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22. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen

18. bis 21.06.2009, Nürnberg

Aktuelle Prophylaxe der postoperativen Endophthalmitis

Meeting Abstract

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  • W. Behrens-Baumann - Universitätsklinikum, Magdeburg Direktor der Augenklinik, Magdeburg

22. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen. Nürnberg, 18.-21.06.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09docH 5.1

doi: 10.3205/09doc021, urn:nbn:de:0183-09doc0211

Veröffentlicht: 9. Juli 2009

© 2009 Behrens-Baumann.
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Gliederung

Text

Bei der Prophylaxe der postoperativen Endophthalmitis muss sowohl zwischen prä-, intra- und postoperativen Maßnahmen als auch zwischen medikamentösen und chirurgischen differenziert werden.

Derzeit wird die prospektive, randomisierte ESCRS-Studie an 16.603 Patienten intensiv diskutiert. In dieser Studie erhielten alle Patienten PVP-Iod 5% >3' vor OP-Beginn in den Bindehautsack und auf die Hornhaut. Vier Gruppen wurden gebildet. Gruppe A erhielt kein intrakamerales Cefuroxim und keine perioperativen Levofloxacin-AT (Endophthalmitisrate 0,326%), Gruppe B nur intrakamerales Cefuroxim (Endophthalmitisrate 0,075%), Gruppe C nur perioperative Levofloxacin-AT (Endophthalmitisrate 0,25 %) und Gruppe D intrakamerales Cefuroxim plus perioperative Levofloxacin-AT (Endophthalmitisrate 0,05%). Die Hauptaussagen der Studie (J Cataract Refract Surg 2007, 33: 978-88) sind: Cefuroxim 1 mg in 0,1 ml intrakameral am OP-Ende reduziert die Endophthalmitisrate 4,92-fach, clear cornea incision (CCI) erhöht die Endophthalmitisrate 5,88-fach, ebenso Silicon-IOL 3,12-fach. Zur ersten Aussage (Reduzierung der Endophthalmitisrate) wurde heftig Kritik laut: Wieso hohe Endophthalmitisrate in Kontrollgruppe (0,326%) im Vergleich zur Literatur mit 0,1%? War die OP-Technik primär gleichmäßig über die Studienzentren verteilt? Wurde der Wundverschluss immer überprüft? Mit Naht oder ohne? Korrelation der Endophthalmitis zur OP-Technik und Operateur? Außerdem wurden Levofloxacin-AT erst ab dem 1. postoperativen Tag und nicht sofort gegeben. Diese Fragen sind bisher nicht suffizient beantwortet worden, so dass die Studie (noch) nicht als „verbindlich“ angesehen werden kann – zumal gewisse Nachteile (wirkungslos bei Pseudomonas, Enterokokken, Resistenzentwicklung, wenn bei allen intraokularen OP, mögliche allergische Reaktionen) nicht außer Acht gelassen werden sollten.

Hinzu kommt, dass die antibakterielle Aktivität von Antibiotika je nach Erregerempfindlichkeit erst frühestens nach 3–4, oft erst nach 6–8 Stunden, voll oft erst nach 24 Stunden einsetzt. Während Cefuroxim intrakameral nach 1 Stunde um das 4-fache abnimmt, beginnt die Wirkung dieses Antibiotikums erst nach 8–12 Stunden.

Während präoperative antibiotische Augentropfen eine gewisse Dekontamination der Bindehaut erreichen können, wird die intraokulare Kontamination dadurch allerdings nicht reduziert. Hingegen bewirken 5%-ige PVP-Iod-Tropfen eine Endophthalmitisreduktion von 0,24% auf 0,06 % (p<0,03) [10] – und sind damit als verbindlich anzusehen. Dieses steht im Einklang mit der Leitlinie zur Prophylaxe und Therapie von Endophthalmitiden der Deutschsprachigen Gesellschaft für Intraokularlinsen-Implantation, interventionelle und refraktive Chirurgie (DGII) [2] und mit den ESCRS Guidelines on prevention, investigation and management of post-operative endophthalmitis [1]. Alternativ (bei Iodallergie) kann auf 0,02% Polihexanid ausgewichen werden. Für die Hautdesinfektion wird 10% PVP-Iod bzw. alternativ 40% Ethanol empfohlen.

Viel zu wenig wird die chirurgische Technik zur Prophylaxe der Endophthalmitis beachtet [3]. In zwei prospektiven Studien an insgesamt über 28.000 Patienten konnte für die „clear cornal incision“ (CCI) temporal ein etwa 5-fach höheres Risiko für eine Endophthalmitis gegenüber der „corneal scleral incision“ (CSI) superior festgestellt werden. Falls der Tunnel nicht quadratisch ist, wird daher eine Naht empfohlen oder mindestens eine stromale Hydratation. Wundprobleme sind intraoperativ nicht immer offenkundig und mögen auch vom intraokularen Druck (IOD) abhängig sein, der postoperativ durchaus schwankt; in über 20% konnte ein IOD von 5 mmHg oder weniger nach CCI festgestellt werden [9] Kneifen der Lider oder sogar normaler Lidschlag kann den IOD beim Menschen und beim Tier beeinflussen [4], [7], [8]. Dabei kann sich der Augapfel durch den Lidandruck um 0,7–1,6 mm nach hinten bewegen [5]. Dieser enorme Lidandruck erklärt die erhebliche Fluktuation des IOD in der postoperativen Periode [11] und hat natürlich auch Einfluss auf die Wunddichtigkeit.

Mittels optischer Kohärenztomografie (OCT) konnte bei kleinem Ventilschnitt (self-sealing clear corneal incision) gezeigt werden, dass vorübergehende Fluktuationen des IOD zum Klaffen der noch nicht verheilten Wunde führen können [6], [12]. Histologisch konnte bei CCI gar gezeigt werden, dass Tuschepartikel von der Bulbusoberfläche durch die Wunde in das Hornhautstroma gelangen können [6].

Möglicherweise sind die Bedingungen für die Entwicklung einer Endophthalmitis in einer hypotonen Vorderkammer auch anders als in einer vollen. So können Patientenkeime (z. B. S. epidermidis) von Bindehaut, Lidkante oder Wimpern durch den (vorübergehend) offenen Tunnel in das Auge gelangen. Das wird bei temporaler Tunnellage eher möglich sein als bei mehr „geschützter“ superiorer Lage unter dem Oberlid oder gar bei von Bindehaut bedecktem Skleratunnel. Während bei voller Vorderkammer durch die normale Kammerwasser-Austauschrate körpereigene Abwehrmechanismen etwaige Erreger relativ rasch eliminieren können, mag dies bei hypotoner Vorderkammer anders ein, so dass intrakamerale Keime dort länger vital bleiben und sich vermehren können.

In einer solchen Situation, z. B. 6 Stunden postoperativ, werden antibiotische Augentropfen prohibitiv wirken, während ein der Spüllösung beigemengtes oder am OP-Ende eingegebenes Antibiotikum aufgrund des Kammerwasser-Austausches bereits eliminiert ist.

Zusammenfassend ist präoperativ 5% PVP-Iod Standard, eine topische Antibiose zur Keimreduzierung sinnvoll, intraoperativ ein stabiler, dichter Tunnelverschluss auch bei Druck von außen (mit oder ohne Naht) notwendig und postoperativ ein Kapselverband sowie eine topische Antibiose noch am OP-Tag sinnvoll.


Literatur

1.
Barry P, Behrens-Baumann W, Pleyer U, Seal D. ESCRS Guidelines on prevention, investigation and management of post-operative endophthalmitis, Version 2. European Society for Cataract & Refractive Surgery 2007;1-36.
2.
Behrens-Baumann W. Augustin A J, Dick B, Fabrian E, Huber-Spitzy V, Klauß V, Kramer A, Pitten FA, Pleyer U, Zeitz J. Leitlinie zur Prophylaxe und Therapie von Endophthalmitiden. Hyg Med. 2005;30:342-362. Erratum in Hyg Med. 2005;30:409.
3.
Behrens-Baumann W. Zur chirurgischen Prophylaxe der postoperativen Endophthalmitis nach Phakoemulsifikation:. Eine kurze Übersicht (und Wertung). Klin Monatsbl Augenheilkd. 2008;225:924-8. DOI: 10.1055/s-2008-1027612 Externer Link
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Percicot CL, Schnell CR, Debon C, et al. Continuous intraocular pressure measurement by telemetry in alpha-chymotrypsin-induced glaucoma model in the rabbit: effects of timolol, dorzolamide, and epinephrine. J Pharmacol Toxicol Methods. 1996;36:223-8. DOI: 10.1016/S1056-8719(96)00130-X Externer Link
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Shingleton BJ, Wadhwani RA, O'Donoghue MW, et al. Evaluation of intraocular pressure in the immediate period after phacoemulsification. J Cataract Refract Surg. 2001;27:524-7. DOI: 10.1016/S0886-3350(00)00641-6 Externer Link
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12.
Taban M, Rao B, Reznik J, et al. Dynamic morphology of sutureless cataract wounds - effect of incision angle and location. Surv Ophthalmol. 2004;49:62-71. DOI: 10.1016/j.survophthal.2004.01.003 Externer Link