gms | German Medical Science

29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

21.09. - 23.09.2012, Bonn

Registerübergänge auf ausgehaltenen Tönen bei professionellen Tenören

Vortrag

Suche in Medline nach

  • corresponding author presenting/speaker Matthias Echternach - Institut für Musikermedizin, Uniklinik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Louisa Traser - Institut für Musikermedizin, Uniklinik Freiburg, Freiburg, Deutschland; Universitäts-HNO-Klinik Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • Bernhard Richter - Institut für Musikermedizin, Uniklinik Freiburg, Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 29. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Bonn, 21.-23.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12dgppV17

doi: 10.3205/12dgpp29, urn:nbn:de:0183-12dgpp295

Veröffentlicht: 6. September 2012

© 2012 Echternach et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: Die physiologischen Vorgänge während des Registerübergangs bei professionellen Sängern sind nach wie vor nicht vollständig geklärt.

Material und Methoden: Wir untersuchten Registerübergänge auf der Tonhöhe f` (349 Hz) von der Bühnenstimmfunktion zum Falsett bei 7 professionellen Tenören in den Vokalkonditionen /a, e, i, o, u, æ/ mittels Audiosignal und Elektroglottographie.

Ergebnisse: Bei fast allen dieser Registerübergänge zeigte sich eine kontinuierliche Veränderung von Kontaktquotienten und Audiosignal ohne Hinweis auf eine abrupte Änderung der Biomechanik. Lediglich bei der Messung von Perturbationswerten war eine geringgradige Erhöhung des Jitter-Maßes im Registerübergangsbereich darstellbar.

Diskussion: Durch die kontinuierlichen Verläufe ohne akutes Ereignis im Sinne nicht linearer Eigenschaften scheint eine klare Trennung bzw. Zuordnung der Register anhand der Audio- und EGG Signale während der Übergangsphase schwierig.


Text

Einleitung

In vorhergehenden Studien konnte gezeigt werden, dass sich bei Registerübergängen bei untrainierten Stimmen Erhöhungen von Perturbationsmaßen ereignen [1]. Solche Erhöhungen ließen sich auch bei Registerwechseln bei professionellen Tenören bei ansteigender Grundfrequenz, nicht aber bei absteigender Grundfrequenz nachweisen [2]. Frequenzperturbationsmasse wie der Jitter reagieren jedoch sensitiv auf Frequenzmodulationen [1]. Im Gegensatz zu nicht trainierten Sängern haben trainierte Sänger die Möglichkeit, eine Registermodulation auch auf einer konstanten Tonhöhe auszuführen. In dieser Studie soll der Frage nachgegangen werden, ob sich Unterschiede in der Zone des Registerwechsels bzw. zwischen den Registerkonditionen aufzeigen lassen, wenn professionelle Tenöre einen Registerwechsel auf einer gleich bleibenden Tonhöhe durchführen.

Material und Methoden

Sieben professionelle Tenöre (24 bis 45 Jahre, Mittel 33,1 Jahre) wurden aufgefordert, einen gleitenden Wechsel vom Modalregister zum Falsett auf einer gleich bleibenden Tonhöhe und mit gleicher Intensität durchzuführen. Während des Experiments erfolgte eine simultane Aufzeichnung des Audiosignals und des elektroglottographischen Signals (EGG) mit dem Laryngographen (Fa. Laryngograph, London). Die Bestimmung der Irregularitätsmaße des Jitters und Shimmers erfolgten mit der Speech Studio Software (Laryngograph). Zusätzlich wurde auch eine Darstellung der Intensität und Grundfrequenz mit der PRAAT Software (Universität Amsterdam) durchgeführt. Die Sequenzen der Tonwechsel wurden jeweils auf der Tonhöhe F4 (349 Hz) auf den Vokalen /a/, /e/, /i/, /o/, /u/ und auf dem Laut /ae/ durchgeführt. Die einzelnen Untersuchungen auf den verschiedenen Vokalen wurden als separate Einzeluntersuchungen betrachtet.

Für die Analyse wurden 3 Zeitfenster gebildet. Ähnlich den vorangegangenen Studien wurde ein initiales Zeitfenster von 500 ms (Modalregister), ein folgendes Zeitfenster von 500 ms, welches den Registerübergang repräsentieren soll, und ein finales Zeitfenster, welches die Falsettfunktion repräsentieren soll, gebildet. Ein Problem stellte in der Auswertung die Bildung des Zeitfensters des Registerüberganges dar. Da zwei von drei Experten in keiner der Sequenzen vom Höreindruck her sicher einen Registerübergang identifizieren konnten, wurde zur Bestimmung des Fensters der elektroglottographische Kontakt-Quotient zur Hilfe genommen. Da angenommen wird, dass sich der Kontakt-Quotient in den Registern unterscheidet [3], wurde der zeitliche Mittelpunkt dieses Zeitfensters an die Stelle gesetzt, an der 50 Prozent des Unterschiedes zwischen dem maximalen Kontakt-Quotienten und minimalen Kontakt-Quotienten erreicht wurden (Abbildung 1 [Abb. 1]). Um diesen Zeitpunkt herum wurde das Zeitfenster mit ±250 ms gebildet. Die initialen bzw. finalen Zeitfenster wurden zum Zeitpunkt des maximalen bzw. minimalen Kontakt-Quotienten gebildet.

Ergebnisse

Bei keinem der Tenöre trat ein Frequenzsprung auf. Die Registerübergänge gingen bei allen Probanden mit einer statistisch signifikanten (p<0,001) Minderung des Kontakt-Quotienten in den gemessenen Intervallen einher. Gleichwohl kam es beim Übergang in einigen Sequenzen zu einer starken Wechselhaftigkeit des Kontakt-Quotienten, zum Teil einem Flattern gleichend. Obwohl die Grundfrequenz möglichst stabil gehalten werden sollte, wurde während des Übergangs eine leichte, wenngleich statistisch signifikante (p<0,01), Erhöhung der Grundfrequenz festgestellt. Auch nahm der Schalldruckpegel beim Registerwechsel deutlich ab und blieb in der Falsettfunktion auf einem ähnlichen Pegel (Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Frequenzperturbationsparameter Jitter (p<0,001) wies im Gegensatz zum Shimmer (n.s.) im Bereich des Registerüberganges erhöhte Werte auf (Abbildung 2 [Abb. 2]).

Nach der Übergangsregion nahm der Jitter wieder ab, verblieben im Falsett jedoch auf einem höheren Wert als im Modalregister (p<0,01).

Es bleibt darauf hinzuweisen, dass bei vielen Registerübergängen eindeutige Sprünge der EGG-Amplitude, des Schalldruckpegel oder im Audiosignal fehlten. Ein solches Beispiel ist in Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellt. Hier deutlich zu sehen ist, dass in einem Zeitfenster von ca. 300 ms die Änderungen des EGG-Signals und des Audiosignals sehr langsam von statten gehen.

Diskussion

Die vorliegende Studie zeigt, dass professionelle Tenöre zumeist die Fähigkeit besitzen, Registerunterschiede auszugleichen. Durch die kontinuierlichen Verläufe ohne akutes Ereignis im Sinne nicht linearer Eigenschaften scheint eine klare Trennung bzw. Zuordnung der Register anhand der Audio- und EGG Signale während der Übergangsphase schwierig.

Im Gegensatz zu nicht stimmtrainierten Probanden besitzen professionelle Sänger häufig die Fähigkeit, einen Registerwechsel bei annähernder Konstanz der Grundfrequenz durchzuführen. In der vorgestellten Studie konnte in Ergänzung zu vorhergehenden Untersuchungen [2] dargestellt werden, dass ein Registerübergang mit Erhöhungen von Perturbationsparametern vergesellschaftet sein kann, welche nicht allein auf eine Änderung der Tonhöhe zurückzuführen sind. Die Erhöhung des Jitters lag deutlich unter den Werten von ascendierenden Registerübergängen und deutlich über den Werten für die descendierenden Sequenzen der vorangegangenen Studie [2]. Somit stellen die Daten dieser Studie nahezu Mittelwerte der ascendierenden und descendierenden Sequenzen der vorherigen Studie [2] dar, obwohl es sich in dieser Studie um ein anderes Probandenkollektiv handelt. Die Frequenzstabilität scheint nach diesen Studien somit vor allem bei descendierenden Übergängen am größten.

In der vorliegenden Untersuchung kam es nach dem Übergang wieder zu einer Minderung des Jitter im Falsett. Dieser blieb allerdings statistisch signifikant über dem Wert für das Modalregister. Somit bestätigen diese Daten die Beobachtung der vorherigen Studien [2], dass das Falsett bei den gemessenen Tenören nicht so stabil hinsichtlich der Frequenz ist, wie das Modalregister. Anzumerken bleibt jedoch, dass speziell Tenöre selten das Falsett nutzen, sondern höhere Tonhöhen vor allem in einer Registersonderfunktion (Stage Voice above Passaggio, Kopfstimme, Voix mixte) gesungen werden. Ob solche Änderungen auch an Probanden, wie z.B. professionellen männlichen Altisten, welche vorwiegend im Falsett phonieren, in Erscheinung treten, muss in zukünftigen Untersuchungen geklärt werden.

Die Änderungen der Grundfrequenz waren zwar signifikant, bewegten sich jedoch in einem geringen Rahmen von nicht einmal einem Halbton. Damit lagen diese Abweichungen der Frequenzänderungen im Rahmen eines üblichen Vibratos [4].

Ein Problem des dargestellten Datenmaterials stellt die sichere Zuordnung der Stimmfunktion – insbesondere während des Registerüberganges – zu den entsprechenden Registern dar. Bei ungeübten Stimmen scheinen diese Grenzen von Stimmregistern relativ gut nachweisbar. So kommt es teilweise zum Wegspringen der Stimme in ein anderes Register. Doch auch bei weicheren Übergängen lassen sich Änderungen des Klangspektrums oder des elektroglottographischen Kontaktquotienten nachweisen. In den vorliegenden Untersuchungen kam es häufig zu sehr kontinuierlichen Änderungen des Stimmsignals. Wie in Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellt, dauerte z.T. ein solcher Übergang 300 ms. Bei einer Grundfrequenz von etwa 350 Hz entspricht dieses gerundet 100 glottalen Zyklen. Während dieser vergleichsweise langen Zeit ist kein wirklicher Sprung des Signals erkennbar. In anderen Worten: Wenn man von der (Un)Farbe Weiß zu Schwarz wechseln will, würde man bei untrainierten Stimmen bei einem Registerübergang zumeist einen Farbunterschied feststellen können. Bei den hier untersuchten klassisch trainierten Tenören zeigen sich jedoch viele Graustufen, die so nahtlos ineinander übergehen, dass man nicht genau sagen kann wo Weiß endet und Schwarz beginnt, so dass man während des Übergangs diese Zustände nicht den Registern zugeordnet werden können.


Literatur

1.
Echternach M, Sundberg J, Zander MF, Richter B. Perturbation measurements in untrained male voices' transitions from modal to falsetto register. J Voice. 2011 Nov;25(6):663-9. DOI: 10.1016/j.jvoice.2010.01.013 Externer Link
2.
Echternach M, Richter B. Passaggio in the professional tenor voice-evaluation of perturbation measures. J Voice. 2012 Jul;26(4):440-6. DOI: 10.1016/j.jvoice.2011.03.004 Externer Link
3.
Roubeau B, Henrich N, Castellengo M. Laryngeal vibratory mechanisms: the notion of vocal register revisited. J Voice. 2009 Jul;23(4):425-38. DOI: 10.1016/j.jvoice.2007.10.014 Externer Link
4.
Seidner W, Wendler J. Die Sängerstimme. 4. Auflage. Berlin: Henschel Verlag; 2004.