepidemiologie e.V., Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Carmen Bartel - Institut für Krebsepidemiologie e.V., Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland
  • Ingrid Schreer - Mammazentrum, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Kiel, Deutschland
  • Heiner Raspe - Institut für Krebsepidemiologie e.V., Universität zu Lübeck, Lübeck, Deutschland

Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds359

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2004/04gmds359.shtml

Veröffentlicht: 14. September 2004

© 2004 Katalinic et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Primäres Ziel des Modellvorhabens QuaMaDi (Qualitätsgesicherte Mammadiagnostik) ist es, für die Mammadiagnostik ein prozessorientiertes Qualitätsmanagement auf der Basis internationaler Richtlinien in die bestehende Versorgung zu implementieren [1]. Die Diagnostik bei Brustkrebsverdacht soll durch eine qualitätsgesicherte diagnostische Kette für Frauen aller Altersgruppen verbessert werden. Als zentrale Instrumente dienen dazu die unabhängige Zweitbefundung der Mammographie durch einen weiteren Radiologen, ggf. Sonographie, die standardisierte Abklärungsdiagnostik und die sorgfältige Befunddokumentation und -evaluation.

Innerhalb der Modellregion in Schleswig-Holstein (Kiel, Neumünster, Rendsburg-Eckernförde und Plön), in der etwa 300.000 Frauen älter als 20 Jahre leben, wurden seit dem Jahr 2001 ca. 55.000 Patientinnen in das Modellprojekt aufgenommen und untersucht. An dem Projekt nehmen ca. 90 Gynäkologen, 11 Radiologen und ein Mammazentrum teil.

Die bisherige Evaluation des Projekts konnte eine Verbesserung der Prozessqualität in der Mammadiagnostik zeigen. Innerhalb der QuaMaDi-Kohorte wurden ähnliche Ergebnisse wie beim Mammographiescreening (vermehrt Tumoren in günstigeren Stadien, Inzidenzanstieg gegenüber der Basisinzidenz um das ca. 2-3fache).

Nach drei Jahren Projektlaufzeit stellt sich nun die Frage, ob sich die Qualitätssicherung in der Mammadiagnostik auch populationsbezogen auf die Entdeckung des Mammakarzinoms in der gesamten QuaMaDi-Modellregion auswirkt. Diese Frage soll mit Daten des epidemiologischen Krebsregisters Schleswig-Holstein untersucht werden.

Methoden

Für die Jahre 1998 bis 2003 wurden für Schleswig-Holstein 11.453 Patientinnen mit invasivem (ICD-10: C50) und nicht invasivem (ICD-10: D05) Brustkrebs aus dem Datenbestand des Krebsregisters identifiziert. Fälle, die nur auf Grund einer Todesbescheinigung bekannt waren, waren zuvor ausgeschlossen worden. Die QuaMaDi-Modellregion, bestehend aus zwei Landkreisen und zwei Städten, wird mit dem restlichen Schleswig-Holstein hinsichtlich der Tumorstadienverteilung (TNM-Klassifikation) und der Brustkrebsinzidenz als altersstandardisierte Raten nach dem Europastandard verglichen.

Ergebnisse

Von 1998 bis zum Jahr 2000 zeigen sich keine relevanten Unterschiede in der Tumorstadienverteilung oder der Brustkrebsinzidenz zwischen der QuaMaDi-Modellregion und dem restlichen Schleswig-Holstein.

Mit Beginn des Modellvorhabens im Jahr 2001 verbessert sich die Tumorstadienverteilung deutlich zu Gunsten der Modellregion. Der Anteil nicht invasiver Tumore (in situ) steigt von 4,7% (28/591) in 2000 auf 8,9% (59/665) in 2001 an, während er im restlichen Schleswig-Holstein fast unverändert bleibt (4,0% (66/1523) auf 3,8% (63/1657)) [Abb. 1]. Auch im weiteren zeitlichen Verlauf bleibt der „in situ"-Anteil in der Modellregion hoch, im restlichen Schleswig-Holstein niedrig.

Für das Tumorstadium T1 (≤2cm) zeigt sich mit Beginn des Modellvorhabens ein vergleichbarer, aber nicht ganz so ausgeprägter Effekt (51% vs. 47%) wie bei „in situ"-Tumoren. Größere Tumoren der Kategorien T2, T3/4 kommen in der Modellregion nach dem Jahr 2001 deutlich seltener vor. Auch für den Lymphknoten- und den Metastasenstatus zeigt sich eine Verschiebung hin zu günstigeren Stadien.

Im zeitlichen Verlauf steigt die Brustkrebsinzidenz in Schleswig-Holstein seit dem Jahr 1998 leicht an. Vom Jahr 2000 auf 2001 zeigt sich in der Modellregion ein deutlicher Anstieg, verglichen mit der Entwicklung im restlichen Schleswig-Holstein (Modellregion: von 122 auf 133/100.000, Rest-SH: von 116 auf 115/100.000).

Diskussion

Das Modellvorhaben QuaMaDi ist eine Qualitätssicherungsmaßnahme zur Verbesserung der Diagnostik des Mammakarzinoms bei Brustkrebsverdacht im Sinne der integrierten Versorgung im Rahmen von vorhandenen, dezentralen Versorgungsstrukturen. In einer definierten Region nehmen flächendeckend nahezu alle an der Mammadiagnostik Beteiligten vom Gynäkologen über Radiologen bis hin zum Mammazentrum teil. Die wissenschaftliche Evaluation gewährleistet die Kontrolle wichtiger Qualitätsindikatoren und ein regelmäßiges Feedback der Ergebnisse an alle Beteiligten. Laut Kassenärztlicher Vereinigung wird der überwiegende Teil der Mammographien in der Modellregion im Rahmen von QuaMaDi durchgeführt.

Nach Einführung von QuaMaDi zeigt sich auch auf Populationsebene eine Änderung in der Entdeckung des Mammakarzinoms. Brustkrebs wird in der Modellregion häufiger und in günstigeren Stadien entdeckt als im restlichen Schleswig-Holstein. Obwohl QuaMaDi kein Screening ist (Indikationsbezug; nur ca. ein Sechstel aller Frauen in der Region untersucht; alle Altersgruppen!), werden ähnliche Effekte wie bei der Einführung eines Screeningprogramms beobachtet. Der Anteil der „in situ" Tumore, die therapiepflichtig sind und dann eine sehr gute Prognose aufweisen, liegt mit 6-8% populationsbezogen zwar noch unter den Zielkriterien für das Brustkrebsscreening (≥10% [2]), jedoch fast doppelt so hoch wie in Regionen ohne Qualitätssicherung. Die in der Anfangsphase erhöhte Brustkrebsinzidenz spricht für eine zeitlich vorgezogene Entdeckung von Tumoren, die ansonsten erst später (und damit in ungünstigerem Stadium) aufgefallen wären.

Es kann also angenommen werden, dass die Veränderungen der Inzidenz und Tumorstadienverteilung Folge der optimierten, auf Leitlinien gestützten Mammadiagnostik (Doppelbefundung, gezielter Einsatz der Sonographie, Drittbefundung im Mammazentrum) sind.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass Qualitätssicherung auch in dezentralen Versorgungsstrukturen zu guten Ergebnissen führen kann. Es ist anzunehmen, dass unter der Nutzung dieser Strukturen auch ein populationsbezogenes, qualitätsgesichertes Brustkrebsscreening eingeführt werden könnte. Um einen Einsatz von QuaMaDi für das Brustkrebsscreening zu ermöglichen, muss die Früherkennungsrichtlinie für Brustkrebs geändert werden. Vor dem Hintergrund der unklaren Evidenz für ein Mammographiescreening sollte es auch möglich sein, neben dem dort festgelegten zentralen Brustkrebsscreening dezentrale Modelle weiter zu entwickeln und zu evaluieren.


Literatur

1.
Katalinic A, Bartel C, Schreer I. Modellvorhaben "Qualitätsgesicherte Mammadiagnostik - QuaMaDi". In: Pfaff H., Schrappe M, Lauterbach K.W., Engelmann U., Halber M., editors. Gesundheitsversorgung und Disease Management. Bern: Hans Huber Verlag, 2003: 251-256.
2.
KD Schulz, US Albert (Hrsg). Stufe-3-Leitlinie Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland. W Zuckschwerdt Verlag München, Wien, New York, 2003