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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Normierungsstudie des Heidelberger Vokaldifferenzierungstests für Viertklässler

Vortrag

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  • corresponding author presenting/speaker Nicole Christina Stuhrmann - Univerversitätsklinikum HNO/Phoniatrie, Heidelberg, Deutschland
  • Peter Plinkert - Univerversitätsklinikum HNO/Phoniatrie, Heidelberg, Deutschland
  • author Monika Brunner - Univerversitätsklinikum HNO/Phoniatrie, Heidelberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppV50

doi: 10.3205/10dgpp72, urn:nbn:de:0183-10dgpp723

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Stuhrmann et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Im deutschsprachigen Raum lagen bisher keine standardisierten Prüfverfahren zur Vokallängendifferenzierung innerhalb der Diagnostik der auditiven Wahrnehmung vor. Diese auditive Wahrnehmungsfunktion ist bedeutsam, da auf ihrer Grundlage die Rechtschreibregel der Konsonantenverdopplung beruht.

Material und Methoden: In der Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO-Klinik der Universität Heidelberg wurde der Heidelberger Vokaldifferenzierungstest (HVT) [1] entwickelt. Anhand der vorliegenden Untersuchung wird der HVT, für den bisher nur Normen der Drittklässler vorlagen, einer Normierung für die 4. Klasse unterzogen und mit der Rechtschreibleistung korreliert.

Die Beurteilung der Vokaldifferenzierung erfolgt im HVT anhand 3 verschiedener Aufgaben, die auf Differenzierungs- und Analyseleistungen beruhen. Der Test untergliedert sich in drei Untertests: Vokallängendifferenzierung, Vokallängenanalyse und Markierung der Schreibweise. Die Rechtschreibleistung wurde mit dem Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT) geprüft. Normierung und Evaluation beruhen auf einer Stichprobe von 216 Schülern der 4. Klasse im süddeutschen Raum.

Ergebnisse: Der HVT trennt signifikant zwischen Kindern mit Rechtsschreibschwäche und Kindern ohne Rechtsschreibschwäche. Der Vokaldifferenzierungstest korreliert hochsignifikant mit der Rechtsschreibleistung (R=0,37). Geschlechtspezifische Unterschiede treten nicht auf. Der HVT erfüllt das Testkriterium der Objektivität sowohl in der Durchführung, der Auswertung als auch in der Interpretation. Die Reliabilität des Tests liegt mit Cronbachs Alpha bei 0,66.

Diskussion: Die Reliabilität liegt entsprechend der Kürze des Tests im befriedigenden Bereich. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Fähigkeit lange und kurze Vokale zu erkennen bedeutsam für die Rechtschreibleistung der Viertklässler sind. Die Vokallängenerkennung kann somit als eine weitere Teilkomponente im Komplex der auditiven und kognitiven Vorraussetzungen zum Erlernen der Rechtschreibung betrachtet werden.


Text

Einleitung

Die auditive Wahrnehmungsleistung der Vokallängendifferenzierung ist bedeutsam, da auf ihrer Grundlage die Regel der Konsonantenverdopplung in der deutschen Rechtschreibung basiert. In einigen Untersuchungen aus dem skandinavischen und deutschen Sprachraum konnte der Zusammenhang von Vokallängenerkennung und Rechtschreibleistung bzw. Sprachentwicklung nachgewiesen werden [4], [5], [6].

Jedoch lagen bisher keine standardisierten Prüfverfahren zur Vokallängendifferenzierung innerhalb der Diagnostik der auditiven Wahrnehmung vor. Deshalb wurde in der Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO Universitäts-Klinik Heidelberg in den Jahren 2002 bis 2004 der Heidelberger Vokaldifferenzierungstest (HVT) entwickelt und Normen für Drittklässler erstellt [3]. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist den HVT einer Normierung für die 4. Klasse zu unterziehen und mit der Rechtschreibleistung zu korrelieren.

Material und Methoden

Die Beurteilung der Vokaldifferenzierung erfolgt im HVT anhand 3 verschiedener Aufgaben, die auf Differenzierungs- und Analyseleistungen beruhen. Der Test untergliedert sich in drei Untertests. Im Einzelnen sind dies: die Vokallängendifferenzierung, die Vokallängenanalyse und die Markierung der Schreibweise. Ergänzend wurde die Rechtschreibleistung mit dem Salzburger Lese- und Rechtschreibtest (SLRT) geprüft.

Normierung und Evaluation beruhen auf einer Stichprobe von 216 Schülern der 4. Klassenstufe aus 9 verschiedenen Klassen im süddeutschen Raum. Die testanalytische Auswertung und Normierung basiert auf Methoden der Testtheorie.

Ergebnisse

Der HVT erfüllt das Testkriterium der Objektivität sowohl in der Durchführung, da er auf Tonträger vorliegt, als auch in der Auswertung und der Interpretation: Es zeigten sich keine signifikanten Mittelwertsunterschiede zwischen den 9 Klassen. Der Schwierigkeitsgrad der ersten beiden Untertests ist als eher leicht einzustufen, (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3], Abbildung 4 [Abb. 4]), welches so gewollt ist, da der Test für eine klinische Population konzipiert wurde. Die Reliabilität liegt mit 0,66 entsprechend der Kürze des Tests im befriedigenden Bereich. Der HVT trennt signifikant zwischen Kindern mit Rechtsschreibschwäche und Kindern ohne Rechtsschreibschwäche. Der Gesamttest korreliert hochsignifikant im mittleren Bereich mit der Rechtsschreibleistung (R=0,37). Geschlechtspezifische Unterschiede treten nicht auf.

Diskussion

Der signifikante Zusammenhang zwischen dem HVT und der Rechtschreibfähigkeit weist auf die Bedeutung der Vokallängendifferenzierung für die Schriftsprachentwicklung hin. Ähnliche Zusammenhänge fanden auch Landerl [5] und Feldhusen et al. [3]. Zusätzlich wurde bei Feldhusen et al. [3] eine signifikante Korrelation des HVT zur Lautdifferenzierung von stimmhaften/stimmlosen Konsonanten im HLAD [2] deutlich. Somit könnte eine mangelnde Fähigkeit zur Vokallängendifferenzierung auch Ausdruck einer übergeordneten Lautdiskriminationsschwäche sein. Da die spezifische Fähigkeit der Vokallängenerkennung eine Voraussetzung zur Anwendung der Dopplungsregel in der deutschten Rechtschreibung darstellt, ist die Diagnostik dieser Wahrnehmungsfunktion bei Rechtschreibproblemen eine sinnvolle Erweiterung der bisherigen AVWS Diagnostik.


Literatur

1.
Brunner M, Bäumer C, Dockter S, Feldhusen F, Plinkert P, Pröschel U. Phoneme Discrimination Test (HLAD) Normative Data for Children of the Third Grade and Correlation with Spelling Ability. Folia Phoniatr. 2008;60:157-61.
2.
Brunner M, Seibert A, Dierks A, Körkel B. Heidelberger Lautdifferenzierungstest (HLAD). Wertingen: Westra Elektroakustik; 1998.
3.
Feldhusen F, Brunner M, Heinrich Ch, Pröschel U. Weiterentwicklung des Vokaldifferenzierungstests für die Diagnostik bei Lese-Rechtschreibstörungen. In: Gross M, Kruse E, eds. Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2004/2005 (Band 12). Niebüll: Verlag videel; 2004. p. 349-51. Available from: http://www.egms.de/en/meetings/dgpp2004/04dgpp53.shtml Externer Link
4.
Friedrich M, Weber C, Friederici AD. Electrophysiological evidence for delayed response in infants at rist for specific language impairment. Psychophysiology. 2004;41:772-82. DOI: 10.1111/j.1469-8986.2004.00202.x Externer Link
5.
Landerl K. Categorization of vowel length in German poor spellers: An orthographically relevant phonological distinction. Applied Psycholinguistics. 2003;24:523-38. DOI: 10.1017/S0142716403000262 Externer Link
6.
Leppäänen PH, Richardson U, Pihko E, Eklund KM, Guttorm TK,Aro M. Brain responses to changes in speech sound duration differ between infants with and without familial risk for dyslexia. Dev Neuropsychol. 2002;22:407-22. DOI: 10.1207/S15326942dn2201_4 Externer Link