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14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

7. - 9. Oktober 2015, Berlin

Routinedatenbasierte Evaluation der populationsbezogenen Integrierten Versorgung Gesundes Kinzigtal (IVGK) – Ergebnisse zur Versorgungsqualität für die Jahre 2006 bis 2011

Meeting Abstract

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  • Ingrid Schubert - Universität zu Köln, PMV forschungsgruppe, Köln, Deutschland
  • Achim Siegel - Universitätsklinikum Freiburg, Lehrbereich Allgemeinmedizin, Freiburg, Deutschland
  • Ingrid Köster - Universität zu Köln, PMV forschungsgruppe, Köln, Deutschland

14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 07.-09.10.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocFV09

doi: 10.3205/15dkvf095, urn:nbn:de:0183-15dkvf0952

Veröffentlicht: 22. September 2015

© 2015 Schubert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Managementgesellschaft Gesundes Kinzigtal GmbH hat mit der AOK Baden-Württemberg sowie mit der LKK in Baden-Württemberg 2006 einen populationsbezogenen Vertrag zur Integrierten Versorgung nach §140 SGB V für die Region Kinzigtal ab 1.11.2005 abgeschlossen. Im Kinzigtal leben ca. 32.000 Versicherte dieser beiden Krankenkassen. Durch Präventionsmaßnahmen und eine Optimierung der Versorgung sollten Morbidität und komparative Kosten in dieser Region gesenkt werden. Da bei dem Vertrag ein Einspar-Contracting vereinbart wurde, kommt der Evaluation der Versorgungsqualität eine hohe Bedeutung zu. Aus diesem Grund sollte auf der Basis von GKV-Datenevaluiert werden, ob Über-, Unter- oder Fehlversorgung verringert werden konnte bzw. neu aufgetreten ist.

Fragestellung: Erfassung der Versorgungsqualität im zeitlichen Verlauf auf der Basis von Routinedaten.

Methode: Datengrundlage: pseudonymisierte Versichertendaten (hier AOK in 2011: 21.411 Versicherte, davon 5.268 mit integrierter Versorgung). Die Untersuchung erfolgte als kontrollierte Studie: Die Versicherten im Kinzigtal 18 Jahre und älter (Vollerhebung) wurden mit einer Zufallsstichprobe von 500.000 Versicherten derselben Krankenkasse aus Baden-Württemberg (nicht im Kinzigtal wohnend) verglichen (Kontrollgruppe). Insgesamt wurden 37 Kennziffern für Versorgungsqualität und Inanspruchnahme untersucht. 16 Prozess-Indikatoren, aus Leitlinien und Literatur abgeleitet, beziehen sich auf Über-, Unter- und Fehlversorgung. Outcome–Indikatoren waren Frakturen, vermeidbare Krankenhausaufenthalte (ambulatory care sensitive conditions) und Mortalität. Eine für die IVGK tendenziell positive (negative) Entwicklung von 2006-2011 wurde angenommen, wenn sich seit 2006 das Risiko (ausgedrückt als odds ratio) der Kinzigtalpopulation für eine Über-, Unter- oder Fehlversorgung im Vergleich zur Kontrollgruppe reduziert (erhöht) hat. Als neutral wurden Veränderungen bezeichnet, die dem säkularen Trend folgten. Bei der Berechnung des odds ratio (im Querschnitt der Jahre) und bei der Cox-Regression (Kohortenanalysen) wurde neben Alter und Geschlecht auf Multimorbidität und Charlson-Index adjustiert. Als Basisjahre zur Erhebung von Versichertencharakteristika vor der Intervention dienten die Daten der Jahre 2004- 2005.

Ergebnisse: Von 16 Indikatoren zur Versorgungsqualität beziehen sich 6 auf Überversorgung (davon 5 im Verlauf als positiv, einer als neutral bewertet), 10 auf Unterversorgung (4 positiv, 4 neutral, 2 negativ). 13 Indikatoren weisen einen Arzneimittelbezug auf (9 positiv, 2 neutral und 2 weitere negativ bewertet). Zwei weitere Indikatoren erfassen Kontrolluntersuchungen (Augenarzt für Diabetiker; Kardiologe für Patienten mit Herzinsuffizienz). Hier zeigten sich keine Unterschiede zwischen den beiden Populationen. Das Risiko für eine Fraktur bei Patienten mit bekannter Osteoporose war in der Kinzigtalpopulation im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant geringer (HR: 0,809; 95% CI: 0,740–0,885; p <0,0001; positiv bewerteter Outcome- Indikator), das Risiko für einen als vermeidbar angesehenen Krankenhausaufenthalt reduzierte sich etwas (2005: OR 1,05; 2011: 1,02; ns; als neutral bewertet). Das Risiko zu versterben war in der Kinzigtalpopulation geringer als in der Vergleichsgruppe (HR: 0,944; 95% CI; 0,899–0,991; p 0,0194; als positiv bewertet).

Diskussion: Eine Negativentwicklung der Versorgungsqualität ist für die Region Kinzigtal nicht zu erkennen, stattdessen ist ein Rückgang von Über-, Unter- und Fehlversorgung und damit verbunden eine Qualitätssteigerung zu beobachten. Bei der Bewertung der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass diese dem populationsbezogenen Vertrag entsprechend für die Gesamtpopulation des Kinzigtals erfolgt, jedoch nur eine Teilgruppe in die IV eingeschrieben war.

Praktische Implikationen: Die Untersuchung zeigt, dass die Erfassung der Versorgungsqualität mittels ausgewählter Indikatoren möglich ist. Es wird empfohlen, die Indikatoren wie auch weitere Kennziffern, für die in der Regel keine Referenzwerte vorliegen bzw. die nicht ausreichend in Bezug auf Confounder kontrolliert werden können, flankierend in Expertenforen zur Diskussion zu stellen. Obwohl ein Beobachtungszeitraum von sechs Jahren zur Verfügung stand, muss dieser noch als zu kurz bezeichnet werden. Da viele Aktivitäten erst im Laufe der Zeit entwickelt wurden und auch die Einschreibungsrate jährlich zunahm, kann nach sechs Jahren noch kaum mit statistisch signifikanten Ergebnissen gerechnet werden.