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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Einflussfaktoren auf die Verordnung einer potentiell inadäquaten Medikation nach PRISCUS-Liste – Daten der Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen

Meeting Abstract

  • author presenting/speaker Jutta Küpper-Nybelen - PMV forschungsgruppe, KJP, Universität zu Köln, Köln, Deutschland
  • author Stefanie Holt - Klinische Pharmakologie, Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Wuppertal, Deutschland
  • author Petra Thürmann - Philipp Klee-Institut für Klinische Pharmakologie, HELIOS Klinikum Wuppertal, Wuppertal, Deutschland
  • corresponding author Ingrid Schubert - PMV forschungsgruppe, KJP, Universität zu Köln, Wuppertal, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf073

doi: 10.3205/11dkvf073, urn:nbn:de:0183-11dkvf0731

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Küpper-Nybelen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die im Expertenkonsens erstellte PRISCUS-Liste [1], die 83 für die Therapie älterer Menschen potentiell inadäquate Arzneimittel aufführt, benennt u.a. auch medikamentöse Behandlungsalternativen. Ziel der Studie ist die Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Verordnung einer potentiell inadäquaten Medikation (PIM). Dies erfolgt mittels eines Vergleiches inzidenter Empfänger eines PIMs mit inzidenten Empfängern der in der PRISCUS-Liste genannten Alternativen im jeweiligen Indikationsgebiet.

Material und Methoden: Datenbasis: Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen, eine 18,75%ige Zufallsstichprobe aller Versicherten der AOK Hessen. Studienpopulation sind inzidente Empfänger (65 Jahre und älter) von Analgetika (n=8895), Anticholinergika (n=1696), Antidementiva (n=799) bzw. Antidepressiva (n=2729) im Jahr 2008. Zur Bestimmung der Inzidenz mussten die Versicherten der Bezugspopulation 365 Tage vor der ersten Verordnung durchgängig versichert sein. In dieser Zeit durfte die jeweils untersuchte Arzneimittelgruppe nicht verordnet worden sein. Die Auswahl der potentiell inadäquaten Wirkstoffe und der jeweiligen Alternativen beruht auf den Angaben der PRISCUS-Liste. Mittels multivariater logistischer Regression wird der unabhängige Zusammenhang zwischen verschiedenen Einflussfaktoren und der Verordnung eines PIMs geschätzt. Als mögliche Einflussfaktoren werden Alter, Geschlecht, Multimedikation im Inzidenz- und Vorquartal (<5, 5-10, >10 Arzneimittel, ATC 7-stellig), Multimorbidität im selben Zeitraum nach Anzahl der ICD-10 Kapitel (<10, 10-20, >20) sowie Krankenhausaufenthalte und Pflegeleistungen in den 30 Tagen vor der Verordnung berücksichtigt.

Ergebnisse: In allen betrachteten therapeutischen Gruppen sinkt das Risiko für eine PIM-Verordnung mit zunehmendem Alter. Frauen haben im Vergleich zu Männern ein signifikant höheres Risiko für ein PIM bei Anticholinergika (OR 1,39; KI 1,09-1,79), ein signifikant niedrigeres bei Analgetika (OR 0,76; KI 0,62-0,92). Tendenziell (n.s.) mit Ausnahme der Analgetika steigt das Risiko für eine PIM-Verordnung mit der Anzahl verordneter verschiedener Arzneimittel und entsprechend mit der Anzahl an Diagnosen aus verschiedenen ICD-10 Kapiteln. Dieses Ergebnis ist signifikant für die Verordnung eines PIM-Antidementivums. Patienten mit Diagnosen aus mehr als 20 verschiedenen ICD-10 Kapiteln haben ein mehr als doppelt so hohes Risiko, ein PIM-Antidementivum anstelle einer Alternative zu erhalten, als Patienten mit Diagnosen aus weniger als 10 ICD-10 Kapiteln (OR 2,38; KI 1,39-4,08). Inzidente Arzneimittelempfänger der hier betrachteten Arzneimittelgruppen mit Dokumentation eines Krankenhausaufenthaltes hatten im Vergleich zu denen ohne einen Krankenhausaufenthalt ein signifikant geringeres Risiko für eine PIM-Verordnung. Dies zeigt sich auch bei Versicherten mit Pflegeleistung (Analgetika: OR 0,50; KI 0,34-0,75; Anticholinergika: OR 0,33; KI 0,24-0,45; Antidementiva: OR 0,17; KI 0,11-0,26; Antidepressiva: OR 0,61; KI 0,50-0,75).

Schlussfolgerung: Da sich die Anzahl der als PIM eingestuften Wirkstoffe in den Indikationsgebieten deutlich unterscheidet, ist es empfehlenswert, eine Analyse der Einflussfaktoren innerhalb einer Indikationsgruppe und bei Patienten mit Erstverordnung durchzuführen. Hierbei zeigte sich kein einheitlicher Trend der verschiedenen Einflussfaktoren. Während das Risiko mit der Zahl der Arzneimittel tendenziell zunimmt, ist es signifikant geringer bei Patienten mit kurz zurückliegendem Krankenhausaufenthalten und bei Pflegeleistungsempfängern.


Literatur

1.
Holt A, Schmiedl S, Thuermann PA. Potentially Inappropriate Medications in Elderly. The Priscus List. Dtsch Arztebl Int. 2010;107(31-32):543-551.