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„Bloß diesen Sinn, kann man nicht so gut verstehen … wegen den Wörtern“ – Nutzertestung von Gesundheitsinformationen des IQWiG durch sozial benachteiligte Personen
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Veröffentlicht: | 10. März 2014 |
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Hintergrund: Obwohl sozial Benachteiligte zur Bevölkerungsgruppe mit höchster Risikoprävalenz gehören, werden diese vermutlich durch gesundheitsbezogene Informations- und Präventionsangebote nur ungenügend erreicht. Zugangshindernisse stellen finanzielle, soziale, kulturelle aber auch sprachliche Faktoren dar. Über Präferenzen und Erwartungen dieser Zielgruppe bezüglich der Gestaltung von Gesundheitsinformationen ist wenig bekannt. Im Rahmen einer Nutzertestung des IQWiG sollte deshalb die Bedarfsgerechtigkeit verschiedener Gesundheitsinformationen durch sozial Benachteiligte überprüft werden.
Methoden: Die empirische Datenbasis bilden insgesamt 28 fokussierte Einzelinterviews, die zu 7 Produkten (vier Texte und je ein Film, Quiz, Flyer) geführt wurden. Der Zugang zur Zielgruppe wurde durch einen settingbezogenen, niedrigschwelligen Ansatz über Schlüsselpersonen in deprivierten Stadtteilen in Leipzig realisiert. Alle Befragten sind auf soziale Transferleistungen angewiesen und verfügen maximal über einen Hauptschulabschluss bzw. den niedrigsten Abschluss des ehemaligen DDR-Schulsystems. Die Gespräche wurden digital aufgezeichnet, entlang der Leitfragen in Wortprotokollen transkribiert und inhaltsanalytisch nach Mayring ausgewertet.
Ergebnisse: Das Medienformat Film wird aufgrund der Bildhaftigkeit der Inhalte durchgehend positiv bewertet. Bei textbasierten Gesundheitsinformationen gefallen insbesondere die übersichtliche Textstruktur und Fallbeispiele. Die Glaubwürdigkeit der Informationen wird durchweg bestätigt. Probleme zeigen sich im Hinblick auf zahlreiche Fach- und Fremdwörter, die trotz Erläuterung im Text nicht verstanden werden. Kompakte Inhalte und das Anführen mehrerer Behandlungsalternativen überfordern. Fehlinterpretationen von Prozentangaben oder verneinten Häufigkeiten behindern das Verstehen von Gefährdungspotentialen. Die Befragten wünschen sich eindeutige Handlungsempfehlungen, die ihnen eine aktive informierte Entscheidungsfindung abnehmen. Großes Interesse besteht an alltagspraktischen Hinweisen und der Berücksichtigung persönlicher Betroffenheit.
Schlussfolgerung: Die Gesundheitsinformationen des IQWiG werden den Bedürfnissen der Zielgruppe nur eingeschränkt gerecht. Dabei geht es weniger um sprachliche Vereinfachung als um mehr Lebensweltbezug und alltagspraktische Wissensvermittlung. Empirische Daten zur wirksamen Dissemination von Gesundheitsinformationen in dieser Zielgruppe sind dringend nötig.