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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Cochlear Implant (CI) bei einseitiger Ertaubung und Tinnitus

Poster

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppP07

doi: 10.3205/10dgpp20, urn:nbn:de:0183-10dgpp204

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Goldberg-Bockhorn et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bei beidseitiger Ertaubung ist die Versorgung mit einem CI Standardtherapie. Positive Ergebnisse nach binauraler Versorgung lassen vermuten, dass auch einseitig ertaubte Patienten von einem CI profitieren könnten.

Material und Methoden: Vorgestellt wird ein Fallbericht eines 36-jährigen Patienten mit einseitiger Ertaubung und quälendem Tinnitus nach Rundfenstermembranruptur links. Tympanotomie mit Abdecken des runden Fensters und Infusionstherapie zeigten keine Verbesserung. Trotz CROS-Versorgung musste der Ingenieur wegen Kommunikationsproblemen einen Projektleiterposten abgeben. Daher wurde die CI-Versorgung zur Wiederherstellung des binauralen Hörens eingeleitet.

Ergebnisse: Alle audiometrischen Tests zeigten eine Surditas links bei Normakusis rechts. Nach CI-Implantation ergab der Freiburger Sprachtest in Ruhe nach Erstanpassung ein Sprachverstehen von 30% bei 65 dB und 70% bei 80 dB. Vier Wochen später lag der Diskriminationsverlust bei 65 dB bei 30%. Der Freiburger Sprachtest im Rauschen (S90R90) zeigte einen Diskriminationsgewinn von 40% mit dem CI, wenn das Signal von links kam. Bei Rauschen auf dem CI-Ohr war der Diskriminationsgewinn 10%. Der Patient berichtete über ein besseres räumliches und Richtungshören, was unsere Tests jedoch nicht bestätigten.

Diskussion: Unsere Ergebnisse bestätigen, wie bereits mehrfach in großen Zentren gezeigt, dass Patienten mit einseitiger Ertaubung von einer CI-Implantation profitieren. Gerade bei Kommunikationsproblemen im Beruf, jungen Patienten und kurzer Ertaubungsdauer sollte eine CI-Versorgung erwogen werden.


Text

Hintergrund

Binaurales Hören ist die Grundlage für ein qualitativ gutes Hören in geräuschvoller Umgebung. Bei beidseitiger hochgradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit ist die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat (CI) inzwischen Standardtherapie. Die positiven Ergebnisse nach binauraler Versorgung lassen vermuten, dass auch einseitig ertaubte Patienten eine signifikante Verbesserung durch ein CI in lauter Umgebung erfahren könnten.

Fallbericht

Vorgestellt wird ein Fallbericht eines 36-jährigen Patienten mit einseitiger Ertaubung und quälendem Tinnitus nach Ruptur der Rundfenstermembran des linken Ohres. Trotz CROS-Versorgung musste der Ingenieur aufgrund von Kommunikationsproblemen einen Projektleiterposten abgeben. Daher wurde die CI-Versorgung zur Wiederherstellung des binauralen Hörens eingeleitet. Dokumentiert wurde das Hörvermögen vor Ertaubung, nach Ertaubung sowie nach CI-Implantation. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf das Sprachverstehen im Störgeräusch und das Richtungshören gelegt. Die Qualität des Tinnitus wurde im zeitlichen Verlauf in der Anamnese erfragt.

Ergebnisse

Der zuvor normalhörige Mann stellte sich mit akuter Ertaubung des linken Ohres, Tinnitus und Schwindel in unserer Klinik vor. Trotz Tympanotomie mit Abdecken der Rundfenstermembran und Infusionstherapie stellte sich keine Hörverbesserung ein. Alle audiometrischen Tests zeigten eine Surditas links bei beginnender Innenohrschwerhörigkeit rechts. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt das Ton- und Sprachaudiogramm. Im Logatomtest und Speechtracking mit Vertäubung des gesunden Ohres wurde kein Laut bzw. Wort erkannt. Die objektiven Tests bestätigten die Taubheit. Die zunächst verordnete CROS-Versorgung wurde über zwei Jahre getragen, brachte jedoch schließlich keinen Profit mehr. Nach CI-Implantation ergab der Freiburger Sprachtest im Freifeld nach Erstanpassung ein Sprachverstehen von 30% bei 65 dB und 70% bei 80 dB. Vier Wochen später lag der Diskriminationsverlust bei 65 dB bei 30%, was einem Sprachverstehen von 70% bei 65 dB Sprachschallpegel entspricht (Abbildung 1 [Abb. 1]). Im Speechtracking wurden mit CI bereits ohne Lippenabsehen alle Worte verstanden. Der Freiburger Sprachtest im Rauschen (S+90N-90) zeigte einen Diskriminationsgewinn von 40% mit dem CI, wenn das Signal von links kam. Bei Rauschen auf dem CI-Ohr war der Diskriminationsgewinn 10% (Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Patient berichtete über ein besseres räumliches und Richtungshören mit dem CI, was sich in den bisherigen Tests jedoch nicht objektivieren ließ. Auch der Tinnitus wurde deutlich leiser eingeschätzt, solange das CI getragen wurde.

Diskussion

Unsere Ergebnisse bestätigen, wie bereits mehrfach in großen Zentren gezeigt ([1], Wullsteinsymposium Würzburg 2009, DGA-Jahrestagung Frankfurt 2010), dass Patienten mit einseitiger Ertaubung von einer CI-Implantation profitieren. Bereits kurze Zeit nach Erstanpassung zeigt sich insbesondere ein signifikanter Gewinn beim Hören im Störlärm. Die Reduktion des Tinnitus bei einseitiger Taubheit wurde bereits mehrfach beschrieben [2], [3]. Wesentlicher Faktor für den Hörerfolg nach CI-Implantation bei einseitiger Ertaubung ist eine gute Patientenselektion. Gerade bei Kommunikationsproblemen im Beruf, jungen Patienten und kurzer Ertaubungsdauer sollte eine CI-Versorgung erwogen werden.


Literatur

1.
Probst R. Cochlear implantation for unilateral deafness? HNO. 2008;56(9):886-8.
2.
Van de Heyning P, Vermeire K, Diebl M, Nopp P, Anderson I, De Ridder D. Incapacitating, unilateral tinnitus in single sided deafness treated by cochlear implantation. Ann Otol Rhinol Laryngol. 2008;117:645-52.
3.
Vermeire K, Van de Heyning P. Binaural hearing after cochlear implantation in subjects with unilateral sensorineural deafness and tinnitus. Audiol Neurootol. 2009;14(3):163-71. Epub 2008 Nov 13. DOI: 10.1159/000171478 Externer Link