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Entscheiden trotz Unsicherheit: 14. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

15.03. - 16.03.2013, Berlin

Die Wirksamkeit, Sicherheit und Kosteneffektivität von manueller Therapie muskuloskelettaler Erkrankungen – eine systematische Übersicht systematischer Übersichten

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Andreas Sönnichsen - Institut für Allgemeinmedizin, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
  • author Bernhard Hansbauer - Institut für Allgemeinmedizin, Paracelsus Universität, Salzburg, Österreich
  • author Nina Enthaler - Institut für Allgemeinmedizin, Paracelsus Universität, Salzburg, Österreich
  • author Anna Vögele - Institut für Allgemeinmedizin, Paracelsus Universität, Salzburg, Österreich
  • author Angelika Mahlknecht - Institut für Allgemeinmedizin, Paracelsus Universität, Salzburg, Österreich
  • author Tim Johansson - Institut für Allgemeinmedizin, Paracelsus Universität, Salzburg, Österreich

Entscheiden trotz Unsicherheit. 14. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 15.-16.03.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13ebmP84

doi: 10.3205/13ebm085, urn:nbn:de:0183-13ebm0856

Veröffentlicht: 11. März 2013

© 2013 Sönnichsen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Muskuloskelettale Beschwerden sind ein häufiger Beratungsanlass in der primärmedizinischen Versorgung. Die manuelle Therapie stellt eine mögliche Therapieoption dar, aber Kosteneffektivität und Nutzen für den Patienten sind nicht gesichert. Mit diesem Review soll es Arzt und Patient auch bei insgesamt unsicherer Datenlage ermöglicht werden, eine individuelle informierte Therapieentscheidung zu treffen.

PICO-Fragestellung: Führt die Durchführung manueller Therapie bei Patienten mit muskuloskelettalen Schmerzen im Vergleich zu Placebo, anderen physiotherapeutischen Anwendungen, medikamentöser Therapie oder keiner Therapie zu einer Reduktion der Schmerzen, Verbesserung der Funktion, Kosteneinsparung oder Schädigung?

Methode: Systematische Übersichtsarbeit systematischer Übersichten. Die medizinischen Datenbanken Medline und die Cochrane Database of Systematic Reviews wurden von ihrer Entstehung bis Jänner 2012 auf relevante systematische Reviews durchsucht. Zusätzlich erfolgten eine Handsuche und eine Update-Suche nach aktuellen RCTs, die in keine der systematischen Übersichtsarbeiten inkludiert wurden.

Ergebnisse: Die Datenbanksuche identifizierte 277 Arbeiten, von denen 77 die Einschlusskriterien erfüllten. Über die Handsuche wurden weitere 46 Arbeiten sowie 11 RCTs inkludiert. Die Evidenzlage für die Wirksamkeit manueller Therapie bei muskuloskelettalen Beschwerden ist aufgrund des Mangels an qualitativ hochwertigen Studien eingeschränkt. Ein belastbarer Nachweis für einen klinisch relevanten Nutzen aus validen RCTs oder Metaanalysen liegt nicht vor. Lediglich aus einzelnen kontrollierten Studien mit eingeschränkter Validität lässt sich ein möglicher Nutzen bei Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Kreuzschmerzen, Impingement Syndrom, Gonarthrose, Hallux valgus und plantarer Fasziitis ableiten, dessen klinische Relevanz aber unklar ist. Die Betrachtung der Literatur lässt eine ideologische Spaltung in Befürworter und Gegner erkennen, die jeweils die Studienergebnisse in ihrem Sinne interpretieren. Vor einer generellen Empfehlung müssten die vorliegenden positiven Ergebnisse in qualitativ hochwertigen RCTs bestätigt werden. Das Risiko der manuellen Therapie für schwerwiegende Komplikationen ist gering, aber in Anbetracht des fraglichen Nutzens zu beachten.

Schlussfolgerung: Bei fehlenden Alternativen oder Versagen der Standardtherapie (hausärztliche Beratung, Bewegungstherapie) erscheint eine Entscheidung für manuelle Therapie im individuellen Fall trotz des Fehlens belastbarer Studienevidenz vertretbar.