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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Langzeiteffekte der FM-Versorgung bei Kindern mit AVWS, Subtyp „Auditive Selektionsstörung“

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  • corresponding author Simone Braun - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, Universität zu Lübeck, Deutschland
  • author Rainer Schönweiler - Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie, UKSH Campus Lübeck, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppP09

doi: 10.3205/10dgpp25, urn:nbn:de:0183-10dgpp259

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Braun et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Auditive Verarbeitungs- und/oder Wahrnehmungsstörungen können mit Übungstherapie, Kompensationsstrategien und mit akustischen Maßnahmen behandelt werden [1]. FM-Anlagen gehören zu den „aktiven“ akustischen Maßnahmen, für die mehr Studien zum Wirkungsnachweis wünschenswert sind. Auf der Jahrestagung der DGPP 2007 haben wir bereits über kurzfristige Effekte berichtet [2].

Material und Methoden: In der vorliegenenden Arbeit haben wir die Studie als prospektive Einzelfallstudie fortgeführt und die versorgten Kinder auf Langzeiteffekte hinsichtlich auditive Wahrnehmungsleistungen und Rechtschreibung untersucht. Wir haben zwei Gruppen mit und ohne FM-Versorgung (Interventions- und Kontrollgruppe) von je 7 Kindern im Alter von 7–12 Jahren mit der Diagnose Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, Subtyp Auditive Selektionsstörung, mit und ohne FM-Versorgung verglichen. Untersucht wurden auditive Wahrnehmungsleistungen vor und durchschnittlich zwei Jahre nach Behandlungsbeginn. Getestet wurden Lautdiskrimination, auditives Arbeitsgedächtnis, auditiver Gestaltschluss, auditive Synthese sowie das Fehlerprofil in einem Rechtschreibtest.

Ergebnisse: Da die Untersuchungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossen sind, kann noch keine statistisch abgesicherte Bewertung erfolgen. Bei den in der Interventionsgruppe bereits gewonnenen Daten sind jedoch positive Trends zu erkennen. So zeigt sich, dass sich sowohl die Lautdiskrimination als auch das auditive Arbeitsgedächtnis durchgängig gebessert haben und nur in Einzelfällen unverändert blieben. Bezüglich des auditiven Gestaltschlusses waren bei allen Kindern nur geringe Verbesserungen zu beobachten. Hingegen war die auditive Syntheseleistung, einen Fall ausgenommen, deutlich gestiegen.

Diskussion: Bei einigen untersuchten Leistungen ergaben sich deutliche Verbesserungen, die noch statistisch abgesichert werden müssen. Die Untersuchung könnte dann ein Beitrag sein, die Aufnahme von FM-Anlagen in den Heilmittelkatalog erneut und mit stichhaltigen Argumenten zu beantragen.


Text

Hintergrund

Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) und deren Therapie haben in letzter Zeit zunehmende Beachtung erfahren. Dabei sind sowohl Übungsstrategien und Kompensationsstrategien als auch akustische Maßnahmen mögliche Behandlungsansätze [1]. FM-Anlagen, wie das binaurale EduLink-System der Firma Phonak, gehören zu den „aktiven“ akustischen Maßnahmen (Abbildung 1 [Abb. 1]). Solche Systeme sollen im Schulalltag für eine Verbesserung des Signal-Störgeräuschabstands für die Schüler sowie für eine verlustfreie Übertragung über mehrere Meter zwischen Lehrer und Schüler sorgen und damit die Sprachdiskrimination verbessern. Über kurzfristige Effekte der Versorgung mit FM-Systemen haben wir bereits auf der Jahrestagung der DGPP berichtet [2]. Bezüglich der Langzeiteffekte der FM-Systeme haben Friederichs u. Friederichs erste Erfolge beschrieben [3]. Im Hinblick auf eine Aufnahme dieses Therapiekonzepts in die deutschen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien (HMR) sind allerdings nachwievor mehr Studien wünschenswert.

Material und Methode

In der vorliegenenden Arbeit haben wir die Studie als prospektive Einzelfallstudie fortgeführt und die versorgten Kinder auf Langzeiteffekte hinsichtlich auditiver Wahrnehmungsleistungen und Rechtschreibung untersucht. Dabei haben wir zwei Gruppen (Interventions- und Kontrollgruppe) von je sieben Kindern im Alter von 7–12 Jahren mit der Diagnose Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung, Subtyp Auditive Selektionsstörung, verglichen. Während die Interventionsgruppe mit FM-Anlagen versorgt wurde, erhielt die Kontrollgruppe eine Sprachübungstherapie mit Indikation SP" nach HMR. Untersucht wurden auditive Wahrnehmungsleistungen vor (t0) und durchschnittlich zwei Jahre nach Behandlungsbeginn (t1). Getestet wurden die Lautdiskrimination mittels Mottier-Test und das Fehlerprofil bei Durchführung eines Deutschen Rechtschreibtests (DRT). Zusätzlich wurden mit den Subtests Zahlenfolgen-Gedächtnis (ZFG), Wörter Ergänzen (WE) und Laute Verbinden (LV) des Psycholinguistischen Entwicklungstests (PET) das auditive Arbeitsgedächtnis, der auditive Gestaltschluss sowie die auditive Synthese überprüft.

Ergebnisse

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Auswertung noch nicht vollständig abgeschlossen, sodass sich die Ergebnisse auf die Untersuchungen der Interventionsgruppe beschränken. Bei Betrachtung der Ergebnisse des Mottier-Tests zeigt sich bei allen Probanden eine Verbesserung im Verlauf, durchschnittlich stieg der Rohwert um 5,3 Punkte. Die Ergebnisse der Subtests des Psycholinguistischen Entwicklungstests sind in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich in allen drei Untersuchungen der T-Wert im Mittel gebessert hat. Im Subtest Zahlenfolgen-Gedächtnis (PET-ZFG) war in einem Fall ein unveränderter Wert zu verzeichnen, bei allen anderen Probanden konnte eine Verbesserung festgestellt werden. Mit einem Anstieg der T-Werte um durchschnittlich 10,8 war in diesem Test die deutlichste Verbesserung zu verzeichnen. In den Subtest Wörter Ergänzen (PET-WE) und Laute Verbinden (PET-LV) zeigte sich jeweils in einem Fall eine Verschlechterung. In allen anderen Fällen blieben die Werte unverändert beziehungsweise stiegen an, im Mittel betrug die Verbesserung der T-Werte im PET-WE 2,4 und im PET-LV 3,4. Die Auswertung der Fehlerprofile im Rechtschreibtest ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

Diskussion

Es kam bei den mit FM-Anlage versorgten Kindern in allen bisher ausgewerteten Untersuchungen zu einem „Langzeiteffekt“ in Leistungen der auditiven Wahrnehmung und der phonologischen Bewusstheit. In der Literatur finden sich zahlreiche ähnliche Beobachtungen auf der Grundlage von Fragebögen, aber nur wenige auf der Grundlage psychometrischer Tests [3]. Hier zeichnet sich ab, dass FM-Anlagen nicht nur ein verbessertes Sprachverstehens im Störschall ermöglichen, sondern auch Entwicklungs- und Lernprozesse in Gang setzen. Eine abschließende Beurteilung der Effekte wird nach Auswertung der Ergebnisse aus der Kontrollgruppe erfolgen. Zudem sollen die Beobachtungen an einem größeren Kollektiv überprüft werden.


Literatur

1.
Nickisch A, Gross M, Schönweiler R, Uttenweiler V, am Zehnhoff-Dinnesen A, Berger R, Radü HJ, Ptok M. Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen. Konsensus-Statement der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. HNO. 2007;55:61-72.
2.
Röhrl V, Tchorz J, Meier S, Schönweiler R. Forschungsstudie über FM-Hörsysteme zur Behandlung von Kindern mit Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS), Subtyp "auditive Selektionsstörung". Dreiländertagung D-A-CH, 24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V.. Innsbruck, Österreich, 28.-30.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgppP28. Available from: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2007/07dgpp82.shtml Externer Link
3.
Friederichs E, Friederichs P. Electrophysiologic and psycho-acoustic findings following one-year application of personal ear-level FM device in children with attention deficit and suspected central auditory processing disorder. Journal of Educational Audiology. 2005;12:29-34.