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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Evaluation der spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung in Niedersachsen – Eine qualitative Studie zur Elternsicht

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Kerstin Kremeike - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Anika Mohr - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Juliane Nachtmann - Landeshauptstadt Potsdam, Potsdam, Germany
  • Annette Sander - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Max Geraedts - Universität Witten/Herdecke, Witten, Germany
  • Dirk Reinhardt - Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT4-13-138

doi: 10.3205/13dkvf093, urn:nbn:de:0183-13dkvf0938

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013

© 2013 Kremeike et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) nach § 37b SGB V ist den besonderen Belangen von Kindern Rechnung zu tragen. Mit der Etablierung einer flächendeckenden spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung (SAPPV) in Niedersachsen im April 2010 sollte dieser Anspruch erfüllt werden. Seither übernimmt ein zentrales Koordinierungsbüro die Organisation und Administration der SAPPV in ganz Niedersachsen. Multiprofessionelle regionale Teams leisten die spezialisierte pflegerische, medizinische und psychosoziale Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sie kooperieren eng mit den vor Ort vorhandenen Versorgungsstrukturen und ergänzen diese bei Bedarf. Um die SAPPV zu evaluieren und Ansatzpunkte für eine weitere Optimierung der Versorgung zu identifizieren, wurde nun die Elternsicht auf die ambulante pädiatrische Palliativversorgung erhoben.

Methodik: Durch die Anwendung eines qualitativen Forschungsdesigns sollten die Sichtweisen der Befragten offener erfasst werden als dieses mit standardisierten quantitativen Methoden realisierbar ist. Von Juni 2012 bis Februar 2013 wurden dazu 20 Interviews durchgeführt. Eine Teilstrukturierung mittels Leitfaden ermöglichte dabei die Fokussierung auf einzelne Versorgungsaspekte bei gleichzeitiger Sicherstellung der Freiheit der Interviewpartner, ihre Sichtweisen darzulegen und neue Aspekte zu eröffnen.

Befragt wurden Eltern(-paare) mit Kindern im Alter von drei bis achtzehn Jahren, die einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung bedurften. Sieben der Kinder waren zum Interviewzeitpunkt bereits verstorben. Insgesamt hatten dreizehn der befragten Familien Erfahrung mit der SAPPV, vier Kinder erhielten zum Interviewzeitpunkt eine SAPPV. Sieben Familien nahmen aus unterschiedlichen Gründen keine SAPPV in Anspruch, sie wurden ohne die spezialisierte Leistung ambulant versorgt.

Die Datenauswertung fand mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring statt. Dabei wurden Kernaspekte der ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung in einem mehrstufigen Analyseverfahren zu Oberkategorien zusammengefasst. Auf die Identifikation und Systematisierung von Subthemen folgte die Analyse ihrer wechselseitigen Relationen. Für die Bewertung der Zufriedenheit der Eltern mit der Versorgung ihrer schwerkranken Kinder wurde für die Oberkategorien anhand des Interviewmaterials ein ordinales Bewertungsschema entwickelt (sehr schlecht - schlecht - gut - sehr gut - nicht zuzuordnen) und auf Fallebene angewandt.

Ergebnisse: Der qualitative Ansatz der Datenerhebung und -analyse erbrachte sechs Hauptkategorien für die Bewertung der ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung. Diese Kategorien (und beispielhafte Subkategorien) lauten:

1.
Mehrwert der Versorgung (Verbesserung der Lebensqualität)
2.
Versorgungskontinuität (Telefonische Erreichbarkeit in Krisensituationen)
3.
Wahrnehmung der Leistungserbringer als Team (Bedarfsorientiertes Einbeziehen unterschiedlicher Professionen)
4.
Umgang mit den Themen Sterben und Tod (Spannungsfeld kurativ - palliativ)
5.
Kommunikation / Kooperation der Versorger mit den Eltern (Wertschätzender Umgang mit der Familie)
6.
Information der Eltern (Andere Eltern als Ressource)

Am ausführlichsten thematisierten die Eltern den Mehrwert der Versorgung und die Versorgungskontinuität. Die Bewertung der Zufriedenheit mit der ambulanten Versorgung ergab, dass Eltern mit Erfahrung in der SAPPV beide genannten Aspekte positiver schilderten als die Familien ohne SAPPV. So bewerteten elf der dreizehn Eltern mit SAPPV den Mehrwert der Versorgung mit gut oder sehr gut, bei den Eltern ohne Erfahrung waren es vier von sieben. Zehn von dreizehn Eltern mit Erfahrung in der spezialisierten Versorgung beurteilten die Versorgungskontinuität gut oder sehr gut, von den Eltern ohne Erfahrung taten dieses erneut vier von sieben.

Insbesondere die Steuerung einer Schmerztherapie wurde von den Familien ohne SAPPV bzw. ohne kontinuierliche ärztliche Erreichbarkeit oder Betreuung als problematisch beschrieben.

Ein wichtiger Kritikpunkt an der Durchführung der SAPPV war vor allem eine zu geringe ärztliche Präsenz.

Diskussion/Schlussfolgerung: Der qualitative Ansatz der Datenerhebung und -analyse kann als angemessene Herangehensweise an die Evaluation der SAPPV in Niedersachsen beurteilt werden. Insgesamt bewerten die betroffenen Familien die Einführung der SAPPV positiv. Darüber hinaus konnten Verbesserungspotentiale der Versorgung aufgezeigt werden.