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28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
2. Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie; Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

09.09. - 11.09.2011, Zürich, Schweiz

Vergleich verschiedener Nutzschallpegel im Störschalltest bei Cochlea-Implantat-Trägern

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Arne Knief - Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster und Universität Münster, Münster, Deutschland
  • author Peter Matulat - Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster und Universität Münster, Münster, Deutschland
  • author Dirk Deuster - Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster und Universität Münster, Münster, Deutschland
  • author Claus-Michael Schmidt - Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster und Universität Münster, Münster, Deutschland
  • author Ken Rosslau - Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster und Universität Münster, Münster, Deutschland
  • author Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen - Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Münster und Universität Münster, Münster, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), 2. Dreiländertagung D-A-CH. Zürich, 09.-11.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dgppV37

doi: 10.3205/11dgpp50, urn:nbn:de:0183-11dgpp501

Veröffentlicht: 18. August 2011

© 2011 Knief et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die fortschreitende Entwicklung von Cochlea-Implantatsystemen (CI) stellt immer höhere Anforderungen an die Evaluation des Sprachverstehens. Dieser Herausforderung kann mit Sprachtests im Störschall wie z.B. dem Oldenburger Satztest (OLSA) begegnet werden. Beim Freiburger Einsilbertest wird häufig das beste Sprachverstehen bei einer Lautstärke von 75 dB erreicht, obwohl diese Lautstärke oberhalb des Dynamikbereichs des Mikrofons liegt. Ist also bei einem Test im Störschall ein ähnliches Phänomen zu beobachten? Um diese Frage zu beantworten, wurde der OLSA vergleichend bei den Nutzschallpegeln von 65 dB und 75 dB untersucht.

Material und Methoden: Bei 50 Patienten mit einem CI-System der Firma Cochlear wurde der OLSA bei festen Nutzschallpegeln von 65 dB und 75 dB zu gleichen Untersuchungsterminen durchgeführt. Der Störschallpegel wurde variiert und die Reihenfolge der beiden Nutzschallpegel randomisiert.

Ergebnisse: Der Vergleich der beiden durchgeführten Tests ergab eine signifikante Verbesserung des zweiten gegenüber dem ersten von 2,4 dB (p<0,001). Ein Vergleich der Lautstärken ergab einen um 0,9 dB besseren Wert bei 65 dB gegenüber 75 dB (p=0,15). Wurden die Tests bei 65 dB begonnen so ergab sich signifikante Verbesserung um 1,3 dB vom ersten zum zweiten Test (p=0,048) und bei Beginn mit 75 dB eine Verbesserung von 3,8 dB (p=0,001).

Diskussion: Es zeigt sich beim Gesamtvergleich zwischen dem ersten und zweiten Test eine deutliche Verbesserung. Dies kann mit dem schon bekannten Lerneffekt beim OLSA erklärt werden. Dieser Lerneffekt erscheint bei Beginn mit 75 dB wesentlich ausgeprägter zu sein als bei 65 dB. Insgesamt werden bei 65 dB leicht bessere Testergebnisse erzielt als bei 75 dB. Da die Eingangsdynamik des Sprachprozessors auf 65 dB begrenzt war, ist anzunehmen, dass die Sprachkodierung bei 65 dB für den CI-Träger ein mit weniger Höranstrengung zu entzifferndes Signal liefert als bei 75 dB, der Lerneffekt bei 65 dB im OLSA also geringer ist.


Text

Hintergrund

Die fortschreitende Entwicklung von Cochlea-Implantatsystemen stellt immer höhere Anforderungen an die Evaluation des Sprachverstehens. Dieser Herausforderung kann mit Sprachtests im Störschall wie z.B. dem Oldenburger Satztest [1] begegnet werden. Beim Freiburger Einsilbertest [2] wird das beste Sprachverstehen bei Cochlea-Implantat-Trägern bei einer Lautstärke um 70 dB erreicht [3], obwohl diese Lautstärke oberhalb des Dynamikbereichs des Mikrofons liegt. Ist also bei einem Test im Störschall ein ähnliches Phänomen zu beobachten? Um diese Frage zu beantworten, wurde der Oldenburger Satztest vergleichend bei den Nutzschallpegeln von 65 dB und 75 dB untersucht. Im Vergleich zum Freiburger Einsilbertest werden beim Oldenburger Satztest Lerneffekte beobachtet, die bei Normalhörenden bei 2–3 dB liegen. Es soll daher außerdem untersucht werden, ob diese bei Cochlea-Implant-Trägern in ähnlicher Größenordnung liegen und ob sie von den gewählten Versuchsbedingungen wie der Lautstärke abhängen.

Material und Methoden

59 Messungen von Patienten mit einem Cochlea-Implantat-System der Firma Cochlear gingen in die Auswertung ein. Die Patienten nahmen innerhalb ihre routinemäßigen Einstellungskontrollen teil. Die Ergebnisse der Hörtests dienten vorrangig der Optimierung und Evaluation der Sprachprozessoreinstellungen. Den Patienten war der Ablauf und die Durchführung des Oldenburger Satztests aus vorangegangenen Terminen bekannt, so dass schon im Vorfeld von einem Training ausgegangen werden konnte. Ein explizites Training wurde für die Messungen nicht durchgeführt. Der Oldenburger Satztest wurde bei festen Nutzschallpegeln von 65 dB und 75 dB zu gleichen Untersuchungsterminen durchgeführt. Der Störschallpegel wurde variiert und die Reihenfolge der beiden Nutzschallpegel randomisiert. Pro Messung wurden 30 Sätze abgefragt.

Ergebnisse

Der Vergleich der beiden durchgeführten Tests ergab eine signifikante Verbesserung des zweiten gegenüber dem ersten von 2,4 dB ± 0,6 dB (p<0,001). Ein Vergleich der Lautstärken ergab einen um 0,9 dB ± 4,9 dB besseren Wert bei 65 dB gegenüber 75 dB (p=0,15). Die Ergebnisse aus den gepaarten Tests korrelierten signifikant mit r=0,69 (p<0,001).

Wurde mit der Lautstärke 65 dB begonnen (Abbildung 1 [Abb. 1]), so wurde der zweite Test bei 75 dB um 1,3 dB ± 0,6 dB besser abgeschlossen (p=0,048). Bei Beginn mit der Lautstärke 75 dB ergab der zweite Test ein um 3,8 dB ± 1,0 dB besseres Ergebnis (p=0,001).

Diskussion

Es zeigt sich beim Gesamtvergleich zwischen dem ersten und zweiten Test eine deutliche Verbesserung. Dies kann mit dem schon bekannten Lerneffekt beim Oldenburger Satztest erklärt werden. Dieser Lerneffekt erscheint wesentlich ausgeprägter zu sein, wenn mit 75 dB begonnen wurde als mit 65 dB. Der Effekt bei Beginn mit 65 dB liegt in der Größenordnung, wie er sonst als Test-Retest-Abweichung gefunden wird [1], [4], [5]. Insgesamt werden bei 65 dB zwar die besseren Testergebnisse erzielt als bei 75 dB, ein signifikanter Unterschied konnte jedoch nicht festgestellt werden. Die Eingangsdynamik der benutzten Sprachprozessoren war auf 65 dB begrenzt. Es kann daher angenommen werden, dass die Sprachkodierung bei 65 dB für den Cochlea-Implant-Träger ein Signal liefert, das mehr Modulation und eine bessere Trennung von Sprache und Rauschsignal liefert. Das Signal bei 75 dB erfordert für das Entziffern mehr Übung und „Einhören“ in den Test, was zwar durch die vorangehenden Sätze bei 65 dB geleistet werden konnte, eine vorangehende Durchführung bei 75 dB und dann die Testung bei 65 dB liefert allerdings den größeren Lerneffekt. Zukünftige Untersuchungen die die Höranstrengung und die genaue Signalkodierung im Sprachprozessor bei unterschiedlichen Lautstärken mit einbeziehen, sollten hier interessante Zusatzinformationen liefern.


Literatur

1.
Wagener K, Brand T, Kollmeier B. Entwicklung und Evaluation eines Satztests in deutscher Sprache III: Evaluation des Oldenburger Satztests. Z Audiologie. 1999;38:86-95.
2.
Hahlbrock KH. Sprachaudiometrie: Grundlagen und praktische Anwendung einer Sprachaudiometrie für das deutsche Sprachgebiet. Stuttgart: Thieme; 1957.
3.
Müller-Deile J. Verfahren zur Evaluation und Dokumentation des Rehabilitationserfolgs bei Cochlea Implantat Versorgung – Teil 1. Z Audiologie. 2010;49(4):133-48.
4.
Brand T, Kollmeier B. Efficient adaptive procedures for threshold and concurrent slope estimates for psychophysics and speech intelligibility tests. J Acoust Soc Am. 2002;111(6):2801-10. DOI: 10.1121/1.1479152 Externer Link
5.
Wagener K, Brand T. Sentence intelligibility in noise for listeners with normal hearing and hearing impairment: Influence of measurement procedure and masking parameters. Int J Audiol. 2005;44:144-56. DOI: 10.1080/14992020500057517 Externer Link