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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

05.10. - 08.10.2011, München

Zahlen zum Medizinstudium – Irreführung oder Entscheidungsgrundlage?

Plenarvortrag

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Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). München, 05.-08.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gma289

doi: 10.3205/11gma289, urn:nbn:de:0183-11gma2894

Veröffentlicht: 26. September 2011

© 2011 Hildebrandt.
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Gliederung

Text

Zahlen und Meinungen zum Medizinstudium werden heute breit diskutiert und sind Grundlage politischer Entscheidungen; genauere Prüfung halten die verbreiteten Zahlen jedoch nur selten stand.

Die zentralen Fragen dieser Diskussionen lauten:

  • Bildet Deutschland genügend Mediziner aus?
  • Wie hoch ist der Erfolg im Medizinstudium?
  • Können wir den künftigen Ärztebedarf decken?

Sowohl in der Anzahl der Absolventen des Medizinstudiums mit rund 10.000 pro Jahr als auch in der Anzahl der praktizierenden Ärzte steht Deutschland international mit an der Spitze. So gab es 2008 in Deutschland 12,1 Absolventen pro 100.000 Einwohner, in den USA 6,4 und in Japan 5,8. Die Zahl der praktizierenden Ärztinnen und Ärzte pro 1.000 Einwohner lag 2008 in Deutschland bei 3,6, in den USA bei 2,4 und in Japan bei 2,2.

Der viel diskutierte „Ärztemangel“ betrifft vorrangig bestimmte Fächer und überwiegend ländliche Regionen. Durch eine Erhöhung der Studienplatzzahl oder die Gründung weiterer Fakultäten lässt sich "Ärztemangel" nicht bekämpfen.

Die Medizinischen Fakultäten haben mit über 100 unterschiedlichen Studiengängen in den Gesundheitswissenschaften ein breites und tiefes Lehrangebot. Der Studienerfolg ist im Fächervergleich spitze. So lag die Erfolgsquote der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften 2009 bei 95 Prozent im Erststudium. Die durchschnittliche Erfolgsquote aller Fächergruppen lag 2009 bei 76 Prozent. Um die erstklassige Ausbildung zukünftiger Mediziner aufrecht zu erhalten, muss die Finanzierung aller Studienplätze dauerhaft gesichert werden.

Eine unabhängige Absolventenbefragung 2007 und 2008 des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung an der Universität Kassel ergab, dass 94 Prozent der Nachwuchsmediziner in die Krankenversorgung gehen. Im Jahr 2009 sind es nach der multizentrischen Karmed-Studie 96 Prozent. Es steigt also nicht nur die Erfolgsquote des Medizinstudiums, sondern auch die Übergangsquote in den Beruf. Genau erfassen lässt sich die Übergangsquote aber nur, wenn sich die berufsständischen Ärzteorganisationen bei der Statistik nicht länger auf die zeitnahen Anmeldungen von approbierten Ärztinnen und Ärzten bei den Kammern beschränken. Vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Aus- und Weiterbildung sowie des steigenden Anteils weiblicher Absolventen ändern sich auch die beruflichen Biografien. Nach der laufenden Karmed-Studie möchten immerhin 7 Prozent der künftigen Fachärztinnen und Fachärzte ihre erste Weiterbildungsstätte in der Schweiz antreten.

Insgesamt übertrifft die Zahl der Zugänge an Absolventen und Fachärzten in den nächsten zehn Jahren mit rund 100.000 die Zahl der Abgänge (Ersatzbedarf) von circa 70.000. Die ärztliche Versorgung ist auch künftig auf hohem Niveau gesichert.

Die Bedeutung der Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten wird unterschätzt. Für die Weiterbildung müssen vermehrt qualitätsgesicherte Curricula entwickelt werden, die besser strukturiert und betreut sind.

Die Datenlage zur Arztzahlentwicklung muss verbessert werden (z. B. Erfassung der Approbationen, Wechsel der Kammerbezirke und Tätigkeiten), um politische Entscheidungen auf verlässlicher Grundlage treffen zu können. Dazu braucht Deutschland außerdem unabhängige Einrichtungen zum Monitoring der Fachkräfteentwicklung, zur Bedarfsplanung und sachgerechten Ressourcenallokation.

Wenn die Aufgabenverteilungen im Gesundheitswesen reformiert und die ärztlichen Pflichten entschlackt werden, können auch Engpässe der ärztlichen Versorgung in bestimmten Fächern und Regionen sehr gut ausgeglichen werden.