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29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Effekte der Funktionellen Dysphagietherapie (FDT) bei einem Patienten mit pharyngealer Dysphagie

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Kerstin Erfmann - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
  • Cornelia Eckers - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
  • Bernd J. Kröger - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
  • Christiane Neuschaefer-Rube - Klinik für Phoniatrie, Pädaudiologie und Kommunikationsstörungen, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppP29

doi: 10.3205/12dgpp65, urn:nbn:de:0183-12dgpp655

Veröffentlicht: 6. September 2012

© 2012 Erfmann et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bislang ist die Forschungslage zur Wirksamkeit der Funktionellen Dysphagietherapie (FDT) im Allgemeinen und von einzelnen Übungen sehr heterogen bzgl. ihrer Ergebnisse. Mit der vorliegenden Einzelfallstudie sollte zur Verbesserung der Forschungslage beigetragen werden. Daher wurde untersucht, ob ein störungsspezifischer Übungskomplex aus Verfahren der FDT, bei einem Patienten mit pharyngealer Dysphagie zu einer Verbesserung der beübten Schluckfunktionen führt. Ferner wurde untersucht, ob die Ergebnisse ausgewählter Übungen der FDT (u.a. Effortful swallowing und Masako-Manöver) zum erwarteten Therapieerfolg führen.

Material und Methoden: Die zweiwöchige Therapie bestand aus je zwei Therapieeinheiten pro Tag à 30 Minuten. Vor und nach der Therapie wurde eine FEES Untersuchung durchgeführt und mittels Bogenhauser Dysphagiescore (BODS) sowie der Penetrations-Aspirationsskala (PAS) beurteilt. Ebenso wurde die Residuenmenge im Oro- und Hypopharynx anhand der FEES-Videos durch mehrere Beurteiler bewertet. Für die ausgewählten Übungen der FDT wurde eine Bewertung der Zungenretraktionskraft anhand eines manuellen Muskeltests vorgenommen.

Ergebnisse: Die Auswertung des BODS und der PAS ergab eine Verringerung des Schweregrades sowie eine Steigerung in der Effektivität der Reinigungsfunktion. Die inferenz-statistische Auswertung der Ergebnisse aus der Videobeurteilung wurde mittels Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtests vorgenommen und ergab eine signifikante Verringerung der Residuen für alle Beurteiler. Die Ergebnisse der ausgewählten Verfahren ergaben eine Steigerung der Zungenkraft.

Diskussion: Die vorliegenden Ergebnisse dieser Studie unterstützen die Wirksamkeit der FDT. Die Studie leistet somit einen Beitrag zur aktuellen Forschungslage in diesem Bereich und zur Evaluation der FDT.


Text

Einleitung und Hintergrund

Im Rahmen der demografischen Entwicklung wird die Anzahl geriatrischer Patienten mit Bedarf an logopädischer Behandlung in den kommenden Jahren zunehmen [1]. Dazu zählen auch Patienten mit einer Störung der Schluckfunktion (Dysphagie) [2]. Dysphagien werden hinsichtlich des Ortes der Schluckproblematik bzw. der betroffenen Phase während des Schluckvorgangs (präoral, oral, pharyngeal und ösophageal) voneinander unterschieden. Ohne eine effektive Diagnose und Therapie können schwerwiegende Folgen, wie Lungenentzündung, Dehydration oder Malnutrition hervorgerufen werden [2]. Dementgegen steht die bisher unzureichende Evaluation aktueller Diagnostik- und Therapieverfahren im Rahmen der Dysphagie. Daher ist das Ziel der vorliegenden Studie, einen Beitrag zur Forschungslage in Bezug auf die Wirksamkeit eines Verfahrens der Dysphagietherapie bei einem Einzelfall zu leisten.

Mit der vorliegenden Einzelfallstudie wurde untersucht, ob ein störungsspezifischer Übungskomplex aus schwerpunktmäßig restituierenden Verfahren der Funktionellen Dysphagietherapie (FDT), bei einem Patienten mit pharyngealer Dysphagie nach zweiwöchiger Therapie zu einer Verbesserung der beübten Schluckfunktionen führt. Ferner wurde untersucht, ob die Ergebnisse ausgewählter Übungen der FDT (u.a. Effortful swallowing und Masako-Manöver) zum erwarteten Therapieerfolg führen [3].

Material und Methode

Der an der Studie teilnehmende Patient war männlich, 71 Jahre alt und litt an einer pharyngealen Dysphagie. Die zweiwöchige Therapie mit insgesamt 17 Therapieeinheiten (TE), wurde mit einer Frequenz von je zwei TE pro Tag á 30 Minuten durchgeführt. Die Schluckfunktion wurde im Rahmen eines Prä- und Posttests anhand folgender klinischer, apparativer und metrischer Diagnostikverfahren erhoben: In Bezug auf die übergeordnete Fragestellung wurde zur Beurteilung des Schweregrades der Dysphagie der Bogenhauser Dysphagiescore (BODS) nach Bartolome verwendet. Des Weiteren wurde die Penetrations-Aspirationsskala (PAS) nach Rosenbek, ergänzt durch die Murray-Kriterien zur Effektivität der Reinigung des Hypopharynx nach Aufforderung, eingesetzt [4]. Zusätzlich erfolgte die Beurteilung der Videoaufnahmen der FEES durch drei unabhängige Beurteiler mittels eines Protokollbogens in Anlehnung an Bartolome [5]. Für die Beurteilung der Effektivität des Effortful swallowing und Masako-Manövers wurde eine Bewertung der Zungenretraktionskraft anhand des manuellen Muskeltests nach Daniels und Worthingham [6] vorgenommen.

Ergebnisse

Die Auswertung des BODS und der PAS ergab eine Verringerung des Schweregrades sowie eine Steigerung hinsichtlich der Effektivität der Reinigungsfunktion. Der BODS Gesamtwert ergab im Vortest (VT) den Wert 7 von 8 (mittelschwere Dysphagie) und im Nachtest (NT) einen Wert von 5 (mäßiggradige Dysphagie). Die PAS wurde im VT und NT mit 6 von 8 für flüssige Konsistenzen bewertet. Für breiige und feste Nahrung lag die Einschätzung im VT bei 5 und im NT bei 4. Die inferenz-statistische Auswertung der Ergebnisse aus der Videobeurteilung wurde mittels Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtests vorgenommen und ergab eine signifikante Verringerung der Residuen durch alle Beurteiler (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Ergebnisse für die kombinierte Therapie aus Effortful swallowing und Masako-Manöver ergaben eine Steigerung der Zungenkraft von Punktwert 1 von 5 (gerade noch spürbare Aktivität) bis hin zu Punktwert 4 (Bewegung gegen leichten bzw. moderaten Widerstand).

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Einzelfallstudie sprechen dafür, dass ein störungsspezifischer Übungskomplex aus Verfahren der FDT bei einem Patienten mit pharyngealer Dysphagie, zu einer Verbesserung der beübten Funktionen im Schluckvorgang führt. Dies zeigte sich sowohl in den qualitativen Messergebnissen (BODS und PAS), als auch in der signifikanten Verringerung der Residuen im Oro- und Hypopharynx. Die FEES Videos wurden durch mehrere Beurteiler im Anschluss an die Studie beurteilt. Die Störvariable der Antwortverzerrung konnte aufgrund der zufälligen Präsentation der Videos, ohne Kenntnis der Beurteiler darüber, bei welchem Video es sich um die Prä- oder Posttest-Untersuchung handelte, eliminiert werden. Auf die Berechnung einer Inter- und Intraratervariabilität im Rahmen der Videobeurteilung wurde in dieser Studie verzichtet, so dass eine unterschiedliche Vorgehensweise bzw. subjektive Einschätzung der Beurteiler nicht ausgeschlossen werden kann. Für die kombinierte Therapie aus Masako-Manöver und Effortful swallowing konnte anhand der Messung der Kraftsteigerung in der Zungenmuskulatur eine Verbesserung nachgewiesen werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der gesamte Übungskomplex der FDT, sowie die Kombination der verwendeten Verfahren, einen Einfluss auf die einzeln beübten Funktionen, im Bereich der ausgewählten Methoden der FDT haben konnte.

Fazit

Die vorliegenden Ergebnisse dieser Einzelfallstudie bestätigen die Hypothese zur Wirksamkeit der FDT. Die Studie leistet somit einen kleinen weiteren Beitrag zur aktuellen Forschungslage in diesem Bereich und zur Evaluation der FDT. Eine Erhöhung der Anzahl der Therapieeinheiten könnte möglicherweise zu einer weiteren Verbesserung der Schluckproblematik führen. Weitere Forschung zur Evaluation von Diagnostikverfahren und Therapiemethoden an einer größeren Stichprobe und hinsichtlich unterschiedlicher Formen und Ausprägungen von Dysphagien ist wünschenswert.


Literatur

1.
Wunsch H, Jones AT & Scales DC. Intensive Care for the Elderly: Current and Future Concerns. In: Vincent J-L, ed. Intensive Care Medicine. New York: Springer Verlag; 2009. p. 935-43.
2.
Robbins JA, Langmore S, Hind JA, Erlichman M. Dysphagia research in the 21st century and beyond: Proceedings from Dysphagia Experts Meeting 2001. Journal of Rehabilitation Reasearch & Development (JRRD). 2002;39:543-8.
3.
Bartolome G und Schröter-Morasch H. Schluckstörungen - Diagnostik und Rehabilitation. 4. Auflage. München: Elsevier; 2010.
4.
Rosenbek JC, Robbins JA, Roecker EB, Coyle JL, Wood JL. A penetration-aspiration scale. Dysphagia. 1996;11(2):93-8.
5.
Bartolome G. Grundlagen der Funktionellen Dysphagietherapie (FDT). In: Bartolome G, Schröter-Morasch H, eds. Schluckstörungen – Diagnostik und Rehabilitation. München: Elsevier; 2006. p. 246-370.
6.
Hislop HJ, Montgomery J. Manuelle Muskeltests - Untersuchungstechniken nach Daniels und Worthingham. München: Urban & Fischer; 2007.