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27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

17.09. - 19.09.2010, Aachen

Organotypisches Kulturmodell von Spiralganglienzellen der Maus zur Stimulation des Neuritenwachstums durch Peptidomimetika

Poster

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 27. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Aachen, 17.-19.09.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10dgppP03

doi: 10.3205/10dgpp09, urn:nbn:de:0183-10dgpp097

Veröffentlicht: 31. August 2010

© 2010 Tropitzsch et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Die Therapie der Wahl für hochgradige Schwerhörigkeit und Ertaubung ist das Cochlea Implantat. Der postoperative Hörerfolg mit einem Cochlea Implantat hängt neben der Anzahl vitaler Spiralganglienzellen auch von der Lage der Elektrode in der Cochlea und damit der Nerv-Elektroden-Interaktion ab. Der Erhalt von Spiralganglienzellen und das Auswachsen von Neuriten in Richtung der Cochlea-Implantat-Elektrode versprechen somit eine Optimierung des Hörergebnisses. Brain derived neurotrophic factor (BDNF) bindet an den TrkB-Rezeptor und stimuliert das Neuritenwachstum. Im inhibitorischen Umfeld von Myelinzellen vermittelt BDNF jedoch auch inhibitorische und somit Neuritenwachstum hemmende Aktivität über den niedrig affinen p75NTR-Rezeptor. Eine spezifische Stimulation wäre daher über einen TrkB selektiven Liganden zu erzielen.

Material und Methoden: Wir etablierten ein organotypisches Kulturmodell der Spiralganglienzellen der Maus (NMRI; postnatal Tag 4–6). Die Kulturschalen wurden mit verschiedenen extrazellulären Matrices (EZM) beschichtet, um das Neuritenwachstum zu optimieren. Das Neuritenwachstum wurde mit ImageJ analysiert und quantifizert. Die Stimulation des Neuritenwachstums erfolgte mit BDNF und einem selektiven TrkB-Agonisten [2].

Ergebnisse: Bei Beschichtung der Kulturschale mit der EZM Poly-D-Lysin/Laminin war das Neuritenwachstum am ausgeprägtesten. Für die Stimulation des Neuritenwachstums mit BDNF ergab sich eine eindeutige Dosis- und Zeitabhängigkeit. Das Neuritenwachstum konnte jedoch nicht nur durch BDNF, sondern auch durch einen synthetischen, selektiven TrkB-Liganden stimuliert werden.

Diskussion: Das organotypische Kulturmodell der Spiralganglienzellen der Maus ist geeignet zur Prüfung von Substanzen die das Neuritenwachstum stimulieren oder inhibieren. Ein synthetischer selektiver TrkB-Agonist erweist sich als Kandidat zur Stimulation des Neuritenwachstums.


Text

Einleitung

Das Cochlea Implantat ist die Therapie der Wahl für hochgradige und an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Die postoperativen Hörergebnisse sind meist sehr erfreulich aber doch auch heterogen und CI-Träger erreichen besonders im Störgeräusch häufig kein normales Sprachverständnis. Ein Grund hierfür mag in der Anzahl der Informationskanäle liegen, die für eine elektrische gegenüber einer akustischen Stimulation zur Verfügung stehen. Auf Basis der Interaktion zwischen Elektrode und den zu stimulierenden Neuronen stehen mit der heutigen CI-Technologie je nach Hersteller nur 12 bis 24 Informationskanäle zur Verfügung. Eine weitere Erhöhung der Anzahl der Kanäle erscheint momentan nicht sinnvoll, da sich die Streuung des Stimulationsstroms bereits bei dieser Elektrodenanzahl überlappt. Im Vergleich hierzu wird der Hörnerv bei der akustischen Stimulation von etwa 3400 hochselektiven frequenzspezifischen Kanälen der inneren Haarzellen gereizt. Wenn es gelänge die Dendriten der Neurone des Spiralganglions auf eine CI-Elektrode wachsen zu lassen und die Kontakte dort zu erhalten, könnten mehrere hundert Informationskanäle für eine deutlich selektivere elektrische Stimulation geschaffen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss eine geeignete Stimulation des Neuritenwachstums in Richtung CI-Elektrode erreicht werden.

Es ist bekannt, dass Neurotrophine wie z.B. Brain derived neurotrophic factor (BDNF) das Neuritenwachstum über die Bindung an spezifische Rezeptoren wie den den TrkB-Rezeptor stimuliert. Paradoxerweise vermittelt BDNF im inhibitorischen Umfeld von Myelinzellen jedoch auch inhibitorische Aktivität über den niedrig affinen p75NTR-Rezeptor [1]. Um eine spezifische Stimulation zu erzielen, sollen daher die Effekte einer selektiven Beeinflussung des TrkB-Signalweges untersucht werden.

Methoden

Es wurde ein organotypisches Kulturmodell der Spiralganglienzellen der Maus (NMRI; postnatal Tag 4–6) etabliert. Der apikale Anteil des Spiralganglions wird 96h kultiviert. Das Neuritenwachstum kann bei unterschiedlichen Bedingungen stimuliert und quantifiziert werden. Die immuncytochemische Markierung erfolgte mit NF200 und GFAP (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Stimulation des Neuritenwachstums erfolgte mit Agonisten und Inhibitoren des TrkB-Signalweges. Insbesondere wurden auch die Effekte von selektiven TrkB-Agonisten untersucht [2].

Ergebnisse

Das Neuritenwachstum konnte durch BDNF in Abhängigkeit von Dosis und Kulturzeit stimuliert werden. Bei einer Konzentration von 25 nM und einer Kulturzeit von 96 Stunden wird eine Sättigung erreicht (Abbildung 2 [Abb. 2]). Die Wirkung von BDNF kann durch selektive Inhibition des TrkB-Signalweges durch pharmakologische Inhibitoren der Tyrosinkinase, PIK3 und PKA gezielt gehemmt werden. Die Wirkung von BDNF wird aber auch durch ein inhibitorisches Umfeld aufgehoben, das über den aus Myelin abgeleiteten Faktor MAG-Fc den p75NTR-Signalweg stimuliert. Somit lässt sich das Neuritenwachstum in Anwesenheit von BDNF sowohl im inhibitorischen Umfeld über den p75NTR-Signalweg als auch direkt über den TrkB Signalweg hemmen. Der TrkB Signalweg lässt sich selektiv über einen synthetischen, selektiven TrkB-Liganden stimulieren, der einer aus BDNF abgeleiteten Peptidsequenz entspricht [2].

Schlussfolgerung

Das organotypische Kulturmodell der Spiralganglienzellen der Maus ist geeignet zur Prüfung von Substanzen die das Neuritenwachstum stimulieren oder inhibieren lässt. Ein synthetischer selektiver TrkB-Agonist erweist sich als Kandidat zur Stimulation des Neuritenwachstums.


Literatur

1.
Kaplan DR, Miller FD. Neurotrophin signaling transduchtion in the nervous system. Curr Opin Neurobiol. 2000;10:381-91. DOI: 10.1016/S0959-4388(00)00092-1 Externer Link
2.
Williams G, Williams EJ, Maison P, Pangalos M, Walsh F, Doherty P. Overcoming the inhibitors of myelin with a novel neurotrophin strategy. J Biol Chem. 2005;280(7):5862-9. DOI: 10.1074/jbc.M411121200 Externer Link