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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Methodenvergleich zur stroboskopischen Untersuchung von Mundlippenschwingungen bei Blechbläsern

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Renate Mauersberger - Selbständiger Funktionsbereich für Phoniatrie und Pädaudiologie, Univ.-Klinikum Düsseldorf, Deutschland
  • author Thomas Massing - Forschungslabor für Med. Akustik u. Audiologie des Selbständigen Funktionsbereichs für Phoniatrie u. Pädaudiologie, Univ.-Klinikum Düsseldorf, Deutschland
  • author Christoph Zumegen - HNO-Facharztpraxis Christoph Zumegen, Mechernich, Deutschland
  • author Wolfgang Angerstein - Selbständiger Funktionsbereich für Phoniatrie und Pädaudiologie, Univ.-Klinikum Düsseldorf, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppP18

doi: 10.3205/10dgpp56, urn:nbn:de:0183-10dgpp567

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Mauersberger et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Untersuchung der Mundlippen ist für Blechbläser relevant im Hinblick auf mögliche funktionelle Störungen (z.B. Ansatzdystonie) und/oder morphologische Läsionen (z.B. Narben). Diese können durch die Belastung des täglichen Übens entstehen und müssen immer häufiger für versicherungsrechtliche oder berufsgenossenschaftliche Ansprüche begutachtet werden.

Material und Methoden: Zur stroboskopischen Untersuchung der Mundlippenschwingungen haben wir bei insgesamt 13 Blechbläsern drei verschiedene Methoden verglichen:

1.
90°-Lupenlaryngoskop mit sog. Visualizern (seitlich gefensterte Mundstücke, Metallringe)
2.
0°-Optik durch den Schaft des Mundstückes eingeführt
3.
70°-Optik durch ein seitliches Bohrloch in das Mundstück eingeführt

Ergebnisse: Je besser die Optik am Mundstück fixiert war, desto konstanter konnten die Mundlippen auch bei Kopfbewegungen der Probanden fokussiert werden und desto besser war die Abbildungsqualität. Optimal fokussiert waren die Mundlippen bei der dritten Methode. Nur diese Technik erlaubt ein Spielen des Instrumentes ohne Luftverlust mit im Handel erhältlichen Mundstücken.

Diskussion: Zur Schwingungsuntersuchung der Mundlippen bei Blechbläsern sollte eine standardisierte Untersuchungsmethodik verwendet werden: Die Optik muss mit dem Mundstück fest verbunden sein, und es sollten handelsübliche Mundstücke mit angeschlossenem Blasinstrument zum Einsatz kommen. So können die realen Spielbedingungen der Blasinstrumentalisten gut imitiert werden.


Text

Hintergrund

Die mechanische und Druckbelastung der angespannten Mundlippen ist für Blechbläser sowohl medizinisch-ergonomisch als auch versicherungsrechtlich-berufsgenossenschaftlich relevant:

Funktionelle neurologische Schäden wie Ansatzdystonie oder Parästhesie der Lippen können ebenso wie morphologische Läsionen (z.B. Lippenschleimhaut-narben oder der als „Satchmo´s syndrome“ bekannte Einriss des M. orbicularis oris) zu einer massiven Spielbeeinträchtigung bis hin zur Spielunfähigkeit führen. Deshalb werden lupenstroboskopische Einschätzungen der Mundlippenfunktion bei Blechbläsern bereits seit 1942 durchgeführt [1].

Probanden und Methoden

Zur Untersuchung des stroboskopischen Schwingungsverhaltens der Mundlippen von Blechbläsern haben wir drei verschiedene Untersuchungstechniken verglichen:

1.
Bei 12 Probanden (11 männlich, 1 weiblich) wurden die schwingenden Mundlippen mit einem starren 90°-Lupenlaryngoskop untersucht. Die Probanden (8 Trompeter, 2 Waldhornisten, 1 Posaunist, 1 Alphornist) verwendeten dabei sog. Visualizer (Metallmundstücke mit großen seitlichen Fenstern oder Metallringe ohne bzw. mit Instrumentenaufsatz).
2.
Bei zwei Probanden (Posaunist und Alphornist) wurde eine starre 0°-Optik durch den Schaft des Metallmundstückes eingeführt, um die Mundlippenschwingungen zu analysieren.
3.
Ein Proband wurde mit seitlich angebohrtem Metallmundstück untersucht, während er Trompete spielte. Durch das seitliche Bohrloch wurde eine starre 70°-Winkeloptik in den inneren Hohlraum des Metallmundstücks eingeführt.

Zum Einsatz kam entweder ein Körperschallmikrophon (bei der ersten Untersuchungstechnik), welches auf die vordere Wangenhaut in der Nähe des Mundwinkels aufgesetzt wurde, oder aber ein Luftschallmikrophon (bei der zweiten und dritten Untersuchungstechnik).

Ergebnisse

Insgesamt konnten bislang 13 Probanden (1 weiblich, 12 männlich) im Alter von 23 bis 57 Jahren (Mittelwert 46,7 ± 9,0 Jahre) untersucht werden. Sie spielten 4 verschiedene Blechblasinstrumente (Trompete, Waldhorn, Posaune, Alphorn).

Die erste Untersuchungstechnik mit frei beweglicher Optik erzeugte nicht immer optimal fokussierte Abbildungen der Mundlippenschwingungen, die Bildqualität war aufgrund der fehlenden Fixierung der Optik schwankend: Bei jeder Kopfbewegung der Probanden musste die Optik freihändig mitgeführt und neu fokussiert werden, was nicht immer gelang.

Bei der zweiten Untersuchungstechnik war die Optik im konisch zulaufenden Schaft des Mundstückes bereits relativ gut fixiert und hatte nur wenig Bewegungsspielraum. Die resultierenden Abbildungen der Mundlippen waren daher meist fokussiert und von guter Qualität.

Bei der dritten Untersuchungstechnik wurde eine fest am Mundstück angeschlossene Optik eingesetzt, deren Fokus auch bei Kopfbewegungen der Probanden immer konstant war. Auf diese Weise konnten die schwingenden Mundlippen stets optimal fokussiert und mit durchgehend guter Abbildungsqualität dargestellt werden.

Die ersten beiden Untersuchungstechniken erlauben kein reales Spielen des Blasinstrumentes, da das Instrument entweder gar nicht aufgesetzt werden kann (bei Verwendung von ringförmigen Visualizern sowie beim Einführen der 0°-Optik in den Schaft des Mundstückes) oder aber durch die großen seitlichen Fenster der Visualizer sehr viel Luft verloren geht, wenn mit aufgesetztem Instrument gespielt wird. Die dritte Untersuchungstechnik hingegen erlaubt ein Spielen ohne Luftverlust mit realen, im Handel problemlos erhältlichen Mundstücken und aufgesetztem Instrument.

Die Abbildungsqualität der schwingenden Mundlippen war unabhängig davon, ob ein Körper- oder Luftschallmikrophon zum Einsatz kam.

Diskussion

Um das Schwingungsverhalten der Mundlippen bei Blechbläsern optimal analysieren zu können, sollte eine standardisierte stroboskopische Untersuchungstechnik verwendet werden: Die Optik muss mit dem Mundstück fest verbunden sein, um auch bei Kopfbewegungen der Probanden die Mundlippen optimal zu fokussieren. Es sollten handelsübliche Mundstücke mit angeschlossenem Blasinstrument zum Einsatz kommen, um die realen Spielbedingungen der Blechbläser möglichst exakt zu imitieren. Plexiglasmundstücke wurden in der Literatur mehrfach beschrieben [2], [3], haben aber den Nachteil, dass ein reales Spielen durch den seitlichen Ansatz des Instrumentes nicht möglich ist. Auch die Untersuchung der Mundlippenschwingungen ist deutlich erschwert, da Plexiglasmundstücke schnell beschlagen.

Optimierte stroboskopische Schwingungsanalysen können wertvolle Informationen zur arbeitsmedizinischen Begutachtung belastungsinduzierter funktioneller und/oder organischer Läsionen der Mundlippen von Blechbläsern liefern. Ihr routinemäßiger Einsatz in musikermedizinischen Sprechstunden kann daher empfohlen werden.


Literatur

1.
Martin D. Lip vibrations in a cornet mouthpiece. J Acoust Soc Am. 1942;13:305-8.
2.
Ayers R, Lodin M. Alternative mouthpiece design for viewing the lip reed in motion (A). J Acoust Soc Am. 2000;107:2843.
3.
Richards O, Campbell O, Gilbert J, Neal M. Use of experimental studies in determining a two-mass lip model. In: European Acoustics Association (Ed.). Proceedings of Forum Acusticum Sevilla 2002. Sevilla: European Acoustics Association, 2002. pp. MUS-04-005. Available from: http://www.sea-acustica.es/Sevilla02/mus04005.pdf (Zugriff am 23.06.2010 um 18:22 Uhr) Externer Link