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Forum Medizin 21, 45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Zusammenarbeit mit der Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin

22.09. - 24.09.2011, Salzburg, Österreich

Familienkreise zeichnen

Meeting Abstract

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45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Forum Medizin 21. Salzburg, 22.-24.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11fom121

doi: 10.3205/11fom121, urn:nbn:de:0183-11fom1216

Veröffentlicht: 14. September 2011

© 2011 Panhofer.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Das Zeichnen von Familienkreisen gehört zu den Familiendiagnose-Techniken, hat jedoch auch eine therapeutische Auswirkung. Systemische Familiendiagnose wird in der Psychotherapie und Psychiatrie häufig benutzt, ist jedoch in der Allgemeinmedizin wenig bekannt. Meist benötigt man viel Zeit und die Anwesenheit der ganzen Familie, was jedoch bei der Familienkreismethode (fortan FKM genannt) nicht der Fall ist.

Material und Methoden:

1.
Indikation: Wann immer die Ärztin auf die Idee kommt, dass die Krankheit des Patienten mit seiner Familie oder Umwelt zu tun hat oder wenn die Beratungsursache unklar ist, lädt sie den Patienten ein, einen Familienkreis zu zeichnen. Nützliche Wörter: „überraschend“, „neu“, „einfach“, „klar“....
2.
Der Arzt zeichnet einen Kreis auf ein Blatt Papier und zeigt wie es geht.
3.
Der Patient wird gebeten, sich selbst und seine Familienmitglieder als Kreise innerhalb (oder auch außerhalb) des großen Kreises einzuzeichnen. Auch Freunde, Feinde, die Arbeit, Gott, Hobbys, Haustiere, etc. können platziert werden (was immer die Patientin für wichtig erachtet). Das Zeichnen sollte nur wenige Minuten dauern. Manche Patienten wollen kurz allein gelassen werden.
4.
Die Kreise werden bezeichnet, um sie später zu identifizieren.
5.
Die Patienten werden ermutigt, ihre Interpretation der Zeichnung zu beschreiben und über Gefühle und Bedeutungen zu besprechen.
6.
Nützliche reflektive Fragen: Mögen Sie das Bild? Ist da etwas für Sie Überraschendes? Wollen Sie etwas ändern? Was brauchen Sie für die Veränderung ? Akzeptieren Sie alle Erklärungen des Patienten, auch wenn sie skurill erscheinen. Vermeiden Sie gutgemeinte Ratschläge. Die Patientin ist die Expertin für ihre Umwelt.
7.
Der Patient und die Ärztin sprechen über die Ressourcen und Ideen des Patienten, z.B. darüber, ob es für ihn einen anderen, besseren Platz im Kreis geben könnte, Das kann dann in einer andern Farbe eingezeichnet werden. Ein Prozess beginnt.

Ergebnisse:

FKM ist schnell,
weil die Methode leicht zu erklären ist.

FKM ist semiotisch begründet,
weil der Patient Zeichen benützt und die Familie auf einer nonverbalen Ebene zuerst beschreibt.

FKM ist narrativ,
weil der Patient seine Geschichte erzählt, und seiner Zeichnung Bedeutung gibt.

FKM basiert auf Empathie,
weil der Arzt in der Welt der Patientin spazieren geht.

FKM ist systemisch,
weil sie Beziehungen beschreibt.

FKM ist konstruktivistisch,
weil der Patient seine Wahrheit erzählt wie er sie sieht.

FKM ist prozessorientiert,
weil sie eine Aussicht für Veränderung bietet.

FKM könnte „evidence-based“ sein,
wenn sie als Werkzeug in unserem Hausarzt-Alltag evaluiert würde.

Schlussfolgerung/Implikation: Familienkreise zeichnen ist wie ein „systemischer“ Schnappschuss. Es ist als ob der Arzt und die Patientin gemeinsam wie Adler mit scharfen Augen über der Familiensituation der Patientin kreisen. Nichts ist falsch oder schlecht. Der Patient ist Experte für sich selbst.


Literatur

1.
Hegemann Asen T. Familienmedizin für die Praxis. Stuttgart - New York: Schattauer-Verlag; 2000.
2.
Cierpka M, et al. Handbuch der Familiendiagnostik. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag; 2003.
3.
Iseli C, et al. Identität-Begegnung-Kooperation. Köln: GwG-Verlag; 2002.