gms | German Medical Science

Forum Medizin 21, 45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Zusammenarbeit mit der Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin

22.09. - 24.09.2011, Salzburg, Österreich

Pflegeheimbewohner – sozial isoliert? Ergebnisse einer Querschnittsstudie

Meeting Abstract

45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Forum Medizin 21. Salzburg, 22.-24.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11fom130

doi: 10.3205/11fom130, urn:nbn:de:0183-11fom1301

Veröffentlicht: 14. September 2011

© 2011 Mellert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland waren Ende 2009 2,34 Millionen Menschen pflegebedürftig. 31% davon lebten in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Diese Personengruppe ist häufig multimorbide und wird regelmäßig von ihren Hausärzten besucht. Informationen über Pflegeheimbewohner und ihre Lebensumstände, die für eine ganzheitliche hausärztliche Behandlung wichtig sein könnten, sind teils schwer zugänglich, teils nicht bekannt. Wir haben Soziodemographie und soziale Einbindung bzw. Isolation von Pflegeheimbewohnern untersucht.

Material und Methoden: In der Interventionsstudie RESPEKT wurden 2009 Daten von Pflegeheimbewohnern aus insgesamt 10 Pflegeheimen in drei mittelgroßen Städten Nordrhein-Westfalens erhoben. Dazu wurden in einer Querschnittserhebung zu Beginn der Studie die Bewohner und ihre Pflegekräfte befragt sowie die Akten eingesehen. Neben soziodemographischen Angaben wurden u.a. Gebrechlichkeit (Pflegestufe, Barthel-Index) und (nicht-professionelle) Sozialkontakte erfasst.

Ergebnisse: Insgesamt haben 617 Bewohner an der Studie teilgenommen. Die Auswertung wird im Sommer 2011 abgeschlossen sein. Nach vorläufigen Analysen sind die Heimbewohner im Durchschnitt 84 Jahre alt (Median 86 Jahre) und zu 74% weiblich. Der Anteil der Frauen steigt mit zunehmendem Alter an, so sind bei den über 90-jährigen 93% weiblich. 3% der Bewohner besitzen keine Pflegestufe, 31% Pflegestufe I, 39% Pflegestufe II und 27% Pflegestufe III. 64,7% der Bewohner haben einen gesetzlich bestellten Betreuer. Die Betreuer sind dabei in 50% der Fälle Berufsbetreuer und in 34% die eigenen Kinder. Als wichtigste Bezugspersonen geben die Bewohner ihre eigenen Kinder (44,2%) an, gefolgt von Geschwistern (9,5%), Partnern (7,9%), Pflegekräften (6,3%) und Enkeln (5,7%). Sie berichten, im Mittel von drei (Median: zwei) Personen besucht zu werden. 56% der Bewohner geben an, mindestens einmal die Woche besucht zu werden, 23%, seltener als einmal im Monat Besuch zu erhalten. Die Bewohner, welche nach eigener Angabe selten oder nie Besuch erhalten, haben gegenüber der Gesamtstichprobe etwas häufiger keine Pflegestufe (5,6%), sind überproportional häufig Männer (37,5%) und haben eher häufiger eine gesetzliche Betreuung (81,3%). Hiervon sind besonders die Bewohner mit Berufsbetreuer betroffen: 52,9% von ihnen gibt an, (fast) keinen Besuch zu erhalten.

Schlussfolgerung/Implikation: Der durchschnittliche Heimbewohner ist hochbetagt, erheblich pflegebedürftig und in drei von vier Fällen weiblich. Knapp über die Hälfte der Bewohner gibt regelmäßige soziale Kontakte an. Dem steht mit ca. 25% der Bewohner eine nicht unbedeutende Gruppe gegenüber, die nach eigener Angabe fast oder nie Besuch bekommt und somit möglicherweise von sozialer Isolation betroffen und dementsprechend spezifisch bedürftig ist. Diese häufig männlichen, tendenziell weniger pflegebedürftigen und beruflich betreuten Bewohner sollten u.a. von Hausärzten identifiziert und ihre Bedürfnisse mit Hilfe qualitativer Forschung näher analysiert werden.