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Eine systematische Übersicht und Meta-Analyse zur Bedeutung erniedrigter sL-Selectin (sCD62L) Serumkonzentrationen beim Schwerstverletzten
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Veröffentlicht: | 19. Oktober 2004 |
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Fragestellung
Molekularbiologische Marker fließen zunehmend in statistische Modelle zur Prognoseabschätzung Schwerstverletzter ein. Das Problem dieser innovativen Ansätze liegt derzeit noch in den eher kleinen Stichprobengrößen. Systematische Übersichten und Meta-Analysen könnten durch die Synthese verfügbarer Daten möglicherweise die Schätzpräzision erhöhen und richtungsweisende Marker identifizieren. Wir stellten die Frage nach der prognostischen Bedeutung einer initial niedrigen Serumkonzentration der löslichen Form von L-Selectin (sCD62L), das den ersten Schritt der Adhäsion von Leukozyten am Endothel vermittelt und als Schrittmacher für die post-traumatische Ganzkörperinflammation angesehen wird.
Methoden
In einer systematischen Übersicht wurde in Medline, Embase, dem Cochrane CENTRAL Register, den Datenbanken von DIMDI und wissenschaftlicher Verlage nach prospektiven klinischen Studien gesucht, die bei Polytraumatisierten (ISS >16) wenigstens einen sCD62L-Assay (ELISA) bei Aufnahme im Schockraum und die Mortalität und Morbidität (Lungenversagen bzw. ARDS, SIRS, Pneumonie, Sepsis, MODS) bis 30 Tage nach der Verletzung bestimmten. Manuell wurden die Bibliografien der Originalartikel durchsucht. Alle Autoren wurden per Email kontaktiert und um individuelle Patientendaten gebeten. Die verfügbaren Daten erlaubten keine Aufstellung von Vierfeldertafeln, so dass die zunächst geplante Berechnung gemeinsamer ROC-Kurven nicht möglich war. Um eine Information über die Trennschärfe von sCD62L zu erhalten, wurden die Mittelwertdifferenzen (weighted mean differences, WMD) zwischen Patienten mit und ohne erreichten Endpunkt im Random-effects Modell gepoolt.
Ergebnisse
Mit der Suchstrategie ließen sich 3370 Zitate identifizieren, von denen sieben klinische Studien (691 Patienten, 184 gesunde Kontrollen) den Einschlusskriterien entsprachen. Eine quantitative Datensynthese war für 350 Patienten möglich (gewichtete Mittel: Anteil Männer 74,1%, 95% Konfidenzintervall [KI] 66,7 - 81,4%, Alter 37,4 Jahre, 95% KI 33,5 - 41,2 Jahre, ISS 33,4, 95% KI 24,8 - 41,9). Die Studien entsprachen dem Evidenzgrad 1 b - (d.h., Inzeptionskohortenstudien, >80% Follow-up, jedoch fehlende Validierung in einer zweiten Stichprobe). Individuelle Patientendaten (IPD) stammten aus zwei Zentren, ein weiterer Autor übermittelte zusätzliche Informationen. Signifikant erniedrigte sCD62L-Konzentrationen fanden sich bei 1) Nicht-Überlebenden (WMD -121,0 ng/ml, 95% KI -62,7 - -179,3 ng/ml, p<0,001) und 2) Patienten, die ein ARDS entwickelten (WMD -262,7 ng/ml, 95% KI -113,5 - -411,9 ng/ml, p=0.007).
Schlussfolgerungen
Die vorliegenden Daten rechtfertigen die Durchführung einer großen Kohortenstudie um zu überprüfen, ob ein sCD62L-Assay zur durch die etablierten prognostischen Modelle (z.B. des Prognosemodells auf der Basis der DGU-Register-Daten) nicht erklärten Varianz bei der Abschätzung der Überlebenswahrscheinlichkeit und des Risikos für pulmonale Komplikationen beim Schwerstverletzten beitragen kann.