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29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Einfluss der Störschalldarbietung im Oldenburger Satztest (OLSA)

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Almut Goeze - UKGM, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • Jochen Müller-Mazzotta - UKGM, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • Sabrina Doallo Kramer - UKGM, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • Steffen Schwarz - UKGM, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland
  • author Roswitha Berger - UKGM, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Marburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppV46

doi: 10.3205/12dgpp82, urn:nbn:de:0183-12dgpp826

Veröffentlicht: 6. September 2012

© 2012 Goeze et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Ein Defizit bei der auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung (AVWS) kann das Herausfiltern von Sprache unter Störschallbedingungen sein. Diese Fähigkeit kann z.B. über den OLSA (Oldenburger Satztest) überprüft werden. Ziel war ein Vergleich des Störschall-/ Nutzschall-Abstandes (Signal-Noise-Ratio; SNR) unter unterschiedlichen Bedingungen sowie ein Ergebnisvergleich in unterschiedlichen Altersgruppen.

Material und Methoden: In den Untersuchungsjahren 2006–2012 wurde bei Patienten im Alter zwischen 5 und 16 Jahren, die mit der Fragestellung eines Vorliegens einer AVWS vorgestellt wurden, der OLSA alternativ über Störschall (SS) von frontal oder von diffus durchgeführt. Eine entsprechende SNR wurde ermittelt. Es erfolgte eine Unterteilung in 4 unterschiedliche Altersgruppen (5–6 J., 7–8 J., 9–10 J., 11–12 J., 13–16 J.).

Ergebnisse: SNR bei SS diffus: Altersgruppe 5–6 Jahre (n=69): –4,74 dBnHL (Standardabweichung: 1,93); 7–8 J. (n=263): –5,34 dBnHL (2,61); 9–10 J. (n=215): –6,45 dBnHL (2,37); 11–12 J. (n=82): –7,08 dBnHL (2,93); 13–16 J. (n=32): –7,69 dBnHL (2,48); Gesamt (5–16 J.; n=661): –5,97 dBnHL (2,64)

SNR bei SS frontal: Altersgruppe 5–6 Jahre (n=20) : –1,85 dBnHL (Standardabweichung: 2,18); 7–8 J. (n=108 ): –2,49 dBnHL (2,16); 9–10 J. (n=62 ): –3,75 dBnHL (1,29); 11–12 J. (n=29): –4,02 dBnHL (1,10); 13–16 J. (n=12): –4,63 dBnHL (1,27); Gesamt (5–16 Jahre; n=231): –3,07 dBnHL (1,98)

Diskussion: Bei Angebot des SS von diffus war jeweils eine deutlich günstigere SNR zu ermitteln. Eine Angabe über die Richtung der Störschalldarbietung ist daher erforderlich, um ein entsprechendes Ergebnis einordnen zu können.

Eine Verbesserung des SNR bei zunehmendem Alter konnte im Vergleich der Altersgruppen sowohl bei SS von diffus als auch von frontal aufgezeigt werden. Die Fähigkeit des Herausfilterns unter Störschallbedingungen entwickelt sich während des Grundschulalters deutlich.


Text

Hintergrund

Laut Leitlinien der DGPP sind Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) Störungen zentraler Prozesse des Hörens, die u.a. die vorbewusste und bewusste Analyse, Differenzierung und Identifikation von Zeit-Frequenz- und Intensitätsveränderungen akustischer oder auditiv-sprachlicher Signale sowie Prozesse der binauralen Interaktion (z.B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung und Summation) und der dichotischen Verarbeitung ermöglichen [1]. Ein Defizit bei der auditiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung kann das erschwerte Herausfiltern von Sprache unter Störschallbedingungen sein. Diese Fähigkeit kann z.B. über den OLSA (Oldenburger Satztest) überprüft werden. Ziel unserer Untersuchung war ein Vergleich des Störschall-/ Nutzschall-Abstandes (Signal-Noise-Ratio; SNR) unter unterschiedlichen Bedingungen sowie ein Ergebnisvergleich in unterschiedlichen Altersgruppen.

Material und Methoden

Die Testung erfolgte im Rahmen unserer Diagnostik in den Untersuchungsjahren 2006-2012 bei Patienten im Alter zwischen 5 und 16 Jahren, die mit der Fragestellung eines Vorliegens einer AVWS vorgestellt wurden.

Im Olsa werden als Sprachmaterial (Nutzschall) Testsätze in der Form Name/ Verb/ Zahl/ Adjektiv/ Objekt mit zufälliger Kombination aus einem Inventar von insgesamt 50 Wörtern verwendet (daher nicht immer sinnergebend). Als Störschall wird ein sprachsimulierendes Rauschen verwendet, das im Langzeitspektrum mit dem des Satzmaterials übereinstimmt.

Der Störschallpegel beträgt 65 dB, der Pegel des Nutzschalls wird adaptiv je nach Anzahl der korrekt verstandenen Wörter für den darauf folgenden Satz angepasst. Zunächst erfolgt eine Übungsphase von 20 Sätzen, anschließend wird eine Testbatterie von 30 Sätzen durchgeführt.

In unserem Testaufbau wurde der OLSA alternativ über Störschall (SS) von frontal oder von diffus durchgeführt, der Nutzschall wurde jeweils von frontal angeboten. Eine entsprechende SNR wurde ermittelt. Es erfolgte eine Unterteilung in 4 unterschiedliche Altersgruppen (A: 5–6 Jahre, B: 7–8 Jahre, C: 9–10 Jahre, D: 11–12 Jahre, E: 13–16 Jahre).

Ergebnisse

Signal to noise-Ratio bei Störschall diffus:

Altersgruppen:

5–6 Jahre (n=69): Mittelwert: –4,74 dB (Standardabweichung: 1,93);

Median: –4,75 dB

7–8 J. (n=263): Mittelw.: –5,34 dB (2,61); Median: –5,65 dB

9–10 J. (n=215): Mittelw.: –6,45 dB (2,37); Median: –6,35 dB

11–12 J. (n=82): Mittelw.: –7,08 dB (2,93); Median: –6,93 dB

13–16 J. (n=32): –7,69 dBnHL (2,48); Median: –7,30 dB

Gesamt (5–16 J.; n=661): –5,97 dB (2,64); Median: –6,00 dB

Signal to noise-Ratio bei Störschall frontal:

Altersgruppen:

5–6 Jahre (n=20) : Mittelw.: –1,85 dB (Standardabweichung: 2,18); Median: –2,53 dB

7–8 J. (n=108): Mittelw.: –2,49 dBnHL (2,16); Median: –2,95 dB

9–10 J. (n=62): Mittelw.: –3,75 dBnHL (1,29); Median: –4,05 dB

11–12 J. (n=29): Mittelw.: –4,02 dBnHL (1,10); Median: –4,05 dB

13–16 J. (n=12): Mittelw.: –4,63 dBnHL (1,27); Median: –4,60 dB

Gesamt (5–16 Jahre; n=231): Mittelw.: –3,07 dBnHL (1,98); Median: –3,45 dB

Abbildung 1 [Abb. 1]: Median der Signal to noise-Ratio.

Diskussion

Durch die Trennung von Sprachsignal und Störgeräusch kann eine Verbesserung der SNR erreicht werden. Diese Situation kann mit der Intelligibility Level Difference (ILD) bei Vergleich SS/NS frontal bzw. SS frontal/ NS 90° nachgewiesen werden und beträgt beim Normalhörenden etwa 6–12 dB [2].

In unserer Untersuchung zeigte sich ebenfalls eine Besserung bei Trennung der Störschallquelle von der Nutzschallquelle, in unserer Untersuchung über einen Deckenlautsprecher mit diffusem Störschall. Die Differenz ist jedoch geringer als bei Darbietung des Störschalls von seitlich mit 90°.

Entsprechend anderen Untersuchungen mit einer kleineren Gruppe normalhörender Grundschulkinder (mit OLSA und OLKISA) [3]) konnte auch in unserer Untersuchung mit Kindern mit Verdacht auf AVWS eine Verbesserung des SNR bei zunehmendem Alter sowohl bei SS von diffus als auch von frontal aufgezeigt werden.

Fazit

Eine Angabe über die Richtung der Störschalldarbietung bei Sprachtestungen unter Störschallbedingungen (z.B. OLSA) ist erforderlich, um ein entsprechendes Ergebnis des SNR einordnen zu können.

Die auditive Selektionsfähigkeit ist altersabhängig und verbessert sich im Laufe des Grundschulalters weiter.


Literatur

1.
Ptok M, am Zehnhoff-Dinnesen A, Nickisch A. Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen-Definition. HNO. 2010;58:617-20
2.
Wagener K Brand T, Kollmeier B. Entwicklung und Evaluation eines Satztests für die deutsche Sprache I-III: Design, Optimierung und Evaluation des Oldenburer Satztests. ZfA. 1999;38(1-3):4-15, 44-56, 86-95.
3.
Wagener KC. Moderne Sprachverständlichkeitstests für Kinder. DGA 8. Jahrestagung Göttingen 2005, Tagungs-CD, ISBN 3-9809869-4-2