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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Schätzung der ökonomischen Kosten von chronischen Schmerzen in Österreich

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Elisabeth Krahulec - Joanneum Research Forschungsges. mbH – HEALTH, Wien, Austria
  • Louise J. Schmidt - Joanneum Research Forschungsges. mbH – HEALTH, Graz, Austria
  • Hanns Kratzer - Peri Consulting GmbH, Wien, Austria
  • Wolfgang Habacher - Joanneum Research Forschungsges. mbH – HEALTH, Graz, Austria

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-3-05-64

doi: 10.3205/13dkvf244, urn:nbn:de:0183-13dkvf2447

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Krahulec et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Studien zufolge leiden ca. 19 % der Erwachsenen in Europa bzw. 21 % in Österreich an moderaten bis schwerwiegenden chronischen Schmerzen [1]. Länger anhaltende Schmerzen können die Lebensqualität negativ beeinflussen und führen zu volkswirtschaftlichen Kosten in der Höhe von bis zu 300 Mrd. Euro (zwischen 1,5 und 3 % des Bruttoinlandproduktes auf EU-Ebene [2]) auch aufgrund von reduzierter Produktivität, Arbeitsausfällen (Krankenständen) und frühzeitigen Pensionierungen. Daher ist die angemessene Versorgung von SchmerzpatientInnen eine wesentliche gesundheitspolitische Herausforderung. Das Ziel muss es sein, eine Chronifizierung der Schmerzen zu verhindern und die durch chronische Schmerzen verursachten negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen sowie die negativen ökonomischen Konsequenzen möglichst gering zu halten.

Im vorliegenden Beitrag wird eine Schätzung der durch chronische Schmerzen verursachten Kosten im österreichischen Gesundheitswesen präsentiert, um das Ausmaß der ökonomischen Folgen einordnen zu können.

Methodik: Die Schätzung der direkten und indirekten Kosten von chronischen Schmerzen im österreichischen Gesundheitswesen wurde hauptsächlich basierend auf vorhandenen Routinedaten (wie Anzahl der Krankenhausentlassungen aufgrund verschiedener Indikationen) vorgenommen. In einem weiteren Schritt wurde eine Literatursuche in PubMed sowie der Datenbank der University of York im Centre for Reviews and Dissemination nach systematischen Reviews und Überblicksarbeiten zu internationaler Literatur durchgeführt. Die höchste Relevanz hatten Arbeiten zu Kosten aus Österreich sowie Deutschland. Die in der Literatur gefundenen Ergebnisse wurden verwendet, um auch Schätzungen für Bereiche treffen zu können, bei denen es keine Routinedaten in Österreich gibt. Für die Kostenschätzung wurde ein Schwerpunkt auf Rücken- und Kopfschmerzen, zwei der häufigsten chronischen Schmerzarten, gelegt.

Ergebnisse: Die Berechnungen ergaben eine Schätzung der gesamten direkten Kosten pro Jahr für Österreich von ca. 174 Mio. Euro (nur Rückenschmerz) bis 880 Mio. Euro (alle Dorsopathien) bzw. ca. 200 Mio. Euro (für Kopfschmerzen). Die stationären Kosten alleine betragen nach dieser Schätzung ca. 58 Mio. Euro für Rückenschmerz bzw. 332 Mio. Euro für chronischen Schmerz allgemein. Insgesamt geht man von direkten Kosten für chronische Schmerzen in der Höhe von 1,4 bis 1,8 Mrd. Euro aus (ca. 5 bis 6,5 % der österreichischen Gesundheitsausgaben).

Die indirekten Kosten, verursacht durch Fehltage aufgrund von Krankenständen, betragen ca. 410 Mio. Euro pro Jahr für Rückenschmerz bzw. 6 Mio. Euro für Migräne. Darüber hinaus wird angenommen, dass ca. 4.400 Neupensionierungen pro Jahr in Österreich auf Rückenschmerz zurückzuführen sind, was in etwa einem Sechstel aller neuen Invaliditätspensionszuerkennungen entspricht. Wenn dies miteinbezogen wird, ergeben sich insgesamt Kosten von jährlich über 500 Mio. Euro für Rückenschmerz.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die Schätzung der direkten und indirekten Kosten von chronischen Schmerzen ist mit einigen Schwierigkeiten behaftet, da man mit einer schlechten Datenlage zu kämpfen hat. Unter anderem wird chronischer Schmerz nicht als eigenständige Erkrankung codiert, wodurch sich Schwierigkeiten in der Schätzung von Kosten und auch Prävalenzen mittels Routinedaten ergeben.

Der Hauptanteil der direkten Kosten (d.h. Ausgaben des Gesundheitssektors) bei Schmerzen ist mit chronischem Schmerz verbunden. Während bei akuten Schmerzen direkte Kosten vor allem durch Arztbesuche (niedergelassener Bereich) und die Ausgaben für Medikamente entstehen, sind bei chronischem Rückenschmerz die Kostenelemente der stationären Kosten und Therapiekosten dominant, bei chronischem Kopfschmerz jene der Medikamente. Kostensenkungen können einer Studie zufolge gerade bei Rückenschmerzen, die einen Großteil der Kosten verursachen, durch die Vermeidung einer Chronifizierung und damit verbundener stationärer Aufenthalte und Therapien erreicht werden [3].

Bewirkt werden kann dies durch eine leitlinienbasierte Diagnose und Therapie sowie eine funktionierende abgestufte Versorgung unter Einbeziehung des niedergelassenen Bereichs mit klaren Überweisungsregeln. Daraus ergibt sich für Österreich auch die Notwendigkeit einer verbesserten Schmerzausbildung.


Literatur

1.
Breivik H, et al. Survey of chronic pain in Europe: prevalence, impact on daily life, and treatment. Eur J Pain. 2006;10(4):287-333.
2.
Pain Proposal. Improving the Current and Future Management of Chronic Pain. 2010.
3.
Bolten W, et al. Analysis of the cost of illness in backache. Med Klin (Munich). 1998;93(6):388-93.