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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Die somatische Versorgung psychisch Kranker – eine ambulante Bestandsaufnahme

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Ida Haussleiter - LWL-Forschungsinstitut für Seelische Gesundheit am LWL-Universitätsklinikum Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Barbara Emons - LWL-Forschungsinstitut für Seelische Gesundheit am LWL-Universitätsklinikum Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Markus Schaub - LWL-Forschungsinstitut für Seelische Gesundheit am LWL-Universitätsklinikum Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Carina Armgart - LWL-Forschungsinstitut für Seelische Gesundheit am LWL-Universitätsklinikum Bochum, Bochum, Deutschland
  • author Georg Juckel - LWL-Forschungsinstitut für Seelische Gesundheit am LWL-Universitätsklinikum Bochum, Bochum, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf059

doi: 10.3205/11dkvf059, urn:nbn:de:0183-11dkvf0599

Veröffentlicht: 12. Oktober 2011

© 2011 Haussleiter et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Psychisch Kranke haben eine erhöhte Morbidität und Mortalität und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine deutlich verkürzte Lebenszeiterwartung [1]. Somatische Krankheiten werden vielfach nicht adäquat diagnostiziert oder behandelt. In einer Metaanalyse wies die Hälfte der psychiatrischen Patienten eine somatische Komorbidität auf, bei 30% war diese Störung vor stationärer Aufnahme nicht bekannt und bei jedem Fünften Ursache der psychischen Störung [2]. Psychisch Kranke leiden häufiger an den beeinflussbaren Risikofaktoren kardiovaskulärer Erkrankungen wie Übergewicht, Rauchen, Diabetes, arterieller Hypertonie und Dyslipidämie [3]. Antipsychotische und andere psychotrope Medikation können zu einer Gewichtszunahme führen und metabolische Risikofaktoren beeinflussen [4]. Möglicherweise haben betroffene Patienten, aufgrund ihrer psychischen Grunderkrankung wie auch der gesellschaftlichen Stigmatisierung, verminderten Zugang zum Gesundheitssystem und entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen [5]. Die vorliegende Studie soll den somatischen Status von Patienten einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) bezüglich Erkrankungen, Risikofaktoren, Anbindung an Haus- und Fachärzte sowie Routineuntersuchungen erheben.

Material und Methoden: Im zweiten Quartal 2011 wurden Patienten der psychiatrischen Institutsambulanz mittels eines 14-Item-Fragebogens diesbezüglich befragt. Die Daten wurden in eine SPSS-Matrix eingegeben und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Bisher wurden 151 PIA-Patienten (durchschnittliches Alter 48,4 Jahre; 45.7% Männer) eingeschlossen, von denen knapp die Hälfte eine psychiatrische Diagnose aus dem Bereich der affektiven Störungen aufwies. Die durchschnittliche Körpergröße der befragten Patienten betrug 1,71m, das Körpergewicht 81,4 kg. Der mittlere Body Mass Index betrug 27,7. Insgesamt 60% der Patienten waren übergewichtig (BMI>25) oder adipös (BMI>30). 77,8% der psychotisch Erkrankten und 62% der affektiv Erkrankten hatten einen BMI>25, bei den übrigen Diagnosegruppen betraf dies jeden zweiten Patienten. 92,7% aller Patienten gaben einen behandelnden Haus- oder Facharzt an. Die Hälfte der Patienten hatte diesen zuletzt im ersten Quartal 2011 gesehen, ein Viertel im Befragungsquartal. Die übrigen 25% konsultierten den Behandler zuletzt 2010 oder früher. Jeder fünfte Patient unter 40 Jahren verschwieg dem somatischen Behandler seine psychiatrische Diagnose. 62,9% aller Patienten benannten mindestens eine somatische Diagnose. 47,7% der Patienten gab aktuelle körperliche Beschwerden an, mehrheitlich waren dies affektiv Erkrankte. Bei weniger als der Hälfte der Patienten war 2011 bisher eine Blutentnahme erfolgt, bei einem Drittel ein EKG.

Schlussfolgerung: Somatische Erkrankungen müssen in der Versorgung psychisch Kranker vermehrt berücksichtigt werden. Neben der Fortsetzung der Befragung im ambulanten Setting sollen auch stationäre Patienten einbezogen und weitere klinische Merkmale erfasst werden.


Literatur

1.
Fleischhacker WW, Cetkovich-Bakmas M, De Hert M, Hennekens C, Lambert M, Leucht S. Cormorbid somatic illnesses in patients with severe mental disorders: clinical, policy and research challenges. J Clin Psychiatry. 2008;69:514–519.
2.
Felker B, Yazel JJ, Short D. Mortality and medical comorbidity among psychiatric patients: a review. Psychiatr Serv. 1996;47(12):1356-1363.
3.
Laursen TM, Munk-Olsen T, Agerbo E, Gasse C, Mortensen PB. Somatic hospital contacts, invasive cardiac procedures, and mortality from heart disease in patients with severe mental disorder. Arch Gen Psychiatry. 2009;66 (7):713–720.
4.
Stahl SM, Mignon L, Meyer JM. Which comes first: atypical antipsychotic treatment or cardiometabolic risk? Acta Psychiatr Scand. 2009;119 (3):171–179.
5.
De Hert M, Dekker JM, Wood D, Kahl KG, Holt RI, Möller HJ. Cardiovascular disease and diabetes in people with severe mental illness position statement from the European Psychiatric Association (EPA), supported by the European Association for the Study of Diabetes (EASD) and the European Society of Cardiology (ESC). Eur Psychiatry. 2009;24 (6):412-424.