gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Ubiquitäre Information - relevant und verlässlich?

Meeting Abstract (gmds2004)

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Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds002

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2004/04gmds002.shtml

Veröffentlicht: 14. September 2004

© 2004 Schek.
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Gliederung

Text

Ubiquitous Computing, Cyberinfrastructure et al.

Vor mehr als 10 Jahren hat Weiser in mehreren programmatischen Schriften, z.B. [1], eine neue Richtung proklamiert, die er Ubiquitous Computing nannte. In [2] findet sich folgende Definition: „Unter den beiden oft äquivalent gebrauchten Begriffen „Pervasive Computing" und „Ubiquitous Computing" wird die Allgegenwärtigkeit von Informationsverarbeitung und damit einhergehend der jederzeitige Zugriff auf Daten von beliebiger Stelle aus verstanden". Die Vernetzung vieler alltäglicher Dinge ist bereits Realität in intelligenten Gebäuden [3]. Ebenso ist die Einbettung von kleinsten Rechnern in Textilien bereits prototypisch realisiert, z.B. im „Intelligent Carpet" Projekt [4]. Bei „Wearable Computing" [5] möchte man Computer zum alltäglichen Assistenten in fast allen Situationen machen. Auch an der Mensch-Maschine-Schnittstelle finden sich Aufsehen erregende Entwicklungen beispielsweise die Projektion von Bildschirminhalten ins menschliche Auge [6].

Vor diesem Hintergrund fragen sich Informatiker weltweit, was die großen Herausforderungen für das nächste Jahrzehnt oder darüber hinaus sind. Ein durchgehendes Thema ist die Frage nach einer Infrastruktur, die es dem Individuum erlaubt, die Fortschritte der Informationstechnologie und die allgegenwärtigen, teilweise unsichtbaren Computer zu seinem Wohlergehen zu nutzen und in harmonischer Weise eingebunden zu sein. Pervasive Computing ermöglicht die Versorgung mit Information, egal, wer wir sind, wo wir uns befinden und zu jeder Zeit. Wir können daher von „ubiquitärer Information" sprechen. Wir befinden uns in einem Informationsraum und gehören selbst als Informationsobjekte dazu. Dies kann sehr nützlich sein. Jedoch kennen wir bereits Nachteile: Wir sind durch Information überflutet. Wir sind nicht immer sicher, wie relevant die Information (noch) ist oder jemals war. Wir können uns auch nicht auf dieVerfügbarkeit der Information verlassen.

Ein erstes Beispiel eines Grundsatzpapiers für nötige Forschung ist ein Visionspapier [7] der NSF in den USA. Dort wird eine neue Infrastruktur, die so genannte Cyberinfrastruktur beschrieben, die auf der heutigen Infrastruktur wie CPU, Netzwerke, Speicher und Datenbanken aufsetzt und unsere heutige Middleware erheblich verbessern soll. Ein zweites wichtiges Papier kommt von von der CRA. Unter dem Titel „Grand Research Challenges in Information Systems" [8] sind 5 Themen beschrieben, wovon die folgenden 3 besonders wichtig für die biomedizinische Informatik sind:

Build a Team of Your Own. Building cognitive partnerships of human beings with software agents and robots will enhance individual productivity and effectiveness.

Build Systems You Can Count On. Assuring reliable and secure systems-from the regional electric grid to an individual's heart monitor-will allow us to rely on information technology with confidence.

Conquer System Complexity. Building predictable and robust systems with billions of parts will enable broader and more powerful applications of information technology.

Auch aus der Medizininformatik heraus gibt es Visionen, z.B. [9]. Dort wird eine Prognose erstellt, wie die Patientenversorgung sowie die Vor- und Nachsorge in 10 Jahren aussehen wird. Angesichts dieser und vieler hier nicht explizit erwähnter Visionspapiere und Forschungsstrategien haben wir an der UMIT ein Strategiepapier [10] zusammengestellt, in dem eine große Anzahl von Forschungsprojekten skizziert sind, die teilweise bereits laufen. Im Folgenden sollen zwei dieser Projekte näher erörtert werden.

Relevanz und Zuverlässigkeit Ubiquitärer Information

Relevanz: Das Entdecken relevanter Information aus einer großen, unüberschaubaren Menge von Informationsobjekten (z.B. Dokumenten, Bildern, Video, Webseiten) hat sich aus dem traditionellen Gebiet des Information Retrieval weiterentwickelt. Heute müssen wir das Suchen und Navigieren in einem hochgradig verflochtenen Informationsnetz unterstützen, in dem es vielfältige Beziehungen zwischen Informationselementen und bislang unerkannte Abhängigkeiten gibt, die wir aufspüren wollen. Informationselemente treten in einem bestimmten Kontext auf. Im modernen Webretrieval spielt die Linkstruktur bekanntlich eine entscheidende Rolle für das automatische Feststellen der relevantesten Webseiten. Bilder, Texte und Verweise, allgemeiner multimediale Bestandteile, treten zusammen auf oder sind direkt durch die Linkstruktur benachbart und bilden so einen Kontext. Auch im medizinischen Bereich bei Gesundheitsakten gibt es mehrere Möglichkeiten, einen Kontext einzuführen: Informationselemente gehören zu einem bestimmten Patienten - der Normalfall eines Kontextes - oder sind entstanden bei einem bestimmten Arzt, in einer bestimmten Praxis oder sie gehören zu einen bestimmten Fall - weniger üblich - oder sie erfahren eine ähnliche Medikation usw.

Für die Suche benötigen wir mehrere Sorten von Merkmalen. Neben traditionellen Textdeskriptoren benötigen wir weitere Merkmale, die man aus Bildern, aus Videos oder aus Messreihen extrahiert. Trivialerweise sind Attribute und Attributwerte (in der Datenbankterminologie) weitere Merkmale, auf die man sich bei der Suche beziehen möchte. Nimmt man dies mit dem oben Gesagten zusammen, so kommen wir zu Suchverfahren, die man in der Literatur „Multi-Feature Multi-Object Queries" nennt. Man meint damit die Vorgabe mehrerer Beispielobjekte und Merkmalssorten in einer Anfrage. Die Suchmaschine gibt hierfür eine Liste von Ergebnisobjekten aus, sortiert nach Relevanz. Die Bewertung der Relevanz im darauf folgenden Relevanz-Rückkopplungsschritt durch den Suchenden führt dann zu einer automatischen Änderung der Anfrage bezüglich Merkmalsgewichten und Bewertungen der Anfrageobjekte und dies wiederum führt idealerweise zu relevanteren Ergebnisobjekten. Wir haben solche Verfahren prototypisch implementiert und können Stärken und Schwächen einer solchen neuartigen Suchmaschine erkennen [11], [12]. Die Anwendung auf Gesundheitsakten wird gegenwärtig genauer studiert [13].

Während wir den Kontext der Informationsobjekte erfassen, bleibt bislang der Kontext des Suchenden weitgehend unberücksichtigt, obwohl er für die Relevanzbewertung wichtig ist. Die Interessen und die Situation des Suchenden soll zukünftig integriert werden. Hierzu kann die Pervasive Computing Umgebung helfen, die mit vielen Sensoren und Wearables „weiß", was man will. Hierdurch kommen wir zu der bei den CRA Challenges genannten kognitiven Umgebung etwas näher.

Zuverlässigkeit: Systeme auf die man sich verlassen kann (CRA Challenge s.o.), sind ganz besonders wichtig, wenn wir die Pervasive Computing Umgebung und die ubiquitäre Informationsversorgung mit Blick auf Health Monitoring und E-Inclusion weiter entwickeln. Unter Health Monitoring verstehen wir Anwendungen der oben genannten Technologien zur rechtzeitigen Erkennung von potentiellen Erkrankungen, zur Überwachung von Risikopatienten oder zur Beobachtung von Langzeitpatienten. Unter E-Inclusion dagegen sprechen wir Maßnahmen an, die es Älteren erlauben, durch Anwendung moderner Informationstechnologie weiterhin in der Gesellschaft eingebunden zu sein und autonom leben zu können. Der heutige Stand der Technik ist allerdings unbefriedigend, was Verlässlichkeit, Benutzbarkeit, Korrektheit, Anpassbarkeit oder Konfigurierbarkeit von IT-Systemen anbetrifft.

Wir haben aus diesem großen Problemkreis einige Teilaspekte herausgenommen und transaktionale Workflowprozesse untersucht [14], [15], bei denen wir in Verallgemeinerung von Datenbanktransaktionen garantieren, dass ein Prozess, d.h. eine Zusammenfassung mehrerer Serviceaufrufe, zu einem wohl definierten Ende kommt und dass auch bei paralleler Ausführung mehrerer Prozesse eine korrekte Ausführung erzwungen wird. Weiterhin arbeiten wir daran, dass ein solches System im Falle hoher Last, also bei sehr vielen parallelen Prozessen skalierbar ist und damit immer verfügbar bleibt [16]. Eine weitere neue Heraus-forderung sind Datenströme, die von verschiedenen Sensoren kommen und die mit traditionellen Prozessen kombiniert werden müssen [17]. So soll es möglich werden, dass ein Notfallprozess ausgelöst wird, nachdem die Sensordaten-Verarbeitung eine kritische Situation erkannt hat.

Ausblick

Die genannten großen Herausforderungen verlangen bedeutende Forschungsanstrengungen, die interdisziplinär anzugehen sind. Die UMIT, so glauben wir, ist dafür ein guter Platz.


Literatur

1.
http://www.ubiq.com/hypertext/weiser/UbiCACM.html
2.
Friedemann Mattern. Pervasive / Ubiquitous Computing.,Informatik-Spektrum, Vol. 24 No. 3, pp. 145-147, June 2001
3.
http://www.caad.arch.ethz.ch/CAAD-Extern/891 (Hovestadt)
4.
http://www.infineon.com/cgi/ecrm.dll/jsp/showfrontend.do?lang=EN&news_nav_oid=-9979&content_type=NEWS&content_oid=76718
5.
http://www.wearable.ethz.ch/
6.
Marc von Waldkirch, Paul Lukowicz, Gerhard Tröster: Spectacle-Based Design of Wearable See-Through Display for Accommodation-Free Viewing. Pervasive 2004: 106-123
7.
http://www.cise.nsf.gov/sci/reports/toc.cfm
8.
http://www.cra.org/Activities/grand.challenges/
9.
Haux, Ammenwerth, Herzog, Knaup. "Health Care in the Information Society. A Prognosis for the Year 2013", In: Int. Journal of Medical Informatics, vol. 66, pages 3-21, Nov. 2002.
10.
http://www.umit.at/upload/UMIT-BioMedInf-Forschung_040203_3.pdf
11.
K. Böhm, M. Mlivoncic, H.-J. Schek, R. Weber: Fast Evaluation Techniques for Complex Similarity Queries. 27th Int. Conf. on Very Large Databases (VLDB), Roma, Italy, September 2001.
12.
H.-J. Schek, H. Schuldt, R. Weber: Hyperdatabases - Infrastructure for the Information Space. In: Advances in Visual Database Systems - Proceedings of the 6th IFIP 2.6 Working Conference on Visual Database Systems (VDB'02), Brisbane, Australia, May 2002.
13.
M. Springmann: Kombination von Bausteinen zur ähnlichkeitsbasierten Suche in elektronischen Multimedia-Patientenakten, GMDS 2004, dieser Konferenzband
14.
H. Schuldt: Process Locking: A Protocol based on Ordered Shared Locks for the Execution of Transactional Processes. In: Proceedings of the ACM Symposium on Principles of Database Systems (PODS'01), Santa Barbara, California, USA, May 2001
15.
H. Schuldt, G. Alonso, C. Beeri, H.-J. Schek: Atomicity and Isolation for Transactional Processes. in: ACM Transactions on Database Systems (TODS) 27(1), March 2002
16.
H.J. Schek, H. Schuldt, C. Schuler, C. Türker, R. Weber: Hyperdatenbanken zur Verwaltung von Infor-mationsräumen. it - Information Technology, Heft 2, Seiten 67-75, http://www.it-inftech.de, Februar 2004.
17.
G. Brettlecker: Information Management Infrastructure for Telemonitoring in Healthcare, GMDS 2004