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Können im In-vitro-Experiment durch eine Seitbeschleunigung Verletzungen der Ligg. alaria erzeugt werden?
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Veröffentlicht: | 11. November 2003 |
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Fragestellung
Ob das Schleudertrauma der Halswirbelsäule zu einer Verletzung der Ligg. alaria führen kann wird aus klinischer wie auch gutachterlicher Sicht nach wie vor kontrovers diskutiert. Biomechanisch konnte nachgewiesen werden, dass diese Bänder insbesondere bei Seitneigung und axialer Rotation belastet werden. Dies sind Bewegungskomponenten, die bei Seitenkollisionen zu erwarten sind. Im vorliegenden Projekt sollte untersucht werden, ob die Ligg. alaria im In-vitro-Experiment durch eine Seitbeschleunigung strukturell und funktionell zu Schaden kommen.
Methoden
Eine Anlage wurde konstruiert, mit deren Hilfe Halswirbelsäulenpräparate unter standardisierten Bedingungen beschleunigt werden können. In dieser Anlage wurden sechs menschliche Präparate C0-T1 einer inkrementalen Seitbeschleunigung unterzogen. D.h. die Präparate wurden zunächst mit 1g beschleunigt, dann mit 2g, 3g, usw. bis eine strukturelle Verletzung erkennbar wurde. Um unter möglichst realistischen Versuchsbedingungen zu arbeiten, wurde ein 4,5kg schwerer Kopfdummy in physiologischer Position an der Hinterhauptschuppe der Präparate angebracht. Um die vor Eintreten der strukturellen Verletzung erwarteten funktionellen Störungen zu erfassen wurde vor und nach jeder Beschleunigung die 3D-Flexibilität in einem Wirbelsäulenbelastungssimulator gemessen. Mit Hilfe des Wilcoxon signed rank Test wurde die Signifikanz der Flexibilitätszunahme nach Beschleunigung statistisch untersucht.
Ergebnisse
Die über die Anlage eingeleitete Beschleunigung dauerte im Mittel 125ms. Für die 1g-Kollision konnte eine Geschwindigkeitsänderung von 4,3km/h, für 2g von 8.1km/h und für 3g von 12,5km/h ermittelt werden. Bei allen sechs Präparaten traten strukturelle Verletzungen der stoßzugewandten Gelenkkapseln und der Bandscheiben der unteren Halswirbelsäule auf. Bei vier Präparaten entstand diese makroskopisch sichtbare Verletzung bei einer Beschleunigung von 2g, bei jeweils einem bei 3g und 4g. Funktionell nahm bei Seitneigung nach rechts der Bewegungsumfang der Präparate von 16,6° vor Beschleunigung auf 19,6° nach Beschleunigung mit 1g zu (p=0.016) und bei Seitneigung nach links von 17,5° auf 19,3° (p=0.031). Dieser Flexibilitätszunahme wurde nicht durch eines der Segmente der oberen und mittleren HWS verursacht. Eine tendenzielle Flexibilitätszunahme konnte bei axialer Rotation vermerkt werden, während Flexion und Extension unbeeinflusst blieben.
Schlussfolgerungen
Die Ligg. alaria überstanden im In-vitro-Experiment Seitbeschleunigungen bis 3g (12,5km/h) ohne erkennbare funktionelle und strukturelle Verletzungen. Ähnlich den aus der Literatur bekannten Ergebnissen zur Heckkollision scheint jedoch auch bei der Seitenkollision die untere HWS einer kritischen Belastung ausgesetzt zu sein. Um in Zukunft auch aus einem In-vitro-Experiment klare Aussagen zu Beschleunigungsgrenzwerten treffen zu können, wird es nötig sein die Halsmuskulatur in geeigneter Weise im Versuchsdesign zu berücksichtigen.