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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017)

24.10. - 27.10.2017, Berlin

Fallbericht: Skorbut, eine beachtenswerte Differentialdiagnose in der Kinderorthopädie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Anne Zillekens - Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Uniklinik Bonn, Bonn, Germany
  • Katherina Heck - Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Uniklinik Bonn, Bonn, Germany
  • Desireé Schwetje - Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Uniklinik Bonn, Bonn, Germany
  • Sebastian Koob - Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Uniklinik Bonn, Bonn, Germany
  • Richard Placzek - Klinik für Orthopädie & Unfallchirurgie, Uniklinik Bonn, Bonn, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2017). Berlin, 24.-27.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocWI18-630

doi: 10.3205/17dkou175, urn:nbn:de:0183-17dkou1750

Veröffentlicht: 23. Oktober 2017

© 2017 Zillekens et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung: Der kindliche Skorbut, das Möller-Barlow-Syndrom (MBS), hat als Vitamin-C-Mangelerkrankung in westlichen Industrieländern vordergründig keinen Stellenwert. Insbesondere bei chronisch kranken oder schwerstbehinderten Kindern kann sich das Krankheitsbild jedoch mit einem breiten Spektrum an Symptomen manifestieren und aufgrund einer verspäteten Diagnose zu schweren muskuloskelettalen Pathologien führen. Anhand von zwei Fallberichten wird der Verlauf mit typischer Symptomatik, die adäquate Diagnostik und Therapie dargestellt.

Methodik: Fall 1: 6-jähriges Mädchen mit einer bilateralen Cerebralparese (GMFCS-Level 4), in regelmäßiger Kontrolle bei drohender Hüftluxation, wurde mit reduziertem Allgemeinzustand und anamnestisch schmerzhaften Schwellungen beider Kniegelenke vorgestellt. Die externe Labordiagnostik zeigte lediglich diskrete Hinweise einer mikrozytären Anämie. Die klinisch-radiologische Untersuchung beider Knie war zunächst blande. Im Verlauf exazerbierten die Kniebeschwerden und 6 Wochen später war in der Röntgenkontrolle eine beidseitige distale Femurepiphyseolyse nachweisbar (Abbildung 1, linkes Knie in 2 Ebenen [Abb. 1]). Der gemessene Hämoglobinwert betrug nur noch 6.4 g/dl und es wurden langanhaltende Blutungen nach dem Ausfall eines Milchzahnes berichtet.

Fall 2: 6-jähriges Mädchen nach Chemotherapie bei einem Neuroblastom der rechten Nebenniere, wurde aufgrund der ausbleibenden knöchernen Heilung einer vor 6 Wochen mit elastischen Titannägeln (TENS) versorgten beidseitigen Femurfraktur vorgestellt. Zusätzlich waren in der Zwischenzeit bei dem kachektischen Kind akute Blutungen des Magen-Darm-Traktes und eine Anämie ohne ersichtliches Korrelat aufgetreten.

In beiden Fällen war in Zusammenschau der Symptome von einer systemischen Erkrankung auszugehen. Die Bestimmung des Vitamin-C-Spiegels lieferte den entscheidenden Hinweis: Bei Vitamin-C-Spiegeln <2 mg/l im Blut (Normwert 5-15mg/l) gilt ein MBS als gesichert. Die umgehende Vitamin-C-Substitution führte jeweils zu einer zügigen Heilung und Regredienz der Symptome.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Bei chronisch kranken Kindern kommt es auch in westlichen Industrieländern zum MBS. Bei typischer Klinik ist die laborchemische Bestimmung des Vitamin-C-Spiegels entscheidend. Bei zwei von uns behandelten Fällen innerhalb weniger Monate liegt der Verdacht auf eine relevante Dunkelziffer nahe. Im genannten Patientengut gehört der kindliche Skorbut (MBS) in das Spektrum der Differentialdiagnosen und sollte in der kinderorthopädischen Diagnostik Beachtung finden.