gms | German Medical Science

67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
89. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie
44. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie

11. bis 16.11.2003, Messe/ICC Berlin

Bestimmt der Markt das Produkt? Aus der Sicht des Klinikers

Kurzbeitrag (DGU 2003)

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  • D. Höntzsch - Tübingen

Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 89. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und 44. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie. Berlin, 11.-16.11.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. Doc03dguD20-8

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgu2003/03dgu0386.shtml

Veröffentlicht: 11. November 2003

© 2003 Höntzsch.
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Gliederung

Text

Zunächst: Wer, was und wo ist der Markt?

Wer: Auf der einen Seite die Industrie, im Prototypen- und im Entwicklungsbereich auch Forschungsinstitute oder wissenschaftliche Gesellschaften, wenn wir an die AO denken und auf der anderen Seite der Abnehmer. Diese Seite war bis vor kurzem in Deutschland durch die Ärzte bestimmt.

Es wird nur möglich sein, die Zustände in Deutschland zu skizzieren. Ausländische Erfahrungen können höchstens angedeutet werden. Auf der Abnehmerseite spielen immer mehr andere Faktoren mit. Zu nennen sind die Wirtschaftsabteilungen der Krankenhäuser, Ausschreibung, finanzielle Rahmenbedingungen durch neue Entgeltsysteme und in Zukunft nicht auszuschließen, Vorgaben durch Krankenkassen und/oder staatliche Organisationen.

Was wird auf diesem „Marktplatz" gehandelt? Das sind Instrumente, Implantate, Operationsmethoden und perioperative Dinge wie Elektrogeräte, Sauger, Jet Lavage, Abdeckmateralien, Tupfer, Verbände, Bildwandler und vieles mehr.

Wo findet der Markt statt? Hier und heute auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und vergleichbare große und kleine Kongresse, in wissenschaftlichen Zeitungen, versteckt in Artikeln und offen in Reklame, im Arztzimmer, im Operationssaal und wie oben beschrieben, immer mehr im Bereich der Verwaltungen von Krankenhäusern und Krankenkassen. In Zukunft wird das Internet bis hin zum elektronischen Markt (eBay?) eine Rolle spielen.

Wo stehen nun wir, die Kliniker?

Diese Frage soll hier nur für die Unfallchirurgie beantwortet werden. Ähnliche Antworten werden sich bei den anderen Fachrichtungen ebenfalls finden.

Bestimmt nun der Markt das Produkt und wie?

Bei einem von seinen Gewichten ausgeglichenen Markt wird dieser tatsächlich bestimmen.

Kann nun die Industrie bestimmen, was angewendet wird?

Kann der Anwender, d.h. der klinisch tätige Arzt allein bestimmen, was er anwenden möchte?

Können die Mittler, d.h. Verwaltungen, Einkaufsabteilungen, Krankenkassen bestimmen?

Bestimmt der einzelne Arzt? Oder die Ärztegemeinschaft?

Bei einem ausgeglichenen Markt lässt sich jede Frage mit „Nein" beantworten. Nur bei einer unguten Asymmetrie und einseitigen Bestimmung entsteht ein Ungleichgewicht.

Derzeit sprechen noch alle Indizien dafür, dass der Markt ausgeglichen ist und dieser im positiven Sinne bestimmt. Hierzu seien Beispiele genannt:

Die heute so erfolgreichen winkelstabilen Plattensysteme gibt es als Nischenprodukt schon lange. Die Frage wer nun den Boom bestimmt hat, lässt sich nur so beantworten: Beide Parteien. Von Seiten der Ärzte musste der Wunsch und die Bereitschaft da sein, das entsprechende Patientengut musste gegeben sein (zunehmende Alterstraumatologie mit Osteoporose) und die Industrie musste die entsprechenden Implantate liefern.

So finden heute winkelstabile Plattenosteosynthesen besonders an den Problemfrakturen nämlich den gelenknahen Frakturen eine breite Anwendung.

Die Marknagelung ist ein Beispiel dafür, dass nach den 70er Jahren nun ein Status mit wenig Innovationen erreicht ist. Aus Sicht des Klinikers gibt es zwischen den Standardmarknagelungen wenig Unterschiede. Zwei innovative Beispiele seien genannt: Der Flexnail von der AO und Synthes. So genial er ist, das Produkt kann nicht einseitig auf den Markt gedrückt werden, wenn es zu teuer ist.

Der expandierbare Nagel muss sich erst ausreichend bewähren bevor er am Markt expandiert. Weder kann die Industrie gegen Widerstand drücken, noch die Ärzte fordern, was technisch nicht geht.

Ein Beispiel, wo es am Markt keinen Ausgleich gegeben hat ist der Pinless-Fixateur. So genial er ist, so sehr er von der Industrie promoted wurde, wenn die Anwender ihn nicht anwenden wollen, nützt weder das technisch geniale Implantat noch der einseitige Druck aus der Industrie. Die Entscheidungen sind beiderseits auch nicht immer rational geführt, sondern durchaus auch emotional und vom Konsens in der Ärztegemeinschaft. Hier kann es durchaus auch große regionale Unterschiede ge-ben.

Als letztes Beispiel sei gezeigt, wie die Administration den Markt bestimmt. In den USA sind alle Elemente des Fixateur externe „only for single use". Dies beeinflusst von administrativer Seite das Marktgeschehen für den Fixateur externe erheblich. Unter diesen Umständen ist es sogar verwunderlich, wie sehr sich die Produkte ähneln, ein Beispiel dafür, dass der klinische Anspruch, den Patienten bestmöglichst zu versorgen, dominiert.

Weitere Beispiele könnten zeigen, dass ein Markt mit ausgeglichenen Kräfteverhältnissen am besten geeignet ist, Implantate und Instrumente zum Wohle der Anwen-dung am Patienten zu optimieren.

In Zukunft wird der Wettbewerb der Finanzierungsmodelle eine schwerwiegende weitere Komponente hinzu fügen. Es werden mehr Situationen denkbar sein, wo die Entscheidung auch für das zweitbeste Implantat fällt.

So lässt sich die Frage beantworten: Auch aus Sicht des Klinikers bestimmt tatsächlich der Markt das Produkt. Es ist jeweils zu analysieren, welche Kräfte bestimmend und dominierend sind oder ob im Idealfall ein ausgeglichenes Verhältnis im Sinne von Angebot und Nachfrage besteht. Damit wäre dem Kliniker und seinen Patienten am meisten gedient.