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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Analyse biomechanischer Stimmlippeneigenschaften durch Anpassung eines 3D-Mehr-Massen-Modells an experimentellen humanen Hemilarynxdaten

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Anxiong Yang - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Deutschland
  • author David A. Berry - The Laryngeal Dynamics Laboratory, UCLA Division of Head & Neck Surgery, Los Angeles, Vereinigte Staaten
  • author Ulrich Eysholdt - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Deutschland
  • author Michael Stingl - Lehrstuhl für Angewandte Mathematik II der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Deutschland
  • author Daniel Voigt - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Deutschland
  • author Jörg Lohscheller - Fachbereich Informatik, Medizininformatik Schneidershof, Fachhochschule Trier, Deutschland
  • author Michael Döllinger - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universitätsklinikum Erlangen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppV18

doi: 10.3205/10dgpp27, urn:nbn:de:0183-10dgpp279

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Yang et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Für die Realisierung der verbalen Kommunikation ist die Stimme im menschlichen Alltagsleben unabdingbar. Die 3D-Stimmlippenschwingungen sind Ursprung des primären Stimmsignals und können mittels einer konventionellen endoskopischen Hochgeschwindigkeitskamera während der Phonation in 2D beobachtet werden. Die biomechanischen Eigenschaften der Stimmlippen in 3D sind jedoch noch nicht hinreichend erforscht.

Material und Methoden: Durch ein biomechanisches 3D-Mehr-Massen-Modell (3DM) wird die quantitative Auswertung der Stimmlippenbewegung ermöglicht [1]. Mittels stochastischer Optimierungsverfahren wird die Anpassung der vom Modell erzeugten Dynamik an experimentelle Stimmlippenbewegung ermöglicht [2]. In dieser Arbeit wird die Methode auf zehn verschiedenen in vitro Hemilarynxdaten [3] angewandt. Unterschiedliche Parameter wie Masse und Steifigkeit werden extrahiert und analysiert.

Ergebnisse: Innerhalb der Evaluierung wurden die Messwerte wie normierter Fehler (<0,16) und Korrelationskoeffizient (>80%) ermittelt und zeigten hinreichende Genauigkeit. Die Optimierungsparameter zeigten weiterhin: (1) Masse und Steifigkeit sind superior kleiner als inferior. (2) Je größer der subglottale Druck ist, desto größer ist die Steifigkeit und desto kleiner ist die Masse.

Diskussion: Die Genauigkeit der Anpassung des 3DM an experimentelle Daten verifiziert die Anwendbarkeit des Modells. Die Unterschiede der Modellparameter entlang der verschiedenen horizontalen Ebenen zeigt die physiologische Verschiedenartigkeit der Stimmlippen in vertikaler Richtung.


Text

Einleitung

Mit einer konventionellen endoskopischen Hochgeschwindigkeitskamera können die Stimmlippenbewegungen bislang nur in 2D beobachtet und beurteilt werden. Dies beleuchtet die physiologischen Eigenschaften der Stimmlippen jedoch nur unvollständig. Durch Nachbildungen der aus Hemilaynx-Experimenten extrahierten 3D-Stimmlippenschwingungen können die biomechanischen Eigenschaften der Stimmlippen in 3D untersucht werden. Hierfür wurde ein numerisches 3D-Mehr-Massen-Modell (3DM) [1] mit zugehöriger Optimierungsprozedur eingeführt [2]. In der vorliegenden Arbeit werden die biomechanischen Stimmlippeneigenschaften durch Anwendung des 3DM auf experimentelle humane Hemilarynxdaten ermittelt und analysiert.

Methoden

Die In Vitro-Versuche an exzidierten menschlichen Hemilarynges [3] beschreibt nicht nur die lateralen und longitudinalen Bewegungen der Stimmlippen, sondern auch die sich von inferior nach superior ausbreitende Schleimhautwelle. Die extrahierten Stimmlippenbewegungen werden durch das 3DM mit einem eigenen Optimierungsverfahren angepasst [2]. Während der Optimierung werden verschiedene Modellparameter wie subglottaler Druck (Psub), Masse (mi,s), Ankersteifigkeit (ka i,s), vertikale Steifigkeit (kv i,s), longitudinale Steifigkeit (kl i,s) und Ruheposition (xr i,s) modifiziert, um die vom Modell erzeugten Stimmlippenbewegungen möglichst realistisch reproduzieren zu können. Die Indizes (i,s) bezeichnen hierbei das Masseelement i auf der horizontalen Ebene s. Detaillierte Beschreibungen des Modells sind in [1] zu finden.

Für die Anwendung werden die experimentellen Hemilarynxdatensätze in die bilaterale Symmetrie verwandelt, da nur die Dynamik einer Stimmlippe in Hemilarynx-Experiment beobachtet werden kann [3]. Außerdem wird die Störung innerhalb der extrahierten 3D-Trajektorien der Stimmlippe durch einen Mittelungsfilter reduziert. Die Strategie der Optimierung beinhaltet eine Verfeinerung, bei der schrittweise immer mehr Einzelmassen berücksichtigt werden [2]. Auf diese Weise können die verschiedenen eingeführten Modellparameter mithilfe eigener Optimierungsfaktoren Q sukzessive adaptiert werden.

In dieser Arbeit wurde das 3DM an zehn verschiedene experimentelle Datensätze mit unterschiedlichen Subglottaldrücken angepasst. Die Differenz zwischen den optimierten 3D-Trajektorien und den experimentellen Stimmlippenbewegungen wird als normierter Fehler (Γ) ermittelt [2]. Außerdem wird die Übereinstimmung zwischen beiden 3D-Trajektorien mittels Korrelationskoeffizienten (κ) bezeichnet.

Ergebnisse

Die durchschnittlichen Werte (Γ,κ) der Optimierungsprozedur für zehn experimentelle Hemilarynxdatensätze betragen: 0,12±0,02, 83%±2%. Das vorgegebene Symmetrieverhältnis (perfekte Symmetrie = 1) rechts zu links wurde mit 1,01±0,03 gut wiedergegeben. Die Eigenschaften (Masse, Steifigkeit) der Stimmlippen auf verschiedenen Horizontalebenen (s) und Querschnitten (i) sind in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt. Die Veränderungen der Masse (mi,s) und Ankersteifigkeit (ka i,s) bei unterschiedlichen Subglottaldrücken sind in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt.

Diskussion

Bei erfolgreicher Anwendung an Datensätze des Hemilarynx-Experiments verifizieren der hinreichend kleine Fehler und der große Korrelationskoeffizient die Anwendbarkeit des Modells mit zugehöriger Optimierungsprozedur. Entlang der verschiedenen Horizontalebenen sind die Massen und die Steifigkeiten superior kleiner als inferior, siehe Abbildung 1 [Abb. 1]. Dies zeigt die relativ hohe physiologische Verschiedenartigkeit der Stimmlippen in vertikaler Richtung. Vermutlich ist die Ursache hierfür, dass der inferiore Teil der Stimmlippen näher an dem steifen Gewebe der Luftröhre sowie des Ringknorpels liegen. Je größer der Subglottaldruck (bzw. Grundfrequenz) ist, desto kleiner ist die berechnete Masse und desto größer ist die Steifigkeit bzw. Ankersteifigkeit, siehe Abbildung 2 [Abb. 2]. Möglicherweise ist die Ursache hierfür, dass die Grundfrequenz direkt proportional zur Steifigkeit und umgekehrt proportional zur Masse ist.

In einer nachfolgenden Studie wird die Verschiedenartigkeit der Stimmlippeneigenschaften entlang unterschiedlicher Dimensionen weiter analysiert. Langfristig soll die Optimierung an klinische Daten angepasst werden, um Symmetriewerte der Stimmlippen und Energieaufwand (subglottaler Druck) quantitativ abzuschätzen.


Literatur

1.
Yang A, Berry DA, Lohscheller J, Voigt D, Eysholdt U, Döllinger M. Biomechanical Modeling of the Three-dimensional Aspects of Human Vocal Fold Dynamics. J Acoust Soc Am. 2010;127:1014-31. DOI: 10.1121/1.3277165 Externer Link
2.
Yang A, Lohscheller J, Stingl M, Voigt D, Eysholdt U, Döllinger M. Optimierung eines 3D-Mehr-Massen-Modells der Stimmlippendynamik. In: 26. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Leipzig, 11.-13.09.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09dgppV17. Available from: http://www.egms.de/static/en/meetings/dgpp2009/09dgpp26.shtml Externer Link
3.
Boessenecker A, Berry DA, Lohscheller J, Eysholdt U, Döllinger M. Mucosal Wave Properties of a Human Vocal Fold. Acta Acustica United with Acustica. 2007;93:815-23.