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Probleme quantitativer Kommunikationsanalysen mittels RIAS – Erste Ergebnisse einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Linguistik, Medizin und Psychologie
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Veröffentlicht: | 18. September 2012 |
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Fragestellung: Kommunikative Kompetenzen werden in der medizinischen Aus- und Weiterbildung immer wichtiger. Die dafür notwendigen Analyse- und Bewertungsinstrumente reichen von einfachen Checklisten bis zu Kodiersystemen wie dem Roter Interaction Analysis System (RIAS), dem internationalen Goldstandard zur standardisierten Erfassung der verbalen Anteile der Arzt-Patienten-Kommunikation. Trotz seiner unbestrittenen Potentiale wird das System auch kritisch diskutiert. Daher stellt sich die Frage: Welche Probleme sind mit quantitativen Kommunikationsanalysen mittels RIAS verbunden?
Methode: Videoaufnahmen von 199 internistischen Arzt-Patient-Gesprächen (NÄrzte=42) wurden mit RIAS kodiert. Ausgewählte, transkribierte Leitgespräche werden mithilfe der Linguistischen Gesprächsanalyse handlungs- und sequenzanalytisch mikroskopisch untersucht.
Ergebnisse Als problematisch an den Kommunikationsanalysen mittels RIAS erweisen sich die fehlende Erfassung interaktionstypspezifischer Handlungsaufgaben, die Segmentierung in gesprächsanalytisch fragliche Kodiereinheiten, die Eindimensionalität der Kategorien ("erzwungene“ Vereindeutigung), die geringe qualitative Tiefe sowie die geringe Berücksichtigung sequenzabhängiger Aspekte.
Schlussfolgerung: Insgesamt ist das RIAS aus gesprächsanalytischer Sicht v.a. hinsichtlich der Validität der Kodierung als problematisch zu beurteilen. Zudem ist RIAS nicht dafür konzipiert, abzubilden, was bezüglich einer guten Gesprächsführung im Sinne konkreter teachable moments relevant ist. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Linguistik, Medizin und Psychologie soll daher die Grundlage für die Analyse von Arzt-Patienten-Gesprächen, die theoretisch und empirisch fundierte Lehre dieser Gespräche und die valide Bewertung von Prüfungen kommunikativer Kompetenz schaffen [1], [2], [3], [4], [5].
Literatur
- 1.
- Roter DL. Patient participation in the patient-provider interaction: the effects of patient question asking on the quality of interaction, satisfaction and compliance. Health Educ Monogr. 1977;5(4):281-315. Roter D, Larson S. The Roter interaction analysis system (RIAS): utility and flexibility for analysis of medical interactions. Patient Educ Couns. 2002;46(4):243-251. Sandvik M, Eide H, Lind M, Graugaard PK, Torper J, Finset A. Analyzing medical dialogues: strength and weakness of Roter's interaction analysis system (RIAS). Patient Educ Couns. 2002;46(4):235-241. Deppermann A. Gespräche analysieren: eine Einführung. Wiesbaden, Heidelberg: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2008. Maynard DW, Heritage J. Conversation analysis, doctor-patient interaction and medical communication. Med Educ. 2005;39(4):428-435.
- 2.
- Roter D, Larson S. The Roter interaction analysis system (RIAS): utility and flexibility for analysis of medical interactions. Patient Educ Couns. 2002;46(4):243-251. DOI: 10.1016/S0738-3991(02)00012-5
- 3.
- Sandvik M, Eide H, Lind M, Graugaard PK, Torper J, Finset A. Analyzing medical dialogues: strength and weakness of Roter's interaction analysis system (RIAS). Patient Educ Couns. 2002;46(4):235-241. DOI: 10.1016/S0738-3991(02)00014-9
- 4.
- Deppermann A. Gespräche analysieren: eine Einführung. Wiesbaden, Heidelberg: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 2008.
- 5.
- Maynard DW, Heritage J. Conversation analysis, doctor-patient interaction and medical communication. Med Educ. 2005;39(4):428-435. DOI: 10.1111/j.1365-2929.2005.02111.x