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34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)
Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Bern, 14.09. - 17.09.2017

Entwicklung von Kurzversionen des Artikulations Handicap Index (AHI)

Poster

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 34. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), Dreiländertagung D-A-CH. Bern, Schweiz, 14.-17.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP19

doi: 10.3205/17dgpp62, urn:nbn:de:0183-17dgpp620

Veröffentlicht: 30. August 2017

© 2017 Keilmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Mit dem Artikulations Handicap Index (AHI, [1]) liegt analog zum Voice Handicap Index ein Instrument vor, mit dem die subjektive Beeinträchtigung durch eine Aussprachestörung erfasst werden kann. Der AHI ist unterstützt die Indikation zur Übungsbehandlung und ermöglicht die Messung von Therapieeffekten sowie den Vergleich verschiedener Therapien bei individuellen Patient*innen mit Aussprachestörungen. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Entwicklung von kürzeren Instrumenten, um den Einsatz in der Praxis zu erleichtern.

Material und Methoden: Die Analysen wurden mit Daten von 113 Patienten durchgeführt. Fehlende Daten wurden durch multiple Imputation ersetzt. Von den 30 Items des AHI wurde jeweils das Item der 10 Items zu physischen, funktionellen und emotionalen Einschränkungen gestrichen, das die geringste Korrelation zum Gesamtwert aufwies. Die Reliabilität und Validität der so erhaltenen Fragensets wurden berechnet. Dabei wurde die Reliabilität über Cronbachs Alpha bestimmt und die Validität über die Korrelation des Summenwertes mit einer Einschätzung der gegenwärtigen Einschränkung der Sprachartikulation.

Ergebnisse: Durch das Streichen der ersten 3 Items erhöhten sich Reliabilität und Validität, bis zur Version mit 12 Items (AHI-12) blieben diese Gütekriterien fast gleich, dann reduzierten sie sich jeweils mit einer weiteren Verkürzung, blieben aber auch für die 3-Item-Version (AHI-3) akzeptabel.

Diskussion: Patient*innen sollten durch eine Untersuchung möglichst wenig belastet werden. Mit dem AHI-12 können ähnlich wie mit den kürzeren Versionen des VHI klinische Untersuchungen erfolgen. Mit dem extrem verkürzten AHI-3 ist im Rahmen standardisierter Untersuchungen auch der Aspekt der Aussprachestörung mit wenig Aufwand erfassbar.

Fazit: Auch die kurzen Versionen des AHI (AHI-12, AHI-3) erlauben eine reliable und valide Messung der subjektiven Beeinträchtigung der Aussprache.


Text

Einleitung

Unterschiedlichste Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich können zu Veränderungen der Aussprache führen, so u.a. Tumoren im Bereich von Lippen, Zunge oder Gaumen oder die Folgen ihrer Behandlung, aber auch neurologische Störungsbilder wie eine Dysarthrophonie. Diese Aussprachestörungen können Aktivitäten und Teilhabe der Betroffenen erheblich beeinträchtigen, was weder von der Art der Erkrankung noch vom Ausmaß der Veränderung unmittelbar ableitbar ist. Die Lebensqualität eines Patienten kann stark beeinträchtigt werden, wenn er aufgrund seiner Erkrankung ständig Rückfragen erlebt, Abbrüche der Kommunikation vonseiten des Gesprächspartners erdulden muss oder für betrunken oder geistig behindert gehalten wird. Mit dem Artikulations Handicap Index (AHI, [1]) liegt analog zum Voice Handicap Index [2] ein Instrument vor, mit dem die subjektive Beeinträchtigung durch eine Aussprachestörung erfasst werden kann. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Entwicklung von kürzeren Instrumenten, um den Einsatz in der Praxis zu erleichtern.

Material und Methoden

113 Patienten und Patientinnen, die sich in der Tumorsprechstunde einer Univ.-HNO-Klinik bzw. einer Univ.-MKG-Klinik vorstellten, wurden mithilfe des AHI befragt und um eine globale Einschätzung der Beeinträchtigung der Aussprache gebeten. Einbezogen wurden alle Patienten, bei denen eine Behandlung im Bereich der Artikulationsorgane vorausgegangen war, unabhängig davon, ob sie Einschränkungen der Deutlichkeit der Aussprache angaben. Analog zu den Items des VHI beziehen sich je 10 Items des AHI auf physische, funktionelle und emotionale Einschränkungen. Von den 30 Items des AHI wurde aus jeder der drei Kategorien jeweils das Item entfernt, das die geringste Korrelation zum Gesamtwert aufwies. Die Reliabilität der so erhaltenen, um jeweils drei Items kleineren Fragensets wurde mittels Cronbachs Alpha, die Validität über die Beziehung des Summenwerts zur globalen Einschätzung der Beeinträchtigung der Aussprache bestimmt. Für letzteres wurden drei verschiedene Maße verwendet: 1) Kendall’s Tau, 2) das adjustierte R2 für eine multiple lineare Regression mit dem Summenwert als abhängiger und Dummy-kodierter Selbsteinschätzung als unabhängiger Variable und 3) Nagelkerkes Pseudo-R2 für eine kumulative logistische Regression mit der Selbsteinschätzung als abhängiger und dem Summenwert als unabhängiger Variable.

Ergebnisse

Das Durchschnittsalter der Befragten betrug 61,8 Jahre (± 11,8) und 37(32,7%) waren weiblich. Von den Befragten hatten 38,1% einen Tumor im Stadium T1, 30,5% T2, 10,5% T3 und 21,0% im Stadium T4. 62,8% der Befragten waren operiert worden. Bei 13,3% wurde nur eine Probeexzision durchgeführt. 12,4% hatten eine Bestrahlung, 33,6% eine Radiochemotherapie erhalten.

45,1% empfanden ihre Aussprache als normal, 33,6% als leicht, 15,9% als mittelgradig, als 5,3% als hochgradig beeinträchtigt.

Wie der Tabelle 1 [Tab. 1] zu entnehmen ist, erhöhten sich durch das Streichen der ersten 3 Items Reliabilität und Validität, bis zur Version mit 12 Items (AHI-12) blieben diese Gütekriterien fast gleich, dann reduzierten sie sich jeweils mit einer weiteren Verkürzung, blieben aber auch für die 3-Item-Version (AHI-3) akzeptabel. Tabelle 2 [Tab. 2] gibt die Items des AHI 12 wieder. Eine Gesamtpunktzahl bis 6 Punkte entspricht keiner relevanten Beeinträchtigung, 7–22 Punkte einer leichten, 23–39 Punkte einer mittelgradigen, 40–48 Punkte einer hochgradigen subjektiven Beeinträchtigung durch eine Aussprachestörung.

Diskussion

Die subjektive Betroffenheit durch eine Aussprachestörung ist ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Indikation zur Übungsbehandlung, zur Messung von Therapieeffekten bei individuellen Patient*innen mit Aussprachestörungen, aber auch zum Vergleich verschiedener Therapien. Andererseits sollten Patient*innen durch eine Untersuchung möglichst wenig belastet werden. Mit dem AHI-12 können ähnlich wie mit den kürzeren Versionen des VHI [3], [4] klinische Untersuchungen erfolgen. Mit dem extrem verkürzten AHI-3 ist im Rahmen standardisierter Untersuchungen mit wenig Aufwand auch der Aspekt der Aussprachestörung erfassbar.

Fazit/Schlussfolgerung

Auch die kurzen Versionen des AHI (AHI-12, AHI-3) erlauben eine reliable und valide Messung der subjektiven Beeinträchtigung der Aussprache.


Literatur

1.
Keilmann A, Konerding U, Oberherr C, Nawka T. Articulation handicap index: an instrument for quantifying psychosocial consequences of impaired articulation. Eur Arch Otorhinolaryngol. 2016 Dec;273(12):4493-4500. DOI: 10.1007/s00405-016-4143-x Externer Link
2.
Jacobson BH, Johnson A, Grywalski C, Silbergleit A, Jacobson G, Benninger MS, Newman CW. The Voice Handicap Index (VHI): Development and Validation. Am J Speech Lang Path. 1997;6(3):66-70. DOI: 10.1044/1058-0360.0603.66 Externer Link
3.
Nawka T, Verdonck-de Leeuw IM, De Bodt M, Guimaraes I, Holmberg EB, Rosen CA, Schindler A, Woisard V, Whurr R, Konerding U. Item reduction of the voice handicap index based on the original version and on European translations. Folia Phoniatr Logop. 2009;61(1):37-48. DOI: 10.1159/000200767 Externer Link
4.
Rosen CA, Lee AS, Osborne J, Zullo T, Murry T. Development and validation of the voice handicap index-10. Laryngoscope. 2004 Sep;114(9):1549-56. DOI: 10.1097/00005537-200409000-00009 Externer Link