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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Prevention of common mental disorders in companies – The viewpoint of employees in a standardized survey

Meeting Abstract

  • Stephanie Burgess - Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Florian Junne - Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Eva Rothermund - Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Harald Gündel - Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Germany
  • Stephan Zipfel - Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Monika A. Rieger - Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany
  • Martina Michaelis - FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg, Freiburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV119

doi: 10.3205/17dkvf002, urn:nbn:de:0183-17dkvf0028

Veröffentlicht: 26. September 2017

© 2017 Burgess et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In den Arbeitsunfähigkeitsstatistiken wurde in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen (PPE) verzeichnet. Zudem mehren sich Studien zum Zusammenhang mit betrieblichen Risikofaktoren. Entsprechend sollten Präventionsansätze auch das betriebliche Setting einschließen. Erkenntnisse über Sichtweisen von Beschäftigten selbst zur Ursache von PPE bei Beschäftigten und der Bedeutung von Prävention fehlten bislang. Darüber hinaus sollten aus der standardisierten Befragung Hinweise auf Optimierungsmöglichkeiten gewonnen werden.

Fragestellungen: Welche betrieblichen Präventionsmaßnahmen für PPE sehen Beschäftigte als besonders wichtig an? Welchen statistischen Einfluss hierauf hat die subjektiv erfasste Bedeutung verschiedener Arbeitsbelastungen für die Entste-hung von PPE?

Methoden: Die Befragung wurde 2016 bei einem Online-Access-Panel durch das Marktforschungsinstitut Research Now durchgeführt. Zielgruppe waren jeweils 300 abhängig Beschäftigte in verschiedenen Branchen, zusammengefasst als sog. Job-typen "Blue" (Arbeiter/Handwerker) und "Non-Blue Collar Worker" (Büro-/, Dienstleistungsberufe).

Die Dimensionen der selbst entwickelten Items wurden explorativ-faktorenanalytisch validiert (Hauptkomponentenanalyse, Eigenwert > 1, Varimaxrotation) und die interne Skalenkonsistenz mittels Cronbach´s α überprüft.

Die Auswertung der Mittelwertscores erfolgte deskriptiv sowie mittels multivariater linearer Regression (Methode: Enter) mit den möglichen Prädiktoren Jobtyp, Be-triebsgröße, Varianz in der Erfahrung betrieblicher Settings (Anzahl früherer Arbeit-geber) und Attribution von betrieblichen Risikofaktoren (drei Mittelwertscores: "Ar-beitsinhalte" (4 Items), "Arbeitsorganisation" (3), "Soziale Beziehungen und Führung" (6) und ein Globalitem "Arbeitsumgebung".

Ergebnisse: Mit 610 Fragebögen betrug der Nettorücklauf 75,4% (n=193 "Blue" und n=417 "Non-Blue Collar Worker"; Codierung 1 bzw. 2). Die faktorenanalytische Lö-sung (aufgeklärte Varianz 58,8%) führte zu folgenden Dimensionen: subjektive Be-deutung von… 1. "Gestaltung von Arbeit und Qualifikation" (7 Items), 2. "Fortbil-dung und Coaching für Führungskräfte und Beschäftigte" (6 Items) und 3. "Angeboten zur Verhaltensprävention für Beschäftigte" (5 Items). Die Dimensionen waren mit Cronbach´s α= 0.84, 0.87 und 0.78 konsistent.

Die vorgeschlagenen betrieblichen Präventionsmaßnahmen wurden mehrheitlich als "wichtig" bis "sehr wichtig" eingestuft (76-94% auf der Itemebene). Über fast alle regressionsanalytischen Auswertungen hinweg war das Antwortverhalten der Angehörigen beider Jobtypen gleich; Ausnahme: "Blue Collar Worker" fanden die "Gestaltung von Arbeit und Qualifikation" (Dimension 1) vergleichsweise wichtiger (β=-.76; p=.035, R2=.25).

Zudem stiegen die Werte, je bedeutsamer "Soziale Beziehungen und Führung" und "Arbeitsinhalte" als Entstehungsursachen für PPE angesehen wurden (β=.52/.50; p<.001/.001; R2=.28/.27).

Auch die Dimensionen 2 und 3 wurden umso wichtiger erachtet, je höher die Kausalattribution von "Arbeitsinhalt"- Risikofaktoren ausfiel (β=.88; p<0.001; R2=.15).

Die Bedeutungsattribution erhöhte sich gleichfalls mit zunehmender Betriebsgröße (alle drei Dimensionen) sowie mit zunehmender betrieblicher Erfahrungsvarianz (Dimension 1: "Gestaltung von Arbeit und Qualifikation").

Diskussion/Schlussfolgerungen: Die überwiegende Mehrheit aller Beschäftigten in unserer Stichprobe erachteten die meisten von uns vorgelegten betrieblichen Präventionsmaßnahmen als wichtig zur Vorbeugung von PPE bei Beschäftigten. Inwieweit sich die theoretische Zustimmung zu solchen Maßnahmen, deren positive Effekte als belegt gelten (z. B. [1]), auch auf die individuelle Bereitschaft zur aktiven Teilnahme niederschlägt, wäre zu diskutieren.

Das in Klein- und Mittelbetrieben (KMU) vergleichsweise weniger vorhandene be-triebliche Gesundheitsmanagement [2] scheint sich auch in den Einstellungen von Beschäftigten widerzuspiegeln, gemessen am statistischen Einfluss der Betriebsgröße als Prädiktor für die Bedeutung von betrieblichen Präventionsmaßnahmenaus Sicht von Beschäftigten. Auf welchen Gründen diese Beobachtung beruht, muss untersucht und diskutiert werden.

Praktische Implikationen: Für die Planung von betrieblichen PPE- Präventions-maßnahmen sind für die Betriebsgröße "maßgeschneiderte" und von Beschäftigten akzeptierte Maßnahmen für die Adhärenz zur Teilnahme notwendig. Unsere Studie zeigt, dass Bewusstsein und Akzeptanz von Beschäftigten in diesem Feld grundsätzlich gegeben sind. Dies deckt sich mit z.B. Ergebnissen umfangreicher Beschäftigtenbefragungen der AOK, in denen ebenso ein hohes Bewusstsein für betriebliche Präventionsmaßnahmen deutlich wird [3].