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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Impulse zur Patienten- und Anwendersicherheit durch Analyse Anästhesietechnik-assoziierter CIRS-Meldungen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Claus Zippel - Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen, Universität Witten/Herdecke, Witten, Germany
  • André Börgers - Abteilung für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie, Kliniken Essen-Mitte, Essen, Germany
  • Andreas Weitzel - Abteilung für Medizintechnik, Kliniken Essen-Mitte, Essen, Germany
  • presenting/speaker Sabine Bohnet-Joschko - Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen, Universität Witten/Herdecke, Witten, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT1-20-342

doi: 10.3205/13dkvf066, urn:nbn:de:0183-13dkvf0668

Veröffentlicht: 25. Oktober 2013
Veröffentlicht mit Erratum: 9. Dezember 2013

© 2013 Zippel et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Anästhesietechnik besitzt eine zentrale Bedeutung für die Patienten- und Anwendersicherheit in der klinischen Versorgung [1], [2], [3], [4]. In dieser Studie wurde unter finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie eine größere Anzahl von CIRS-Meldungen mit Bezug zu Narkose- und Beatmungsgeräten analysiert. Ziel war es, gerätespezifisches Risikowissen und damit organisationale Anknüpfungspunkte für das Lernen aus Anästhesietechnik-assoziierten Risikosituationen zu identifizieren.

Methodik: In 2010 wurden CIRS-Meldungen aus drei kooperierenden Krankenhäusern und dem öffentlichen Fehlermeldesystem für die Anästhesiologie zusammengeführt [5]. Berücksichtigt wurden Ereignisse, die eindeutig mit dem Einsatz des Narkose- und Beatmungsgeräts (einschließlich Transport- und Notfallbeatmung) assoziiert waren. Die Ereignisanalyse führten drei Auswerter verschiedener Disziplinen durch. Jedes Ereignis unterteilten sie in Gerätedefekt bzw. Anwender- und Anwendungsfehler. Letztere stuften sie nach den von REASON unterschiedenen Handlungstypen in Fehler und Verstöße ein [6]. Potenzielle Risikoursachen klassifizierten sie nach dem von VINCENT ET AL. entwickelten und durch die STIFTUNG FÜR PATIENTENSICHERHEIT präzisierten Rahmensystem klinischer Einflussfaktoren [7], [8].

Ergebnisse: Insgesamt wurden 151 CIRS-Meldungen analysiert. 69 Prozent der Ereignisse wurden als Anwender- bzw. Anwendungsfehler klassifiziert, bei 24 Prozent handelte es sich um einen Gerätedefekt, 7 Prozent konnten keiner Kategorie zugeordnet werden. Anwender- und Anwendungsfehler bestanden zu 66 Prozent aus Abweichungen und zu 34 Prozent aus Fehlern. Bei den Abweichungen dominierte die so genannte regelmäßige Abweichung überwiegend aufgrund der unzureichend durchgeführten Vollständigkeits- bzw. Funktionsprüfung bei eingesetzten Geräten. Dies ist auch der Grund dafür, dass als Risikoursache bei über der Hälfte der berichteten Ereignisse die Nichtverwendung von Richtlinien und Verfahrensanweisungen als Unterkategorie der Aufgaben- und Verfahrensfaktoren zugeordnet wurde.

Diskussion/Schlussfolgerung: Aus Betreibersicht zeigte sich, dass Ereignisse mit Bezug zu Narkose- und Beatmungsgeräten primär nicht aufgrund fehlenden oder falsch angewendeten Fachwissens, sondern durch organisationsbedingte Faktoren wie zum Beispiel Zeitdruck oder Kommunikationsfehler begünstigt werden. Anknüpfungspunkte für das Management zur sicheren Gestaltung von fehleranfälligen Prozessen an den Schnittstellen Mensch, Organisation und Anästhesietechnik bieten neben Team- und Kommunikationstrainings [9] auch Forschungen zu High-Reliability-Organizations. Kritische Sicherheitsressource sind hierbei die Achtsamkeit und Sensitivität der Mitarbeiter gegenüber (normalen) kritischen Ereignissen [10].


Literatur

1.
Cooper JB, Newbower RS, Kitz RJ. An analysis of major errors and equipment failures in anesthesia management: considerations for prevention and detection. Anesthesiology. 1984;60:34-42.
2.
Beydon L, Ledenmat PY, Soltner C, et al. Adverse events with medical devices in anesthesia and intensive care unit patients recorded in the French safety database in 2005-2006. Anesthesiology. 2010;112:364-72.
3.
Cassidy CJ, Smith A, Arnot-Smith J. Critical incident reports concerning anaesthetic equipment: analysis of the UK National Reporting and Learning System (NRLS) data from 2006-2008. Anaesthesia. 2011;66:879-88.
4.
Regner M, Osmers A, Hübler M. Kritische Ereignisse mit Medizinprodukten. Anaesthesist. 2012;61:452-6.
5.
Rall M, Dieckmann P, Stricker E, et al. Patientensicherheits-Optimierungs-System (PaSOS) - Das neue bundesweite Incident-Reporting-System von DGAI/BDA. Anästh Intensivmed. 2006;47:S20-S24.
6.
Reason J. Understanding adverse events: human factors. Qual Health Care. 1995;4:80-9.
7.
Vincent C, Taylor-Adams S, Stanhope N. Framework for analysing risk and safety in clinical medicine. BMJ. 1998;316:1154-7.
8.
Stiftung für Patientensicherheit, Hrsg. Systemanalyse klinischer Zwischenfälle - Das London-Protokoll. 2007. p. 6 .
9.
Rall M, Dieckmann P, Manser T, et al. Simulation als Strategie zur Risikominimierung in der Anästhesie? Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther. 2004;39:240-7.
10.
Weick KE, Sutcliffe KM, Obstfeld D. Organizing for high reliability processes of collective mindfulness. In: Boin A, ed. Crisis Management. Los Angeles: SAGE; 2008. p. 31-66.

Erratum

Die Reihenfolge der Autoren wurde geändert, außerdem wurden die Affiliations der Autoren korrigiert.

Im Abstract wurden im Abschnitt Ergebnisse Korrekturen vorgenommen (151 statt 152 CIRS Meldungen, Abweichungen statt Verstöße, regelmäßige Abweichung anstelle von Routineverstoß).