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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017)

24.10. - 27.10.2017, Berlin

Erstbeschreibung eines idiopatischen, bilateralen, isolierten Kompartmentsyndroms der Peronaeusloge

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Lars Becker - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Essen, Germany
  • Katharina Henze - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Essen, Germany
  • Max D. Kauther - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Essen, Germany
  • Marcel Dudda - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Essen, Germany
  • Marcus Jäger - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Essen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017). Berlin, 24.-27.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocPO18-570

doi: 10.3205/17dkou715, urn:nbn:de:0183-17dkou7159

Veröffentlicht: 23. Oktober 2017

© 2017 Becker et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Atraumatische, bilaterale Kompartmentsyndrome der unteren Extremität sind eine sehr seltene Erkrankung. Beschriebene Ursachen sind starke körperliche Anstrengung oder z.B. lang anhaltende Lagerung in Steinschnittlage. Isolierte beidseitige Kompartmentsyndrome einzelner Logen sind nur aus Einzelfallbeschreibungen bekannt. Für die Peronaeusloge existiert lediglich ein Fallbericht über ein bilaterales, isoliertes Kompartmentsyndrom nach intensivem Reiten.

Methodik: Ein 25 jähriger Patienten klagt über in Ruhe aufgetretene Schmerzen in beiden Unterschenkeln. Diese hätten über einige Stunden zugenommen. Vorangehend keine körperliche Anstrengung, ein Trauma ist nicht erinnerlich. Alkohol- oder Drogenkonsum sowie eine Medikamenteneinnahme werden verneint. Am gleichen Tag Vorstellung in einer Notfallambulanz, dort V.a. "Muskelkater". 2 Tage später Vorstellung in einer anderen Klinik. Dort V.a. Bandscheibenvorfall bei starken Schmerzen in beiden Beinen, Fußheberplegie beidseits und Sensibilitätsstörungen in den Füßen. Eine CT-Diagnostik der LWS zeigt keine Nervenwurzelkompression. Verlegung in unsere Klinik bei V.a. Rhabdomyolyse unklarer Genese mit Erhöhung der Kratininkinase auf >24000 U/l sowie des Myoglobins auf >2200 µg/l.

Bei Aufnahme starke Druckdolenz und isoliert ausgeprägte Verhärtung der Peronaeuslogen beidseits. Die restlichen Unterschenkel sind weich. Fußheberparese rechts 1/5, links 3/5 Kraftgrad. Hyposensibilität im Versorgungsbereich des N. peronaeus beidseits. Indikationsstellung zur notfallmäßigen Kompartmentspaltung beidseits. Eine ergänzende MRT-Diagnostik zeigt eine isolierte starke Schwellung/Ödembildung beider Peronaeuslogen.

Die Druckmessung der Peronaeuslogen zeigt rechts 98 mmHg vs. 75 mmHg links bei Drücken von < 35 mmHg in allen anderen Logen.

Es erfolgt lediglich die Eröffnung der Peronaeuslogen beidseits.

Im Verlauf erfolgreiche Therapie der Rhabdomyolyse mit forcierter Diurese. Nach zweimaliger Revision mit Resektion von demarkierten Muskelnekrosen endgültiger Wundverschluss mittels Sekundärnaht. Letztendlich musste die rechte Peronaeusloge vollständig ausgeräumt werden. Linksseitig Erhalt von ca. 1/3 der Muskelmasse in der Loge.

Sechs Monate postoperativ zeigt sich eine persistierende hochgradige Fußheberparese rechts, der Patient ist jedoch unter Verwendung einer Peronaeusschiene gut mobil. Linksseitig nahezu vollständige Wiedererlangung der Kraft. Persistierende Hyposensibilität im Vorfußbereich beidseits rechts > links.

Zur weiteren Abklärung erfolgt eine internistische und neurologische Untersuchung des Patienten. Hierbei ergibt sich kein Hinweis für eine Ursache des Kompartmentsyndroms. Eine im Verlauf erfolgte Muskelbiopsie zeigt ebenfalls einen unauffälligen Befund.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Atraumatische bilaterale Kompartmentsyndrome sind sehr selten und werden häufig, trotz eindeutiger Klinik, übersehen. Diese Zeitverzögerung kann zu schweren funktionellen Einschränkungen führen. Als Differentialdiagnose sollte dieses Krankheitsbild daher bekannt sein.