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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Systematische Erkennung von unerwünschten Arzneimittelereignissen im Zusammenhang mit potentiell inadäquater Medikation für ältere Patienten in der Notaufnahme

Meeting Abstract

  • author presenting/speaker Anja Mathews - Zentrale Notaufnahme, Klinikum Fürth/Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Fürth/Erlangen, Deutschland
  • Melanie Kirchner - Lehrstuhl für Medizinische Informatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Andrius Patapovas - Lehrstuhl für Medizinische Informatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Fabian Müller - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Nina Hartmann - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Barbara Pfistermeister - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Bettina Plank-Kiegele - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Thomas Bürkle - Lehrstuhl für Medizinische Informatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • Renke Maas - Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • corresponding author Harald Dormann - Zentrale Notaufnahme, Klinikum Fürth, Fürth, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf207

doi: 10.3205/11dkvf207, urn:nbn:de:0183-11dkvf2071

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Mathews et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In steigender Zahl konsultieren ältere Patienten mit multiplen gesundheitlichen Problemen und einer Vielzahl von Medikamenten die Notaufnahme. Unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) stellen dabei einen häufigen, jedoch oft unerkannten Faktor dar, der zur Krankenhausaufnahme führt. Listen mit potentiell inadäquater Medikation (PIM) für ältere Patienten (z.B. die Beers-Liste) können die Erkennung von UAE, welche mit PIM assoziiert sind, erleichtern. Erst kürzlich wurde solch eine Liste, basierend auf einem Expertenkonsens und angepasst auf die in Deutschland zugelassenen Medikamente, vorgestellt (PRISCUS-Liste). In der aktuellen Studie sollte untersucht werden, ob bei älteren Patienten, die sich in der Notaufnahme vorstellen, PIM häufiger als andere Medikamente mit UAE assoziiert sind.

Material und Methoden: Die vollständigen Akten von Patienten ab 65 Jahren, die sich in der Notaufnahme eines Klinikums der Versorgungsstufe 3 (Klinikum Fürth) vorstellten, wurden von einer unabhängigen Expertengruppe bestehend sowohl aus Ärzten der Inneren und Notfallmedizin als auch aus Klinischen Pharmakologen und Pharmazeuten gesichtet. Alle Fälle wurden nach international validierten Scores klassifiziert, u.a. nach dem klinischen Schweregrad (Common Toxicity Criteria [CTC]) und nach der Vermeidbarkeit (Schumock Score). UAE beinhalten unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Medikationsfehler (MF), die zu einem klinischen Ereignis geführt haben.

Ergebnisse: Es wurden 351 Patienten (154 Männer, 197 Frauen) mit einem Durchschnittsalter von 78 ± 7 (65–101) Jahren erfasst, von denen 306 (87.2%) ≥ 1 häusliches Medikationsereignis (ME) aufwiesen. Die durchschnittliche häusliche Medikamentenzahl betrug pro Patient 6.1 ± 3.4 (1–18). Von 1879 ME waren 300 (16.0%) mit ≥ 1 UAE assoziiert. Vielfach trugen mehrere Medikamente zu einem UAE bei. Bei 124 (40.5%) Patienten trat ≥ 1 UAE (insgesamt 177 UAE) auf. Neun von 16 (56.3%) UAE, bei denen PIM involviert waren und 77 von 161 (47.8%) UAE ohne PIM waren mit einer Vorstellung in der Notaufnahme bzw. mit einer Krankenhausaufnahme assoziiert. Von den Patienten mit ≥ 1 ME nahmen 51 (16.7%) regelmäßig ≥ 1 PIM. Von allen Patienten ohne PIM (255) zeigten 109 (42.7%) ≥ 1 UAE verglichen mit 15 (29.4%) Patienten mit ≥ 1 UAE unter den 51 Patienten mit ≥ 1 PIM (p = 0.077). Dennoch waren PIM häufiger mit einem UAE assoziiert als andere Medikamente: 16 (25.4%) UAE bei 63 ME mit PIM im Vergleich zu 284 (15.6%) UAE bei 1816 ME ohne PIM, p = 0.038. Der klinische Schweregrad von UAE assoziiert mit PIM verglichen mit UAE ohne PIM wurde wie folgt klassifiziert (CTC): „mild“ bei 18.8% vs. 26.7%, „moderat“ bei 18.8% vs. 24.2%, „schwer“ bei 56.3% vs. 41.6%, „lebensbedrohlich“ bei 6.3% vs. 5.6%, „Tod“ bei 0.0% vs. 0.6 und „nicht spezifiziert“ bei 0.0% vs. 1.2%.

Schlussfolgerung: Bei älteren Patienten, die sich in der Notaufnahme vorstellen, sind potenziell inadäquate Medikamente (PIM) häufiger mit UAE assoziiert als andere Medikamente. In absoluten Zahlen werden jedoch UAE mit PIM von UAE ohne PIM übertroffen. Um die Notfallversorgung bei älteren Patienten zu verbessern, müssen Ärzte in der Notaufnahme diese Patienten systematisch in Hinsicht auf deren Medikation und die damit involvierten Probleme analysieren, um UAE rechtzeitig zu erkennen und als solche behandeln zu können.

Dieses Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen des Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland gefördert.