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Evidenz und Entscheidung: System unter Druck
10. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

05.03. - 07.03.2009 in Berlin

Grundlagen der Begutachtung und Übersicht der Verfahren

Meeting Abstract

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  • corresponding author presenting/speaker Herbert Rasche - Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern, Bremen, Deutschland
  • Johann Neu - Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern, Bremen, Deutschland

Evidenz und Entscheidung: System unter Druck. 10. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Berlin, 05.-07.03.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09ebmS6.2

doi: 10.3205/09ebm105, urn:nbn:de:0183-09ebm1057

Veröffentlicht: 4. März 2009

© 2009 Rasche et al.
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Gliederung

Text

In der Schlichtungsstelle Hannover kooperieren Mediziner und Juristen. Ziel der Arbeit ist die außergerichtliche Klärung von Streitigkeiten, denen Schadenersatzansprüche von Patienten wegen vermeintlich oder tatsächlich fehlerhafter ärztlicher Behandlung zugrunde liegen. Die Teilnahme der in Anspruch genommenen Ärzte oder Kliniken bzw. der zuständigen Versicherungsträger am Schlichtungsverfahren ist freiwillig. Das Verfahren ist schriftlich. Die Beurteilung erfolgt unter Berücksichtigung der hierzu erforderlichen Krankenunterlagen sowie Stellungnahmen der Betroffenen zu den Vorwürfen und den Bewertungen auswärtiger Gutachten. Eine Aufklärungsproblematik wird bei entsprechender Rüge geprüft. Es wird dargelegt, weshalb Ansprüche für begründet oder unbegründet gehalten werden. Den Verfahrensbeteiligten soll eine möglichst „gerichtsfeste“ Beurteilung zur Verfügung gestellt werden. Kein Beteiligter muss die Entscheidungen der Schlichtungsstelle akzeptieren. Der Zivilrechtsweg wird durch deren Tätigkeit nicht ausgeschlossen. Basis von Entscheidungen der Schlichtungsstelle ist das medizinische Sachverständigengutachten. Die Kernfragen lauten: Wurde bei der patientenseits beanstandeten Behandlung gegen geltende Standards verstoßen, also fehlerhaft gehandelt. Hätte der Fehler in der damaligen Situation vermieden werden können? Falls ein vermeidbarer Fehler vorliegt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind fehlerbedingt eingetreten? Geprüft wird, ob der medizinische Standard mit der erforderlichen Sorgfalt gewährleistet war. Evidenzbasierte Leitlinien können dabei neben anderen Kriterien berücksichtigt werden, dürfen jedoch nicht unbesehen als alleiniger Maßstab für den Standard übernommen werden und können die individuelle gutachterliche Würdigung nicht ersetzen. Die Schlichtungsstelle hat Faktoren/Kriterien entwickelt, die im konkreten Einzelfall Entscheidungen über Einhaltung oder Nichteinhaltung des Standards nachvollziehbar machen sollen. Voraussetzung für geltend gemachte Ansprüche im Arzthaftungsrecht ist, dass ein auf einem schuldhaften (fahrlässigen) Behandlungsfehler beruhender Schaden nachgewiesen werden kann. Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Einzelfall erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wird. Der Nachweis fahrlässigen Verhaltens und des dadurch verursachten Gesundheitsschadens obliegt grundsätzlich dem Patienten. Aufgrund dieser Beweislastverteilung kann es sein, dass zwar ein Behandlungsfehler festgestellt wird, die Ansprüche des Patienten aber dennoch unbegründet sind, weil der Kausalitätsnachweis für einen darauf zurückzuführenden Schaden nicht geführt ist. Juristische Ausnahmetatbestände können zu einer Verschiebung der Beweislast auf die Behandlungsseite führen. Die Schlichtungsstelle prüft daher stets auch, ob Umstände vorliegen, die eine Beweislastumkehr zu- gunsten des Patienten bewirken können, wie z.B. schwere Behandlungsfehler, voll beherrschbare Risiken, Befunderhebungsmängel oder Dokumentationsmängel. In den Jahren 2000 bis 2008 wurden 23843 (100%) Verfahren mit einer Sachentscheidung (Bescheid nach medizinischer und rechtlicher Begutachtung des Sachverhalts) abgeschlossen. Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmängel wurden in 15231 (63,9%) Verfahren verneint, in 8612 (36,1%) Fällen bejaht. Von diesen 8612 Fällen wurden in 6605 Fällen (27,7%) Behandlungsfehler/Risikoaufklärungsmängel als Ursache eines Gesundheitsschadens (Kausalität) mit der Folge von begründeten Schadenersatzansprüchen konstatiert. In 17238 (72,3%) Fällen wurden die Ansprüche als unbegründet eingestuft. An den abgeschlossenen Schlichtungsverfahren waren insgesamt 26862 Ärzte beteiligt, insbesondere Angehörige der Fachgebiete Orthopädie/Unfallchirurgie/Handchirurgie 8811 (32,8%), der Gynäkologie/Geburtshilfe 3091 (11,5%) der Thorax- und Abdominalchirurgie 3734 (13,9%) sowie der Inneren Medizin und Allgemeinmedizin 3880 (14,4%). Die verbleibenden 7346 (27,3%) Ärzte verteilen sich auf die anderen medizinischen Fachdisziplinen.