gms | German Medical Science

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

23.09. - 25.09.2010, Bochum

Curriculare und rechtliche Weichenstellungen für ein familienfreundliches Medizinstudium. Ergebnisse einer Pilotstudie an der Universität Ulm

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Hubert Liebhardt - Universität Ulm, Studiendekanat Medizin, Ulm, Deutschland
  • author Katrin Stolz - Universität Ulm, Studiendekanat Medizin, Ulm, Deutschland
  • Kathrin Mörtl - York University, Psychology Department, Toronto, Kanada
  • author Katrin Prospero - Universität Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Ulm, Deutschland
  • author Johanna Niehues - Universität Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Ulm, Deutschland
  • Jörg M. Fegert - Universität Ulm, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Ulm, Deutschland

Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA). Bochum, 23.-25.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10gma77

doi: 10.3205/10gma077, urn:nbn:de:0183-10gma0778

Veröffentlicht: 5. August 2010

© 2010 Liebhardt et al.
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Gliederung

Text

Zielsetzung: Die Ulmer Studie zur Familienfreundlichkeit des Medizinstudiums zeigt, welche Faktoren ein Medizinstudium mit Kind begünstigen oder beeinträchtigen. Als Auszug aus der Gesamtstudie werden in diesem Beitrag vor allem curriculare und rechtliche Aspekte im Studiengang Medizin diskutiert.

Methodik: Im Jahr 2008/2009 wurde eine qualitative, problemzentrierte Interviewstudie mit 37 der 79 studierenden Eltern im Medizinstudium der Universität Ulm durchgeführt und darauf eine schriftliche Befragung aufgebaut, an der 45 studierende Eltern und 53 Lehrende in der Medizin teilnahmen.

Ergebnisse: Curriculare Probleme für studierende Eltern ergeben sich durch den hohen Verschulungsgrad und den starren Wochenstundenplan. Veranstaltungen oder Prüfungen an den Rändern der Kernzeiten (9.00-16.00 Uhr) erschweren die Organisation der Kinderbetreuung. 67% wünschen Vormittagsunterricht. Beispielsweise finden aber 60% der klinischen Wahlveranstaltungen in Ulm nach 16.00 Uhr statt. Klinische Blockpraktika sind meist als ganztägige und nicht in Teilzeit absolvierbare Praktika organisiert. Zeitlich isolierte, ohne an Pflichtveranstaltungen angebundene Vorlesungen erschweren das Studium genauso wie stundenweise freie Zeitfenster im Tagesverlauf. Meist vorklinische Kurse finden durch die feststehenden Versuchsaufbauten an wechselnden Wochentagen im Rotationsprinzip statt und machen Kinderbetreuung schwerer realisierbar. Kurspläne und Einteilungslisten werden zu knapp vor Semesterbeginn veröffentlicht. 58% wünschen eine Bekanntgabe zum Ende des Vorsemesters.

Die in der Studienordnung vorgegebene Semesterreihenfolge und Zugangsvoraussetzungen zu Lehrveranstaltungen verzögern u.U. das Studium, wenn Eltern nicht alle Veranstaltungen in der vorgegebenen Reihenfolge im vollen Umfang absolvieren können. Die vorgeschriebene 85%ige Anwesenheitspflicht bringt studierende Eltern gerade in Notfallsituationen, z.B. bei Krankheit des Kindes, in Schwierigkeiten. 73% wünschen sich Nachholmöglichkeiten von Fehlterminen. Die Fehlzeitregelung im PJ mit maximal 20 Fehltagen berücksichtigt nicht die Krankheitstage für Kinder. Schließlich sind die nicht-universitären Ausbildungsteile (Pflegepraktikum, Famulatur) nur in den Semesterferien und nicht in Teilzeit absolvierbar (ÄAppO §6,1 und §7,4) (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Schlussfolgerung: Die Stichworte eines familienfreundlichen Curriculums sind Flexibilisierung und Individualisierung von Studienabläufen. So sollten Alternativgruppen in Kernzeiten, idealerweise vormittags, angeboten werden. Eine frühzeitige Bekanntgabe von Rotationsplänen macht eine Planung der Vereinbarkeit verlässlich. Eine Kompensationsregelung für Fehlzeiten oder Prüfungsleistungen erhöht die Flexibilität und sollte in den Studienordnungen explizit benannt werden. Für die Fehlzeitregelung im Praktischen Jahr sollten die im SGB §45 vorgesehenen 10 Krankheitstage für Kinder berücksichtigt werden. Ebenso sollte die Teilbarkeit von Praktika grundsätzlich gesetzlich geregelt sein.