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50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie (DGPW)

Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie e. V.

11.10.-13.10.2012, Hannover

Interdisziplinarität – Herausforderung für die Zukunft

Meeting Abstract

  • M.R.G. Naik - Stade
  • F. Biber - Stade
  • J. Franke - Stade
  • B. Helmke - Stade
  • R. Riemann - Stade

Deutsche Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie (DGPW). Hannover, 11.-13.10.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgpw31

doi: 10.3205/12dgpw31, urn:nbn:de:0183-12dgpw319

Veröffentlicht: 4. Dezember 2012

© 2012 Naik et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: „Nichts Menschliches ist uns fremd“ als Mediziner. Immer wieder stossen wir allerdings auf Kuriositäten, die hinterfragen lassen, wie es zu manchen Krankheitsverläufen kommt und wer dafür verantwortlich ist. Exulzerierte Tumore der Brustwand, die konservativ gepflegt werden und von Patientinnen mit dem Mechanismus der Verdrängung unter der Kleidung verheimlicht werden, sind selten geworden in unserer aufgeklärten Gesellschaft. Dennoch begegnen uns in der Plastischen Chirurgie gehäuft z.B. fortgeschrittene Mammkarzinome zur Brustwandteilresektion und -rekonstruktion. Im gemeinsamen interdsziplinären Vorgehen kann mit vereintem "know-how" geholfen werden. Die Herausforderung ist es, die benachbarte Fachdisziplin zu konsultieren. Am Beispiel von zwei Patientinnen möchten wir eine Brücke schlagen zur Interdisziplinarität als „gelebte Zukunft“.

Kasuistik: Fall 1) Bei einer 80-jährigen Patientin, die biologisch und geistig in einem etwa 10–15 Jahre jüngeren Zustand lebt, besteht seit etwa 8–10 Jahren das progrediente Wachstum eines ausgedehnten, exophytischen, teils ulzerierten Tumors im Bereich der linken Oberlippe. Aus Angst hatte die Patientin bislang jegliche operative Maßnahme abgelehnt. Durch einen Sturz auf die Hüfte erleidet sie eine Schenkelhalsfraktur und wird ins Krankenhaus gebracht. Der Unfallchirurg erkennt den Befund an der Oberlippe und veranlasst die Konsultation des Plastischen Chirurgen. Unter den genannten Umständen kann schließlich das Vertrauen der Patientin gewonnen werden und die R0-Tumorresektion mit primärer Oberlippenrekonstruktion sowie der Hüftgelenkersatz im selben Aufenthalt realisiert werden.

Fall 2) 44-jährige Patientin, allein erziehend, seit 17 Jahren vormundschaftlich von der Freundin betreut, aufgrund sozialer Überforderung, weist einen Unterlippentumor von 8 cm x 4 cm x 3 cm auf. Der Speiseberei und Speichel laufen aus den Mundwinkeln. Der Foetor des zerfallenden Tumors veranlasst den Hausarzt schließlich zur Einweisung beim HNO-Arzt. Dieser führt die Probeexzision durch, die ein verrucöses Plattenepithelkarzinom nachweisen lässt. Unter Konsultation des Plastischen Chirurgen findet die R0-Resektion bei Opferung der Unterlippe zu 95% statt. Die Unterlippenrekonstruktion erfolgt mit modifiziertem beidseitigem Fujimori Gate-flap und die Vermillion-Rekonstruktion durch einen ventralen Tongue-flap. Die Klinik für Psychiatrie wurde hinzugezogen und arbeitet mit dem Betreuungsgericht die Situation auf.

Ergebnisse: Beide Patientinnen sind sozial reintegriert und die soziale Umgebung nimmt die positive Wesensveränderung wahr. In unserer Verantwortung als Chirurgen und Ärzte erkennen wir den Kontext der Krankheitsgeschichte und bemühen uns auch die Situation des Patienten wahrzunehmen und verbinden unser gemeinsames Können im Dienste für unsere Patienten. Das Wahrnehmen der benachbarten Fachdisziplinen und der Verzicht auf Berührungsangst vor dem Kollegen scheinen oftmals eine Hürde oder Herausforderung zu sein. Sie lassen aber das gemeinsame Potential zur Patientenversorgung wachsen. Der effektive interdisziplinäre Schulterschluß unter Ausblendung der eigenen Eitelkeiten lassen zukunftsorientiert den Verdienst für die gesamte Klinik durch das menschliche Handeln zum Erfolg für das Unternehmen werden.