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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Neuroleptika in der Versorgung von Demenzerkrankten

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Jana Schulze - Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • author Falk Hoffmann - Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • author Daniela Koller - Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • author Gerd Glaeske - Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • author Birgitt Wiese - Institut für Biometrie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Hendrik van den Bussche - Institut für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf162

doi: 10.3205/11dkvf162, urn:nbn:de:0183-11dkvf1621

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Schulze et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Altersbedingte Erkrankungen wie die Demenz gewinnen durch den demographischen Wandel stetig an Bedeutung. Bei einer Demenzerkrankung kommt es in bis zu 90% der Fälle zu psychischen und Verhaltenssymptomen. Diese Symptomatiken werden häufig pharmakotherapeutisch mit Neuroleptika behandelt. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts wurde jedoch ein erhöhtes Risiko für Mortalität und für zerebrovaskuläre Ereignisse bei Demenzpatienten, die Neuroleptika einnahmen, identifiziert. Zudem ist die Wirksamkeit auf die Verhaltenssymptomatik im besten Fall moderat – bei zahlreich auftretenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Daher muss die Verordnung von Neuroleptikaverordnungen bei Demenzkranken hinterfragt werden. Ziel des Beitrags ist es anhand von Routinedaten die Verordnungsprävalenz von Neuroleptika im Jahr der Inzidenz im Vergleich zu einer Kontrollpopulation ohne eine Demenzerkrankung zu untersuchen.

Material und Methoden: Für die vorliegende Routinedatenanalyse wurde auf die Untersuchungskohorte eines KNDD-Projektes (Kompetenznetz Degenerative Demenzen) zurückgegriffen. Sie beruht auf einer Population aus 9233 Versicherten der Gmünder Ersatzkasse (GEK), die sich aus 1848 inzident demenzerkrankten Versicherten und einer Kontrollgruppe (n=7385) ohne Demenzerkrankung zusammensetzt. In die Population wurden GEK-Versicherte mit einbezogen, die mindestens 65 Jahre alt waren. Eine Person wurde als inzident betrachtet, wenn sie in mindestens vier Quartalen diagnosefrei ist, d.h. keine Demenzdiagnose im ambulant-ärztlichen Bereich im Jahr 2004 zugewiesen bekommen hat, und im Anschluss in mindestens drei von vier Quartalen eine Demenzdiagnose vorwies. Von Beginn des Inzidenzquartals an wurde die Versorgung mit Neuroleptika über die folgenden vier Quartale untersucht.

Wir untersuchten die Verordnungsprävalenz von Neuroleptika stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Pflegestufe. Neben der reinen Deskription der Ergebnisse der Analyse wurde das Odds Ratio berechnet, das Signifikanzniveau wird anhand des 95%igen Konfidenzintervalls dargestellt.

Ergebnisse: Die Auswertung zeigt bei den Demenzpatienten eine hohe Verordnungsprävalenz der Neuroleptika von 25% im Vergleich zu 4% bei den Kontrollen (OR: 7,61; 95%CI: 6,52–8,87). Mit zunehmendem Alter steigt die Verordnungsprävalenz deutlich an. Eine vergleichbare Entwicklung zeigt sich ebenso mit der Zunahme der Schwere der Pflegebedürftigkeit, diese wird anhand der Pflegestufen des SGB XI dargestellt (Verordnungsprävalenz stratifiziert nach Pflegestufe: Von „keine Pflegestufe“ Demenzerkrankte 10,5%, Kontrollen 2,6% (OR: 4,41; 95%CI:3,43–5,67) bis „Pflegestufe 3“ Demenzerkrankte 51,6%, Kontrollen 35,4% (OR: 1,94; 95%CI:1,02–3,71).

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass trotz bekannter unerwünschter Arzneimittelwirkungen die Verordnungsprävalenz von Neuroleptika bei Demenzpatienten hoch ist – besonders im Vergleich zu einer Population ohne Demenzerkrankung. Daher ist es wichtig, die aktuelle Behandlungspraxis zu hinterfragen und methodisch hochwertige Studien zu fördern, die die Anwendung alternativer pharmakologischer sowie nicht-pharmakologischer Behandlungsansätze untersuchen.